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27.01.21
11:30 Uhr
B 90/Grüne

Eka von Kalben zu einem Perspektivplan für Schleswig-Holstein

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 36B – Dringlichkeitsantrag Perspektivplan Pressesprecherin Claudia Jacob Dazu sagt die Vorsitzende der Landtagsfraktion Landeshaus von Bündnis 90/Die Grünen, Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Eka von Kalben: Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 031.21 / 27.01.2021

Mit dem Perspektivplan setzen wir die richtigen Prioritäten
Sehr geehrte Damen und Herren,
seit einem Jahr kämpfen auch in Deutschland Pflegkräfte, Ärzt*innen, die Gesundheits- ämter und im Grunde die gesamte Bevölkerung mit der hier wütenden Pandemie. Und noch immer ist kein Ende in Sicht. Die Pandemie dauert nun schon so lange, dass man sich in vielen Punkten eigentlich nur noch wiederholen kann.
Eine Sache, die ich in diesem Zusammenhang hier schon seit langem und mehrfach ge- fordert habe, ist ein umfassender Stufenplan, also eine Langzeitstrategie. Eine Perspek- tive. Ich bin froh, dass ein solcher Stufenplan nun vorliegt. Und ja, ich weiß, dass es vor allem deshalb so lange gedauert hat, weil viele Punkte schlichtweg sehr kompliziert sind. Weil es nicht für alles eine klare und einfache Lösung gibt.
Die erste Frage die sich stellt ist die Frage der Risikostufen. Der Ampelstufen, wenn man so will. Ab wann ist grün und ab wann rot, mit unterschiedlichsten Abstufungen auf der gelben Stufe. Wie sagte gestern mein Kollege Lasse Petersdotter so schön: Die SPD wollte eine Ampel, entstanden ist eine Straßenverkehrsordnung. Nur mit Ampeln würde der Straßenverkehr auch nicht funktionieren.
Im Ernst: Eingeübt und für viele nachvollziehbar ist der Inzidenzwert auf sieben Tage. Aber auch dieser ist schon jetzt unzureichend, wenn man sich das Ausbruchgeschehen anguckt. Der Ansteckungswert scheint gerade mit der mutierten Version auch eine Rolle zu spielen. Und die Anzahl der Menschen die geimpft sind, wird in Zukunft natürlich auch zu berücksichtigen sein und mehr ermöglichen. Deshalb ist es gut, dass die Risikobewer- tung, weiter gefasst ist, aber die Inzidenz als Leitwert annimmt.

