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25.02.21
10:38 Uhr
SSW

Jette Waldinger-Thiering: Kinderschutz und Kinderrechte in Krisenzeiten besonders ernst nehmen

Presseinformation
Kiel, den 25.02.2021



Es gilt das gesprochene Wort



Jette Waldinger-Thiering
TOP 21, 30+54 Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt, Kinderschutz während der
medizinischen Behandlung und Bericht der
Beschwerdestelle für Kinder und Jugendliche
2018/2019
Drs. 19/2767, 19/2784 und 19/2574

„Kinderschutz und Kinderrechte in Krisenzeiten besonders ernst nehmen“

Ich muss zugeben, dass ich beim Blick auf die Tagesordnung ein lachendes und ein weinendes
Auge habe. Es freut mich, dass wir die Situation von Kindern und Jugendlichen an dieser
prominenten Stelle diskutieren. Gleichzeitig bin ich aber auch ein wenig enttäuscht, weil hier sehr
unterschiedliche, und vor allem vielfältige, Dinge in einem Tagesordnungspunkt vermischt
werden. So wird es zum Beispiel schwierig, die Arbeit von Samiah El Samadoni und ihrem Team
ausreichend zu würdigen. Denn eins ist klar: Auch die vorliegenden Anträge zu ganz
unterschiedlichen Aspekten des Kinderschutzes sind für sich genommen wichtig. 2

Der grobe gemeinsame Nenner aller Drucksachen ist natürlich der Schutz junger Menschen. Das
können wir nur begrüßen. Denn dieses Thema ist in Pandemiezeiten wohl wichtiger denn je. Und
deshalb danken wir nicht nur der Bürgerbeauftragten für ihren Bericht, sondern selbstverständlich
auch den antragstellenden Fraktionen für ihre Initiativen. Nach unserer Auffassung ist es dringend
nötig, den Kinder- und Jugendschutz und die derzeitige Lebenssituation junger Menschen stärker
in den Mittelpunkt zu rücken. Nicht nur in Bezug auf sexualisierte Gewalt, sondern umfassend.
Deshalb haben wir uns zum Beispiel dafür eingesetzt, dass wir die Vorsitzende des Jungen Rats
Kiel als Expertin in eigener Sache hören konnten. Und ich denke auch in ihrem Beitrag wurde
deutlich, dass Kinder und Jugendliche in Zeiten von Corona nicht nur viel zu wenig gehört werden,
sondern auch besonders gefährdet sind.


Natürlich mussten viele Entscheidungen in der Pandemie unter großem Zeitdruck getroffen
werden. Auch wir als Parlament wurden längst nicht immer in dem Maß eingebunden, wie wir es
uns wünschen. Gleichzeitig war es aus Sicht des SSW natürlich notwendig und richtig, das Leben
an Schulen, Kitas oder Freizeiteinrichtungen runterzufahren. Doch mit zunehmender Dauer
müssen wir erkennen, dass viele Kinder und Jugendliche sehr unter diesen Einschränkungen
leiden. Vermutlich wäre es für viele von ihnen weniger schlimm, wenn sie anders mitgenommen
und beteiligt worden wären. Zumindest für die Zukunft müssen wir daher dringend die
Perspektive junger Menschen mitdenken. Und wir müssen sie deutlich stärker einbinden, wenn es
um so wichtige Dinge wie den Corona-Stufenplan geht.


Trotz der Öffnung von Kita und Grundschule bleibt die Situation gerade für junge Menschen sehr
belastend. Ihre Lebens- und Lernsituation ist auf absehbare Zeit schwierig. Und die
eingeschränkten Kontakte und fehlenden Angebote führen leider auch dazu, dass sich die
bestehende soziale Ungleichheit in Bezug auf Bildung, Gesundheit und Teilhabe verschärft. Viele
Familien sind längst an ihrer Belastungsgrenze. Und wir teilen die Befürchtung des
Kinderschutzbunds, nach der die Isolation und soziale Distanzierung zu einer deutlichen Zunahme
von Gewalttaten gegenüber Kindern und Jugendlichen führt. Für uns ist deshalb völlig klar, dass 3

die Situation von genau diesen Familien und genau diesen Kindern in Zukunft viel stärker
berücksichtigt werden muss.


Auch wenn wir derzeit vor vielen Problemen und Herausforderungen stehen, dürfen wir eines
nicht vergessen: Kinder haben eigenständige Rechte. Sie haben zum Beispiel ein Recht auf
körperliche Unversehrtheit und Schutz vor Gewalt. Gerade in dieser Ausnahmesituation ist es
deshalb unheimlich wichtig, dass alle Unterstützungsmaßnahmen für Familien vor Ort erreichbar
bleiben. Das gilt für den Kinderschutz, aber beispielsweise auch im Bereich von Familienzentren
oder für die Arbeit unserer Beauftragten und ihrer Beschwerdestelle. Es muss höchste Priorität
haben, Familien durch die Krise zu begleiten und damit Kinder in dieser nie dagewesen Situation
zu schützen. Vor diesem Hintergrund können wir die Forderung der SPD, die Präventionsarbeit zu
stärken, nur unterstützen.


Kinder haben aber auch ein Recht auf Bildung, das natürlich weiter besteht, selbst wenn Schulen
nur teilweise geöffnet sind. Leider haben aber längst nicht alle jungen Menschen gleich gute
Rahmenbedingungen für digitales Lernen. Wir wissen, dass gerade sozial benachteiligte Kinder
und Jugendliche häufig nicht über die notwendige Ausstattung verfügen. Auch die Unterstützung
durch die Eltern fällt sehr unterschiedlich aus. Deshalb befürchten wir, dass sich durch die aktuelle
Ausnahmesituation Bildungschancen noch ungleicher verteilen. Dem müssen wir etwas
entgegensetzen und dafür sorgen, dass die Kinder- und Jugendhilfe aber auch Lehrkräfte stärker
unterstützt und in die Lage versetzt werden, auf die individuelle Situation aller Schülerinnen und
Schüler zu achten. Auch und gerade auf die Situation benachteiligter Kinder oder jener, die in
einem Heim aufwachsen und leider bis heute nicht immer schulpflichtig sind.


Neben diesen grundlegenden Dingen ist selbstverständlich klar, dass der Kinderschutz auch
während der medizinischen Behandlung gesichert sein muss. Deshalb können wir die Initiative der
Jamaika-Koalition grundsätzlich nachvollziehen. Ich möchte an diesem Punkt aber an eins
erinnern: Wir haben gerade erst ein Landeskrankenhausgesetz beraten und unter anderem 4

gefordert, dass entsprechende Konzepte zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in den Kliniken
eingeführt werden. Andere Bundesländer sind diesen Weg gegangen. Und nach unserer
Einschätzung sollten wir ihnen folgen. Damit würden wir deutlich mehr für den Schutz von
Kindern tun, als mit der bloßen Erwähnung im fünften Sozialgesetzbuch. Deshalb würden wir uns
freuen, wenn wir dieses Thema noch einmal im Ausschuss beraten können.


Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/