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28.01.21
16:02 Uhr
SSW

Christian Dirschauer: Angemessene, deutlich höhere Vergütung für Pflegefachkräfte

Presseinformation
Kiel, den 28.01.2021



Es gilt das gesprochene Wort



Christian Dirschauer
TOP 34 Kliniken und Intensivstationen nachhaltig stärken
Drs. 19/2715 und 19/2730


„Rahmenbedingungen für Sozial- und Gesundheitsberufe endlich spürbar
verbessern!“

Mit der Situation unserer Kliniken und Intensivstationen ist ein weiteres Thema auf der Agenda,
das leider erst im Zuge der Corona-Pandemie die dringend nötige Aufmerksamkeit bekommt. Wie
in anderen Bereichen werden auch hier Probleme deutlich, die Corona zwar mitunter verschärft -
aber sicher nicht verursacht. Intensivpfleger und -mediziner klagen seit langem über die
zunehmende Arbeitsbelastung und Arbeitsverdichtung. Die Fallzahlen sind in den vergangenen
Jahren dramatisch gestiegen. 20 Überstunden pro Woche sind hier für viele eher die Regel als die
Ausnahme. Und dabei ist Intensivpflege nicht nur körperlich, sondern vor allem psychisch sehr
anspruchsvoll. Doch trotz dieser hohen Ansprüche ist die Bezahlung vergleichsweise gering.


Vor diesem Hintergrund, und ausdrücklich nicht nur in Zeiten einer Pandemie, ist es also absolut
sinnvoll, diesen sensiblen Bereich zu stärken. Insofern möchte ich sowohl der Jamaika-Koalition 2

wie der SPD-Fraktion für ihre entsprechenden Initiativen hierzu danken. Beide Anträge weisen auf
die Notwendigkeit einer angemessenen finanziellen und personellen Ausstattung der
Intensivmedizin hin. Und beide wollen die Fachkräftebasis erweitern und die Intensivpflegekräfte
durch eine Reihe weiterer Maßnahmen entlasten. Diese Ziele können wir vom SSW grundsätzlich
voll und ganz unterstützen.


Doch trotz guter Absichten gehen wichtige Detailfragen dann doch nicht weit genug. Wenn ich
zum Beispiel im dritten Punkt des Koalitionsantrags lese, dass zu lange Arbeitszeiten „vermieden“
werden sollen, ist das für meinen Geschmack zu zurückhaltend formuliert. Ähnliches gilt für den
Wunsch, mit Blick auf die Intensivkapazitäten doch bitte das tatsächlich vorhandene Personal zu
berücksichtigen. Nach meiner Einschätzung wird sich am Alltag in den Kliniken nur etwas ändern,
wenn wir konkreter werden und beispielsweise die Einhaltung von Arbeitszeiten fordern. Dies
muss dann im Zweifel auch überwacht und gegebenenfalls sanktioniert werden können, wie die
SPD zu Recht fordert. Reine Apelle und Wünsche in Bezug auf die Arbeitsbedingungen ändern in
der Praxis leider wenig.


Mir ist der Personalmangel an vielen Kliniken im Land bewusst. Gleichzeitig ist auch völlig klar,
dass die konsequente Einhaltung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes diesen Mangel zunächst
einmal verschärft. Denn so steht der auch ohne Corona wachsenden Zahl an Intensivfällen eine
noch geringere Zahl an Pflegekräften gegenüber. Aber wir sehen hierzu, und zu den dann
drohenden Bettensperrungen, keine Alternative. Denn die Menschen in unseren Intensivstationen
arbeiten längst an der Belastungsgrenze. Es ist sowohl den Patient*innen aber im Besonderen auch
den Beschäftigten gegenüber unverantwortlich, hiervor die Augen zu verschließen und einfach
immer weiterzumachen. Noch dazu werden wir auf diesem Weg noch mehr Personal verlieren,
weil Pflegekräfte Stunden reduzieren oder ganz aufgeben.


Wir alle wissen, dass die Qualität der Versorgung nicht zuletzt an der Personalausstattung hängt.
Als Empfehlung für den Bereich der Intensivmedizin gilt daher, dass eine Pflegekraft nicht mehr als 3

zwei Patient*innen betreuen sollte. Natürlich sieht die Realität oft anders aus. Und natürlich ist es
naheliegend, in dieser Situation einen entsprechenden Personalschlüssel oder eine
Mindestpersonalbemessung gesetzlich festzulegen. Wir sollten aber ernst nehmen, dass starre
Personaluntergrenzen von vielen Experten und vor allem auch von vielen Intensivstationen selbst
kritisch gesehen werden. Denn die Folge wären häufig weitere Bettensperrungen und damit eine
Schwächung der Intensivmedizin insgesamt. Daher sollten wir uns Gedanken über differenziertere
Lösungen machen. Beispielsweise in Abhängigkeit vom Leistungsspektrum und Versorgungslevel.


Doch wie wir es auch drehen und wenden: Am Ende müssen wir auch in diesem wichtigen
Teilbereich unserer Kliniken die Pflege attraktiver gestalten. Das klingt einfach, ist aber ein enorm
weiter Weg. Und doch müssen wir uns dringend dafür einsetzen, dass Pflegende zum Beispiel von
überbordenden Dokumentationspflichten befreit werden. Außerdem müssen wir klarer definieren,
was zu den pflegerischen Kernaufgaben gehört und welche pflegefremden Aufgaben von anderen
Berufsgruppen übernommen werden sollen. Und zu guter Letzt müssen wir uns eben auch für eine
angemessene, und in meinen Augen damit deutlich höhere, Vergütung für Pflegefachkräfte stark
machen.


Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/