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07.01.21
11:45 Uhr
B 90/Grüne

Eka von Kalben zu den Corona-Maßnahmen

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 1 – Regierungserklärung „Mit Vernunft und Weitblick Pressesprecherin handeln: Solidarisch und optimistisch in das Jahr 2021“ Claudia Jacob Landeshaus Dazu sagt die Vorsitzende der Landtagsfraktion Düsternbrooker Weg 70 von Bündnis 90/Die Grünen, 24105 Kiel
Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Eka von Kalben: Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 003.21 / 07.01.2021


Neuinfektionen unter allen Umständen vermeiden
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, liebe Kolleg*innen!
Als wir uns am 11. Dezember letzten Jahres hier verabschiedet haben, haben wir es mit einer gewissen Hoffnung getan. Der Hoffnung auf sinkende Infektionszahlen, der Hoffnung auf den Impfstoff, der Hoffnung, dass wir am Beginn des Jahres mit der Bekämpfung der Corona-Pan- demie weiter sind.
Jetzt ist 2021 und wir erkennen, dass die Situation nicht die ist, die wir uns gewünscht, auf die wir so gehofft haben. Wir hatten im Dezember so viele Todesfälle mit oder durch den Corona- Virus wie in der Zeit von März bis November letzten Jahres. Von März bis November sind 16.248 Menschen gestorben, im Dezember waren es 16.823 Menschen. So viele Schicksale, so viele Tragödien. Das zeigt deutlich, wie schwierig und wie ernst die Lage ist.
Wo stehen wir heute?
Die Auswirkungen des Lockdowns können wir noch immer nicht genau absehen, die Zahlen über die Feiertage sind nicht so aussagekräftig wie gewünscht. Es wurde weniger getestet und wir haben bei dem Infektionsgeschehen immer einen Verzug von ein bis zwei Wochen. Das ist vielleicht auch eines der Probleme bei den Beschlüssen, die immer nur für zwei bis drei Wochen gefasst werden. Die Ausgangslage verändert sich einfach immer regelmäßig. Es ist Zeit für langfristige Regelungen, die den Menschen und der Wirtschaft einfach Klarheit und Planbarkeit verschaffen.
Wir haben es, so will es die Natur, bei so einem Virus immer wieder mit Mutationen, also Abwandlungen des Virus zu tun. Nun gibt es eine Variante, die sich deutlich schneller verbreitet, die ansteckender ist. Das veränderte Virus hat seinen Weg auch schon nach Deutschland gefunden, aber die Erkenntnisse dazu sind noch nicht ausreichend. Diese Seite 1 von 4 Variante wird auch bei uns das Infektionsgeschehen vermutlich verändern. Mit dieser neuen Herausforderung müssen wir jetzt zusätzlich umgehen.
Wir haben einen ersten Impfstoff, ein weiterer ist gestern zugelassen worden und weitere werden folgen. Und wir haben im Land 29 Impfzentren aufgebaut. Wir sind uns aber auch im Klaren darüber, dass wir nicht innerhalb von drei Monaten alle Impfwilligen impfen können. Das wissen wir seit dem Herbst. Deswegen ist die Impfstrategie gut, richtig und sinnvoll, aber sie wird uns nur bedingt bei der Bekämpfung des Virus in den nächsten drei Monaten helfen.
Die Streitigkeiten innerhalb der Großen Koalition über die Bestellung des Impfstoffes helfen da niemanden. Jetzt die Krise für den Wahlkampf zu nutzen, ist wirklich verantwortungslos. Die Angriffe auf die europäische Beschaffung in einer Zeit, in der die Menschen verzweifelt darauf warten, geimpft zu werden, ist wirklich unterste Schublade. Sie schüren antieuropäische Ressentiments und Politikfrust.
Die Ressource Impfstoff ist noch zu knapp, aber seien wir ehrlich: vor einem Jahr hätten wir nicht damit gerechnet, dass es jetzt überhaupt schon welchen geben würde.
