Lars Harms: Wir wollen weder radikale Ausgabenkürzungen noch exzessives Geldausschütten
PresseinformationKiel, den 24.02.2021Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 2+4+23+47 Haushaltsberatungen 2021 +48+49+52 - Generaldebatte - Drs. 19/2400; 19/2401; 19/2568; 19/2617; 19/2648; 19/2660; 19/2759; 19/2769; 19/2773; 19/2781;„Auch das zweite laufende Jahr der Coronavirus-Pandemie bedingt einenRekordhaushalt für unser Land. Der SSW hat fünf Haushaltsanträge erfolgreicheinbringen können, von denen die folgenden Organisationen bzw. Projekteprofitieren: Givat Haviva, Friesisches Kulturzentrum an der Risem Schölj,Förderung der Regional- und Minderheitensprachen inKindertageseinrichtungen, Landesstelle für Suchtfragen (LSSH), Zentrum fürselbstbestimmtes Leben (ZsL).“Rund 500 Seiten Bericht und Beschlussempfehlung zum Haushaltsgesetz 2021,Ausschussberatungen bis in den Februar hinein, zahlreiche fortlaufende Aktualisierungen,Soforthilfeprogramme und Änderungsanträge – so langwierig und komplex waren dieHaushaltsberatungen wohl noch nie. An dieser Stelle vorangeschoben daher erst einmal vielen 2Dank an alle Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, an die Vertreterinnen undVertreter der Landesregierung und der Ministerien und natürlich auch an die Landtagsverwaltungund vor allem das Finanzausschussbüro für diesen Kraftakt insbesondere über die letzten Wochen!Im Rahmen des neuen Verfahrens werden die Debatten zu den Einzelplänen ja noch folgen, dahermöchte ich in dieser vorangestellten Generaldebatte gerne insbesondere die Haushaltsanträgeherausarbeiten, die der SSW erfolgreich hat einbringen können:Zunächst einmal – ich hatte es anlässlich des allerersten Entwurfes zum Haushalt 2021 Endeletzten Jahres bereits betont – freuen wir uns natürlich, dass die Zuschüsse für die Dänen, dieFriesen sowie die Sinti und Roma für die nächsten Jahre gesichert sind. Diese Vereinbarung mit derLandesregierung ist ein ganz wichtiges Signal und bietet den Minderheiten zumindest einegewisse finanzielle Planungssicherheit in diesen schweren Zeiten. Während die bekanntesten Titelalso bereits im Entwurf der Landesregierung mitgedacht wurden, hat der SSW diesbezüglich nochzwei weitere Titel aufstocken bzw. einbringen können:Zum einen handelt es sich dabei um eine Investitionsförderung in Höhe von 100.000 Euro für dieEinrichtung eines friesischen Kulturzentrums an der Risem Schölj. Die Risem Schölj ist die einzigeSchule, in der die drei Sprachen Deutsch, Dänisch und Friesisch gleichberechtigt gelehrt und alsUnterrichtssprache genutzt werden. Und das Angebot soll ausgebaut werden, denn die FriiskForiining möchte dort künftig gern ihre Kinder- und Jugendaktivitäten in einem friesischenKulturzentrum zentralisieren. So sollen an der Schule Kinder- und Krabbelgruppen eingerichtetwerden. Zudem soll der Standort u.a. für Theater, Sport, Sprachkurse und auch als Startpunkt fürAusflüge genutzt werden. Während die gesamte Maßnahme ein Volumen von etwa 450.000 Eurohat, wird das Land auf Antrag des SSW einen Anteil von 100.000 Euro übernehmen und damit denUmbau und die Ausstattung der Räumlichkeiten fördern, die für die friesischsprachige Kinder-,Jugend- und Kulturarbeit genutzt werden sollen. 