Jette Waldinger-Thiering: Kinderschutz und Kinderrechte in Krisenzeiten besonders ernst nehmen
PresseinformationKiel, den 25.02.2021Es gilt das gesprochene WortJette Waldinger-ThieringTOP 21, 30+54 Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt, Kinderschutz während der medizinischen Behandlung und Bericht der Beschwerdestelle für Kinder und Jugendliche 2018/2019 Drs. 19/2767, 19/2784 und 19/2574„Kinderschutz und Kinderrechte in Krisenzeiten besonders ernst nehmen“Ich muss zugeben, dass ich beim Blick auf die Tagesordnung ein lachendes und ein weinendesAuge habe. Es freut mich, dass wir die Situation von Kindern und Jugendlichen an dieserprominenten Stelle diskutieren. Gleichzeitig bin ich aber auch ein wenig enttäuscht, weil hier sehrunterschiedliche, und vor allem vielfältige, Dinge in einem Tagesordnungspunkt vermischtwerden. So wird es zum Beispiel schwierig, die Arbeit von Samiah El Samadoni und ihrem Teamausreichend zu würdigen. Denn eins ist klar: Auch die vorliegenden Anträge zu ganzunterschiedlichen Aspekten des Kinderschutzes sind für sich genommen wichtig. 2Der grobe gemeinsame Nenner aller Drucksachen ist natürlich der Schutz junger Menschen. Daskönnen wir nur begrüßen. Denn dieses Thema ist in Pandemiezeiten wohl wichtiger denn je. Unddeshalb danken wir nicht nur der Bürgerbeauftragten für ihren Bericht, sondern selbstverständlichauch den antragstellenden Fraktionen für ihre Initiativen. Nach unserer Auffassung ist es dringendnötig, den Kinder- und Jugendschutz und die derzeitige Lebenssituation junger Menschen stärkerin den Mittelpunkt zu rücken. Nicht nur in Bezug auf sexualisierte Gewalt, sondern umfassend.Deshalb haben wir uns zum Beispiel dafür eingesetzt, dass wir die Vorsitzende des Jungen RatsKiel als Expertin in eigener Sache hören konnten. Und ich denke auch in ihrem Beitrag wurdedeutlich, dass Kinder und Jugendliche in Zeiten von Corona nicht nur viel zu wenig gehört werden,sondern auch besonders gefährdet sind.Natürlich mussten viele Entscheidungen in der Pandemie unter großem Zeitdruck getroffenwerden. Auch wir als Parlament wurden längst nicht immer in dem Maß eingebunden, wie wir esuns wünschen. Gleichzeitig war es aus Sicht des SSW natürlich notwendig und richtig, das Lebenan Schulen, Kitas oder Freizeiteinrichtungen runterzufahren. Doch mit zunehmender Dauermüssen wir erkennen, dass viele Kinder und Jugendliche sehr unter diesen Einschränkungenleiden. Vermutlich wäre es für viele von ihnen weniger schlimm, wenn sie anders mitgenommenund beteiligt worden wären. Zumindest für die Zukunft müssen wir daher dringend diePerspektive junger Menschen mitdenken. Und wir müssen sie deutlich stärker einbinden, wenn esum so wichtige Dinge wie den Corona-Stufenplan geht.Trotz der Öffnung von Kita und Grundschule bleibt die Situation gerade für junge Menschen sehrbelastend. Ihre Lebens- und Lernsituation ist auf absehbare Zeit schwierig. Und dieeingeschränkten Kontakte und fehlenden Angebote führen leider auch dazu, dass sich diebestehende soziale Ungleichheit in Bezug auf Bildung, Gesundheit und Teilhabe verschärft. VieleFamilien sind längst an ihrer Belastungsgrenze. Und wir teilen die Befürchtung desKinderschutzbunds, nach der die Isolation und soziale Distanzierung zu einer deutlichen Zunahmevon Gewalttaten gegenüber Kindern und Jugendlichen führt. Für uns ist deshalb völlig klar, dass 3die Situation von genau diesen Familien und genau diesen Kindern in Zukunft viel stärkerberücksichtigt werden muss.Auch wenn wir derzeit vor vielen Problemen und Herausforderungen stehen, dürfen wir einesnicht vergessen: Kinder haben eigenständige Rechte. Sie haben zum Beispiel ein Recht aufkörperliche Unversehrtheit und Schutz vor Gewalt. Gerade in dieser Ausnahmesituation ist esdeshalb unheimlich wichtig, dass alle Unterstützungsmaßnahmen für Familien vor Ort erreichbarbleiben. Das gilt für den Kinderschutz, aber beispielsweise auch im Bereich von Familienzentrenoder für die Arbeit unserer Beauftragten und ihrer Beschwerdestelle. Es muss höchste Prioritäthaben, Familien durch die Krise zu begleiten und damit Kinder in dieser nie dagewesen Situationzu schützen. Vor diesem Hintergrund können wir die Forderung der SPD, die Präventionsarbeit zustärken, nur unterstützen.Kinder haben aber auch ein Recht auf Bildung, das natürlich weiter besteht, selbst wenn Schulennur teilweise geöffnet sind. Leider haben aber längst nicht alle jungen Menschen gleich guteRahmenbedingungen für digitales Lernen. Wir wissen, dass gerade sozial benachteiligte Kinderund Jugendliche häufig nicht über die notwendige Ausstattung verfügen. Auch die Unterstützungdurch die Eltern fällt sehr unterschiedlich aus. Deshalb befürchten wir, dass sich durch die aktuelleAusnahmesituation Bildungschancen noch ungleicher verteilen. Dem müssen wir etwasentgegensetzen und dafür sorgen, dass die Kinder- und Jugendhilfe aber auch Lehrkräfte stärkerunterstützt und in die Lage versetzt werden, auf die individuelle Situation aller Schülerinnen undSchüler zu achten. Auch und gerade auf die Situation benachteiligter Kinder oder jener, die ineinem Heim aufwachsen und leider bis heute nicht immer schulpflichtig sind.Neben diesen grundlegenden Dingen ist selbstverständlich klar, dass der Kinderschutz auchwährend der medizinischen Behandlung gesichert sein muss. Deshalb können wir die Initiative derJamaika-Koalition grundsätzlich nachvollziehen. Ich möchte an diesem Punkt aber an einserinnern: Wir haben gerade erst ein Landeskrankenhausgesetz beraten und unter anderem 4gefordert, dass entsprechende Konzepte zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in den Klinikeneingeführt werden. Andere Bundesländer sind diesen Weg gegangen. Und nach unsererEinschätzung sollten wir ihnen folgen. Damit würden wir deutlich mehr für den Schutz vonKindern tun, als mit der bloßen Erwähnung im fünften Sozialgesetzbuch. Deshalb würden wir unsfreuen, wenn wir dieses Thema noch einmal im Ausschuss beraten können.Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/