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25.02.21
15:32 Uhr
SSW

Lars Harms: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland - wir freuen uns auf das Festjahr

Presseinformation
Kiel, den 25.02.2021



Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms
TOP 18 + 31 1.700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland
Drs. 19/2764 & 19/2785


„Ich möchte für uns als SSW festhalten, dass es für uns unstrittig bleibt, dass wir
als deutsche Staatsbürger auch heute noch Verantwortung übernehmen
müssen.“

Die gesamte Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland, eine Geschichte, die wir nun auf 1700
Jahre berechnen, lässt sich in ihrer Bedeutung und ihrem Ausmaß so natürlich nicht abhandeln. Ich
wäre gerne mehr auf das Edikt eingegangen, das im Jahr 321 von Kaiser Konstantin erlassen wurde
und belegt, dass schon im frühen Mittelalter in Köln Jüdinnen und Juden lebten. Man könnte viel
über die ersten organisierten Pogrome an Jüdinnen und Juden im Jahr 1096 erzählen. Es würde sich
auch lohnen, über die Geschichte der sogenannten „Toleranzstädte“ im 16. und 17. Jahrhundert zu
sprechen, anhand derer sich auch gewissermaßen unsere deutsch-dänische Geschichte erzählen
ließe, da auch der dänische König Christian IV hier eine interessante Rolle spielt. Ganz zu schweigen
von all den religiösen Festen und kulturellen Bräuchen. Aber während wir durch die Jahrhunderte 2

springen, landen wir eben auch bei der Zäsur unserer gemeinsamen Vergangenheit, dem
Zivilisationsbruch des Holocaust. Der Bruch mit Allem, was man bis dahin für möglich gehalten hat.
Es gibt da so vieles zu sagen und doch fehlen gewissermaßen immer noch die Worte. Der Shoa
fielen etwa 6 Millionen Jüdinnen und Juden zum Opfer. Die Alliierten befreiten noch etwa 15.000
deutsche Jüdinnen und Juden. Einige aus den Konzentrationslagern, einige aus Verstecken. Heute
leben wieder geschätzt 150.000 jüdische Menschen in Deutschland. Auf diese Zahl kommen wir
überhaupt nur dank der Zuwanderung aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion oder Israelis,
die nach Berlin kamen. Und nicht zuletzt, dank der Jüdinnen und Juden die trotz der Shoa
Deutschland nicht verlassen haben.
Und in dieser natürlich nicht abschließenden Aufzählung deutet sich auch die Vielfalt der gelebten
Realitäten jüdischen Lebens in Deutschland an.


In diesem Festjahr wollen wir gemeinsam versuchen, jüdisches Leben in seiner Vielfalt sichtbar zu
machen und dem Antisemitismus etwas entgegen zu setzen. Bundesweit wird es tausende
Veranstaltungen geben: Konzerte, Lesungen, Theater, Filme. Der Beauftragte für Politische Bildung
hat ja bereits Anfang der Woche verkündet, wie das Veranstaltungsprogramm bisher aussieht und
es steht ja auch noch ein Berichtsantrag zum Thema an, sodass wir das noch an anderer Stelle
darüber diskutieren werden.


Mir scheint besonders die Darstellung der Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland Schwerpunkt
des Festjahres zu sein. Bisher war es ja schon möglich, mal auf die Social Media Kanäle des Festaktes
zu schauen. Neben Erklärungen für jüdische Feste wie Pessach oder Sukkot, dem Laubhüttenfest,
fährt ein Puppentheater-Zug mit der Aufschrift „Schalömchen“ durch ein Video und später in echt
durch Köln. Außerdem erklären Einzelpersonen, was es für sie bedeutet, „jüdisch“ zu sein. Jüdisch zu
sein bedeute vor allem, so erklärt ein junger Schauspieler, immer wieder erklären zu müssen, was es
bedeutet, jüdisch zu sein. 3

Wir wissen in bedrückender Weise, dass in jüdischen Kreisen die Frage, ob es besser wäre, aus
Deutschland auszuwandern, kein Tabu mehr ist. In der Jüdischen Allgemeinen gab es vor etwa
einem Jahr ein Streitgespräch mit der Frage „Sollen wir übers Auswandern reden?“ Es geht darin
darum, dass der Antisemitismus nie ganz verschwunden ist und ob es womöglich einen letzten
Zeitpunkt gibt, den man nicht verpassen sollte. Ich möchte für uns als SSW festhalten, dass es für
uns unstrittig bleibt, dass wir als deutsche Staatsbürger auch heute noch Verantwortung
übernehmen müssen. Da denke ich zum einen an Besuche unserer Schulklassen an Gedächtnisorte.
Das Land stellt dafür Gelder bereit, die 2020 natürlich nicht umfangreich abgerufen wurden. Wir
müssen aber darüber hinaus auch der jüdisch-arabischen Verständigungsarbeit unterstützend
beiseite stehen. Deswegen bin ich besonders froh darüber, dass wir für das Bildungszentrum Givat
Haviva, das als Begegnungsstätte für jüdische und arabische Israelis Friedensarbeit leistet, eine
Förderung im Haushalt von 25.000 ¤ haben unterbringen können.


Freuen wir uns also auf das Festjahr. Ich freue mich wirklich auf diese Veranstaltungen und auf die
Zusammenkünfte und den Austausch mit unseren jüdischen Gemeinden in Ahrensburg, Bad
Segeberg, Elmshorn, Flensburg, Kiel, Lübeck und Pinneberg.


Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/