Christian Dirschauerr: Fakt ist, dass es an sozialem und bezahlbarem Wohnraum fehlt
PresseinformationKiel, den 27.01.2021Es gilt das gesprochene WortChristian DirschauerTOP 24 Mündlicher Bericht über die Situation der Wohnungs- und Obdachlosen in der Corona-Krise Drs. 19/2691„Wir müssen uns dringend stärker um wohnungs- und obdachlose Menschenkümmern - aber längst nicht nur in Pandemiezeiten“Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man angesichts der vermeintlichen Sorge der AfD umdie Wohnungs- und Obdachlosen ja fast rührselig werden. Doch auch wenn diese Menschenhoffentlich nicht schon wieder gegen Geflüchtete ausgespielt werden sollen, halten wir auch dieseInitiative für wenig glaubwürdig. Oder zumindest für unnötig. Denn sowohl hier im Plenum wieauch im zuständigen Sozialausschuss wurde wiederholt und sehr engagiert über die Belange vonWohnungs- und Obdachlosen diskutiert und die Frage bewegt, wie wir ihre Situation verbessernkönnen. Auch und gerade unter den erschwerten Bedingungen der Corona-Krise.Für den SSW ist völlig klar, dass nicht nur Wohnungs- und Obdachlose sondern auch Menschen,die hiervon bedroht sind, unsere Hilfe brauchen. Und nach unserer Auffassung sollten wir hier 2noch deutlich stärker unterstützen als bisher. Denn spätestens durch die Pandemie wird dochüberdeutlich, wie ungeschützt und verletzlich viele dieser Menschen sind. Wir haben daher schonim April letzten Jahres per Plenarantrag auf die zusätzlichen Probleme hingewiesen, die Coronadiesen Menschen bringt. Schon damals haben wir die Schaffung zusätzlicherUnterbringungsplätze für Obdachlose gefordert. Denn auch sie müssen die Möglichkeit haben, „zuHause“ bleiben zu können. Und auch sie brauchen einen sicheren Zugang zu sanitären Anlagen,der ihnen in diesen Zeiten immer öfter verwehrt bleibt.Dass die Corona-Pandemie nicht zuletzt die Unterbringungssituation verschärft, will hoffentlichniemand leugnen. Räume, die sonst für vier Menschen gedacht waren, können zum Beispiel nurnoch zu zweit bewohnt werden. Eine Stadt wie Flensburg, die ich hier ausdrücklich für ihrEngagement für Wohnungs- und Obdachlose loben will, hat Bedürftige daher in einem Hosteluntergebracht. Kiel verfährt ähnlich, so dass auch hier die gröbsten Härten vermieden wurden.Möglich ist das auch deshalb, weil das Land mit Beginn der Pandemie schnell und unbürokratischgehandelt und einen Fonds zur Abdeckung sozialer Härten aufgelegt hat. Mich freut, dass wir unsdarauf verständigen konnten, diesen mit 3 Millionen Euro fortzuführen.So sehr mich dieser gemeinsame Einsatz von Land und Städten auch beeindruckt. Auf eins mussich dringend hinweisen: Dieser Einsatz muss dauerhaft sein und darf nicht mit der Überwindungder Krise runtergefahren werden. Es kann nicht angehen, dass in unserer WohlstandsgesellschaftMenschen Leben, die nicht wissen, wo sie schlafen sollen. Deshalb werden wir, wie im Übrigenschon seit Jahren, weiter Haushaltsanträge zum Ausbau der Obdachlosenunterkünfte stellen.Außerdem werden wir selbstverständlich weiterhin den Einsatz des Landtags und Kooperationenmit Trägern und Kommunen im Sinne dieser Gruppe unterstützen. Denn eins war auch schon vorCorona klar: Um hier wirklich Fortschritte zu erzielen, müssen alle staatlichen Ebenen engerzusammenarbeiten. 3In Zukunft muss es um eine Verstetigung und in Teilen auch um einen Ausbau der Angebotegehen. Ausbau auch deshalb, weil die Ursachen für und die Probleme durch Obdachlosigkeitimmer vielfältiger werden. Menschen aus anderen Ländern oder Menschen, die zum Beispiel durcheine drogeninduzierte Psychose aus der Bahn geworfen werden und auf der Straße landen,brauchen andere Angebote und eine andere Ansprache als herkömmliche Fälle. Wir müssen abermöglichst allen Wohnungs- und Obdachlosen Angebote machen, die sie in ihrer Lebenswirklichkeiterreichen. Und wir müssen durch unsere sozialpolitischen Maßnahmen auch die Voraussetzungendafür schaffen, dass sie ein sinnerfülltes Leben in Würde führen können. Das heißt zum einen, dasswir sie möglichst schnell in eine Wohnung bringen müssen. Aber das heißt eben auch, dass wir sieim Zweifel langfristig und differenziert betreuen.Aber selbst mit diesen umfassenderen Hilfen dürfen wir uns nichts vormachen: Natürlich dokternwir auch damit eher an den Symptomen herum. Wenn wir wirklich dauerhaft verhindern wollen,dass Menschen auf der Straße leben, brauchen wir umfassende Veränderungen in der Wohnungs-und Sozialpolitik. Es ist und bleibt Fakt, dass es an sozialem und bezahlbarem Wohnraum fehlt. ImVergleich zur Jahrtausendwende gibt es über eine Million Sozialwohnungen weniger. Und esherrscht enormer Mangel an Klein- und Kleinstwohnungen. Gleichzeitig schützt nicht einmalunser Mindestlohn vor Armut. Genau wie viele Sozialleistungen, die einfach zu gering bemessensind. Das mögen zwar noch deutlich größere Aufgaben sein. Aber auch hier müssen wir ran und inSachen sozialem Wohnungsbau auch als Land noch deutlich mehr tun. Und zwar völligunabhängig von aktuellen Herausforderungen wie der Corona-Krise.Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/