Seite 1 von 3 Eine weitere Frage ist, in welchem Radius die Maßnahmen gelten sollen. Die Grenzfrage stellt sich international, aber natürlich auch zwischen den Bundesländern und letztlich auch zwischen den Kreisen. Dieser Plan soll ein Beitrag leisten zu einer einheitlichen, bundesweiten Regelung. Es wäre wunderbar, wenn das gelingen würde.
Doch auch wenn es einheitliche Maßnahmen für bestimmte Inzidenzen oder Risikostufen gibt: Wir müssen natürlich damit leben, dass wir zum Beispiel in Hamburg oder Mecklen- burg-Vorpommern andere Inzidenzen haben als bei uns. Das könnte dazu führen, dass der Handel in Hamburg geöffnet ist aber in Schleswig-Holstein nicht. Oder umgekehrt. Das würde entweder ungewünschte Mobilität erzeugen oder den Ruf nach Abschottung. Beides ist nicht gut. Die Hoffnung ist, dass wir mit konsequentem Handeln auch ein eini- germaßen ähnliches Infektionsgeschehen bekommen werden.
Auch innerhalb Schleswig-Holsteins gibt es eine ähnliche Fragestellung. So ist es sicher nötig und richtig, die meisten Bereiche landesweit zu regeln. Wenn in Kiel der Handel öffnet und im Nachbarkreis nicht, dann ist das für das Infektionsgeschehen sicher nicht schlau. Insbesondere für Kitas gibt es den Ruf auch regional unterschiedlich zu reagie- ren. Das würde aber bedeuten, dass unter Umständen doch wieder Gastronomie und anderes vor den Kitas geöffnet wären.
Denn wenn das Land Schleswig-Holstein zum Beispiel eine Inzidenz von 50 hat und Pin- neberg eine Inzidenz von über 200, Plön dagegen von unter 35. Dann wären danach im Kreis Pinneberg die Restaurants und Läden geöffnet und die Kitas nicht. Das hatten wir im Frühjahr und das war schlecht. Andererseits: Sollen die Kinder im Kreis Plön darunter leiden, dass woanders gerade überdurchschnittliche hohe Werte gelten? Was ist hier richtig, was falsch? Die Regierung hat sich für eine landesweit einheitliche Lösung ent- schieden, die bei besonderen Abweichungen nach oben auch Ausnahmen ermöglicht.
Es mehren sich auch die Stimmen im Land, die einen richtigen Shutdown fordern. Ich bekomme enorm viele Rückmeldungen aus der Bevölkerung, von Menschen, denen ein kompletter Shutdown wesentlich lieber wäre als ein Lockdown, der zwar weniger hart und einschränkend ist, aber dafür um einiges länger dauert. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Dann gibt es wiederum natürlich auch viele Menschen, die das komplett anders sehen. Für die ein kompletter Shutdown einer psychischen und emotionalen Folter gleichkäme. Ganz abgesehen davon, dass es sehr kompliziert wäre zu entscheiden, welche Betriebe systemrelevant sind, angesichts komplizierter Lieferketten. Man stelle sich nur vor, es würde zu einem Mangel an Klopapier kommen. Das will auch keiner.
Was ist hier richtig, was ist falsch? Richtig ist, was von der Gesellschaft mitgetragen wird und wir müssen mit Sorge feststellen, dass diese Akzeptanz abnimmt, nicht nur in den Niederlanden.
Ich bekomme auch viele Nachrichten von Menschen, die einzelne Maßnahmen nicht nachvollziehen können. Zum Beispiel warum sie sich nicht an ihren Angelsee setzen kön- nen, weil dort das Ansteckungsrisiko doch sehr gering sei. Menschen, für die es selbst- verständlich ist, sich an die Maßnahmen zu halten und solidarisch zu sein. Menschen, die all das nachvollziehen können, was es gerade an Verboten und Einschränkungen gibt. Menschen, die aber nicht nachvollziehen können, weshalb das nicht für alle gilt.
Weshalb – um es mit anderen Worten zu sagen – manche Menschen gleicher sind als andere. Weshalb zum Beispiel der Profi-Fußball weiter stattfinden darf, während Kinder
2 und Jugendliche zum Beispiel nicht mehr auf den Bolzplatz dürfen und unter Bewegungs- mangel und Übergewicht leiden. Und während in anderen Bereichen die Testkapazitäten knapp sind.
Andererseits gehen Profi-Sportler*innen ihrem Beruf nach, wenn sie bei Wettkämpfen antreten. Und es gibt sehr viele Menschen im Land, denen es gerade jetzt in dieser her- ausfordernden Zeit enorm viel gegeben hat, dass ausgerechnet Holstein Kiel die Bayern aus dem DFB-Pokal gekickt hat.
Was ist hier richtig, was ist falsch? Richtig ist es, mit Augenmaß zu handeln. Die Richt- schnur ist das Schützen von Menschenleben - vor der Pandemie, aber auch vor den Folgen der Einschränkungen.
Der vorliegende Stufenplan richtet sich nicht nur nach Ansteckungsgeschehen, sondern auch nach dem Grad der Zumutung und dem Risiko der Ansteckung. Der Zumutung, weniger Menschen zu sehen, keine anderen Kinder und das Risiko, das gerade bei pri- vaten, geselligen Zusammenkünften gegeben ist. Der Zumutung, keine Bildung zu be- kommen oder ausschließlich in Distanz und dem Risiko, das auch bei Kindern nicht völlig ausgeschlossen zu sein scheint. Der Zumutung, den eigenen Beruf nicht ausüben zu können, das aufgebaute Geschäft zu erhalten und dem Risiko, das durch viele Menschen im öffentlichen Leben entstehen kann. Der Zumutung, in der Mobilität eingeschränkt zu sein und dem Risiko, den Virus und dessen Mutationen zu verbreiten.
Die Landesregierung hat aus unserer Sicht die richtige Priorität gesetzt. Soziale Kontakte und Bildung sind für Kinder und Jugendliche existentiell. Und meine Damen und Herren, es geht nicht nur um die Eltern, die einen Wahnsinnsjob machen. Es geht um die Kinder, um deren Zukunft wir uns wirklich sorgen sollten. Deshalb ist es gut und richtig, dass diese beim Perspektivplan ganz vorne auftauchen.
Meine Damen und Herren,
der Perspektivplan darf nicht falsch verstanden werden. Es geht nicht darum, ein Ver- sprechen auf schnelle Lockerungen zu geben. Kein Versprechen, aber Hoffnung, Per- spektive. Und auch wenn noch nicht alle Lebensbereiche auftauchen, wie zum Beispiel größere Veranstaltungen, Jahrmärkte, Festivals, Messen, so schaffen wir doch ein Sys- tem, in dem zukünftig auch ihnen eine Perspektive gegeben wird.
Der vorliegende Plan ist ein Anfang. Und ich bin gespannt auf die Reaktionen der anderen Länder und des Bundes. Eines halte ich aber für wichtig: Wir sollten uns auch hier im Parlament neben der heutigen Beratung zu einer ausführlichen Befassung entschließen. Es kommt jetzt auf Akzeptanz und Transparenz an, damit wir den langen Atem für diese Pandemie haben. Deshalb ist es zwingend notwendig, dass auch wir als Parlament uns intensiv mit den Maßnahmen beschäftigen und Entscheidungen fällen. Das ist unsere Verantwortung und unser Beitrag zur Bekämpfung dieser katastrophalen Pandemie.
Wir haben einen Perspektivplan. Wir brauchen eine Perspektive. Zukunft, Hoffnung, Per- spektive - alles wichtige Worte. Und es gibt unendlich viele Zitate, mit denen ich jetzt enden könnte. Doch im Grunde ist das alles banal. Wir müssen einen langen Atem haben, einen kühlen Kopf wahren und aufeinander achten. Dann werden wir auch diese Heraus- forderung meistern. Danke. ***


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