3Um Sprachen und Kultur geht es auch in unserem zweiten minderheitenpolitischenHaushaltsantrag: Die Erfolgsgeschichte rund um die Förderung von unseren Regional- undMinderheitensprachen in den Kindergärten. Dänisch, Friesisch und Plattdeutsch sind einelementarer Teil der Identität von Schleswig-Holstein, daher ist und bleibt es wichtig, dieseSprachen schon in den Kindergärten zu vermitteln und zu fördern. Wir hatten diese Förderung zuKüstenkoalitionszeiten in 2017 angestoßen und seitdem gehen Angebot und Nachfrage durch dieDecke. Es ist daher davon auszugehen, dass hier auch in den Folgejahren mehr Geld benötigt wird.Der SSW hat beantragt, dass die Fördersumme um 75.000 Euro auf nunmehr insgesamt 575.000Euro angehoben wird und wir freuen uns, dass dieser Antrag einstimmig angenommen wurde.Um den Ausbau von sehr wertvollen Angeboten geht es auch in zwei weiterenVerhandlungserfolgen vom SSW.Zum einen profitiert das Zentrum für selbstbestimmtes Leben (ZsL): Über dieseSelbsthilfeorganisation können sich Menschen mit Behinderung von Menschen mit Behinderungberaten lassen, was für beide Seiten ungemein wertvoll und hilfreich ist. Das ZsL möchte seineBeratungstätigkeiten gern ausweiten und ab diesem Jahr acht Standorte mit Angeboten zurErgänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) übernehmen bzw. aufbauen und dort dasPeer Counseling zu 100% umsetzen. Schleswig-Holstein wird damit zum Vorreiter und das istwirklich klasse! Diese Büros müssen nun also angemietet und mit behindertengerechten Möbeln,Material und barrierefreier Technik ausgestattet werden. Hierfür – und auch für die Auslösungweiterer Bundesfördermittel – benötigt das ZsL einmalig die finanzielle Unterstützung durch dasLand, welche sich auf Antrag des SSW auf 40.000 Euro belaufen wird. Für verhältnismäßig wenigGeld können wir auf diese Weise viel Beratungsqualität für Menschen mit Behinderung schaffen.Das ist nicht nur in Zeiten wie diesen richtig gut eingesetztes Geld!Eine gute Investition werden zum anderen auch die jährlichen 50.000 Euro für die Jahre 2021 bis2023, die auf Antrag des SSW für den Ausbau des digitalen Beratungsangebots der Landesstelle fürSuchtfragen zur Verfügung gestellt werden. Die Nachfrage nach digitalen Angeboten war schon 4vor der Pandemiezeit beständig angestiegen und durch den Ausbau, den wir nun ermöglichen,kann künftig noch einmal deutlich mehr Menschen geholfen werden.Von der wertvollen Arbeit und Unterstützung auf Regional- und Landesebene geht es für unserenfinalen erfolgreichen Haushaltsantrag nun noch einmal hinaus auf die internationale Bühne: AufAntrag des SSW wird das Land Schleswig-Holstein künftig die Bildungs- und BegegnungsstätteGivat Haviva mit einem institutionellen Zuschuss von 25.000 Euro fördern. Als älteste und größtebestehende israelische Einrichtung im Bereich der jüdisch-arabischen Verständigungsarbeit hatsich Givat Haviva seit 1949 der Förderung des kulturellen und religiösen Pluralismus verschrieben.In Normalzeiten besuchen jährlich über 50.000 Menschen den dortigen Campus und bislangerhält Givat Haviva u.a. Fördergelder aus Nordrhein-Westfalen und aus Rheinland-Pfalz. Weiterfinanziert sich Givat Haviva über Spenden.Ich erinnere mich gut daran, als ich im Rahmen der Israel-Reise des Ältestenrates im Jahr 2018 dasPrivileg hatte, Givat Haviva vor Ort zu besuchen, nachdem im Jahr zuvor eine entsprechendeAusstellung hier im Landeshaus zu Gast gewesen war. Dieser Besuch hat mich tief beeindrucktund ich freue mich, dass die Jamaika-Koalition unseren Antrag unterstützt hat und sich nun auchSchleswig-Holstein in die Riege der Förder-Länder von Givat Haviva einreihen wird. Wir vom SSWfreuen uns sehr über den konstruktiven Kontakt zu Givat Haviva und hoffen, dass diese FörderungFrüchte trägt und zu einem engeren Austausch führt.Diese fünf Anträge im Gesamtumfang von 290.000 Euro hat der SSW also erfolgreich einbringenkönnen. Gleichzeitig behalten wir natürlich auch unsere weiteren Anträge auf dem Schirm undwerden diese konsequent weiterverfolgen.So hätten wir uns seitens der Jamaika-Koalition beispielsweise gewünscht, dass sie unseremAntrag zur Förderung der Lokalradios in Flensburg und Neumünster folgen mag. Die Lokalradiosarbeiten unabhängig und bieten informative wie kreative Programmunterhaltung, was gerade indiesen angespannten gesellschaftlichen Zeiten sehr wertvoll ist. Weitere Stichworte sind dieeSport-Förderung, der Stellenaufbau bei Polizei und Justiz oder auch die unbürokratischere 5Digitalisierung der Schulen und Volkshochschulen. Wir werden die Entwicklungen im Augebehalten und dann höhlt steter Tropfen ja vielleicht doch noch den Stein.Noch ein paar Bemerkungen zu den anderen Änderungsanträgen, die auf dem Tisch liegen: DerSSW hatte seine Änderungsanträge ja als allererstes eingereicht und wir können feststellen, dasses insgesamt durchaus auch Übereinstimmungen mit den Anträgen der Jamaika-Koalitionäre undin Teilen auch der SPD-Fraktion gibt. Es freut uns, dass hier also einige unserer Vorschlägeübernommen wurden, die so auch Eingang gefunden haben in die finale Beschlussvorlage.Während wir nun viele der SPD-Anträge inhaltlich auch unterstützen können, so bleiben beieingehender Prüfung doch gewisse Zweifel, ob die Gegenfinanzierungsvorschläge so tatsächlichtragfähig und „seriös“ sind. Bei den AfD-Anträgen ging die Prüfung dagegen recht schnell: Gute 20Seiten pauschaler Streichung von sämtlichen Integrationsausgaben und die politische Ablehnungvon gesellschaftlicher Teilhabe für wirklich alle Bevölkerungsgruppen sind kein Diskussionspapier,sondern einfach nur Hetze gegen alles, was anders ist. Die Ablehnung des Antrages war und istdaher folgerichtig.Insgesamt ist uns allen ja bewusst, dass wir hier und heute erneut einen Haushalt der Superlativevorlegen und beschließen werden. Die Notsituation unseres Landes macht dies notwendig und wiralle haben die Verantwortung angenommen und konstruktiv daran mitgearbeitet. Noch niewurden derart große Summen mobilisiert und es erscheint mir nicht unwahrscheinlich, dass wirim Laufe des Jahres womöglich noch nachsteuern müssen. Im letzten Jahr haben wir immerhinvier Nachtragshaushalte verabschiedet und die Corona-Pandemie wird uns auch dieses Jahr nochbegleiten, auch in finanzieller Hinsicht. Der SSW hat aber immer auch gesagt: Wir wollen wederradikale Ausgabenkürzungen noch exzessives Geldausschütten. Wir wollen und brauchen einhandlungsfähiges Land, das mit den Steuergeldern der Bürgerinnen und Bürger sorgsam umgeht,das in Kooperation mit den Kommunen die Daseinsvorsorge vor Ort sicherstellt, das Investitionenzum Wohle aller tätigt und das für die Bedürftigen soziale Sicherungssysteme bereitstellt.Gleichzeitig müssen wir uns aber auch vor Augen halten, dass sich mit jedem weiteren Tag des 6Lockdowns unsere finanziellen Möglichkeiten verengen. Ein Haushalt auf Pump kann nicht ewigfunktionieren und ist zudem eine hohe Hypothek für kommende Generationen. Deswegen wirdder SSW auch weiterhin in der Pandemie für eine vorsichtige und kluge Öffnungsstrategie inStufen plädieren, selbstverständlich bei gleichzeitig maximalem Gesundheitsschutz. DieMenschen in unserem Land haben insgesamt sehr vorbildlich mitgezogen und brauchen undverdienen konkrete Perspektiven.Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/