Unser Gesundheitssystem ist an der Grenze der Belastbarkeit angekommen und unsere Gesundheitsämter sind bereits überlastet. Ich kann nicht in die Zukunft schauen, aber eines ist doch völlig klar: wenn wir es nicht endlich schaffen, die Neuinfektionen zu senken, dann werden unsere Kliniken bald so überlastet sein, dass wir auch bei Verlegungen in andere Kliniken nicht mehr alle Menschen ausreichend behandeln können.
Darum geht es also: Neuinfektionen vermeiden. Was müssen wir in dieser Situation tun?
Es ist richtig, den Lockdown bis Ende Januar zu verlängern. Hier hat der Ministerpräsident unsere volle Unterstützung. Aber wir brauchen endlich eine Strategie, eine Art Leitfaden, an dem sich Lockerungen, Schließungen, Lockdown oder Shutdown orientieren. Es ist unbefrie- digend, wenn sich die Ministerpräsident*innen alle paar Wochen neu über die Details und die Frage eines bundesweit einheitlichen Handelns einigen müssen. Wir brauchen eine langfristige Strategie, möglichst für alle Bereiche. Dafür brauchen wir einen Stufenplan.
Wir fordern diesen auf Landes- und Bundesebene schon seit längerem, auch schon mehrfach hier im Landtag. Und es ist ärgerlich, dass das bisher nicht gelungen ist. Dabei haben wir ja in Schleswig-Holstein einiges vorzuweisen: ein detailliertes Stufenkonzept für Kita, Schule und Veranstaltungen. Das wäre durchaus eine gute Grundlage für ein bundesweit abgestimmtes Verfahren.
Ich weiß, dass sich das leichter fordern als umsetzen lässt. Es gibt so einige Hürden:
Welche Zahlen sind sinnvoll zu berücksichtigen? Fälle pro 100.000 Einwohner*innen? Pro Kreis? Pro Land? Zahl der belegten Intensivbetten im Verhältnis zu den tatsächlich noch be- legbaren Betten? Zahl der Toten?
Welche Zeitverläufe spielen dabei eine Rolle? Wenn wir eine 7-Tages-Inzidenz von 50 auf 100.000 Einwohner*innen haben, was bedeutet das in zwei Wochen, in vier Wochen für unsere Krankenhäuser?
Berücksichtigt man besondere Cluster? Dann müsste man die Bewertung wieder allein in die Hand der Gesundheitsämter geben. Die müssten dann entscheiden, ob eine Inzidenz von 50 auf Grund besonderer abgeriegelter Bereiche wie Altenheime oder Betriebe zurückzuführen ist oder nicht.
2 Und welche Gefahr würde von einem „Corona-Tourismus“ ausgehen: Wenn wir nach Inziden- zen auf und zu machen, dann kann es sein, dass Menschen zu Veranstaltungen, Restaurant- besuchen oder zum Einkaufen anreisen. Das würde die Ansteckung für die gerade erholten Bereiche wieder deutlich erhöhen und eventuell neue Risiken bergen.
Meine Damen und Herren,
verstehen Sie mich nicht falsch. Die Hürden für eine verlässliche Strategie bei einem nicht gerade verlässlichen und ziemlich unbekannten Virus sind groß. Aber wir sollten wirklich, auch um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhalten, alles dafür tun, da einen Schritt weiterzu- kommen.
Die Fragen werden kommen: wie geht es weiter mit den Freizeitangeboten, dem Einzelhandel, dem Tourismus im Sommer?
Ich kann den Unmut der Menschen und Betriebe verstehen, wenn sie nur einen Planungsho- rizont von 14 Tagen bekommen. Es ist heute sicher, dass wir in diesem Jahr noch lange mit dem Virus leben müssen. Umso wichtiger ist es jetzt, Kultur, Wirtschaft, Tourismus und auch besonders den Kitas, Schulen und Hochschulen Perspektiven für den Sommer aufzuzeigen. Nach zehn Monaten Corona-Pandemie müssen wir hier einen Schritt weiterkommen, anstatt nur auf Sicht zu fahren und zwar vor der nächsten Ministerpräsident*innenkonferenz Ende Januar.
Und ich denke, wir müssen uns auf ein Leben mit dem Virus, vielleicht auch mit den Viren, auseinandersetzen. Kein Leben, das auf Dauer nur noch Leben mit Abstand ermöglicht. Aber auf jeden Fall ein Leben, in dem das Gesundheitssystem und insbesondere der Öffentliche Gesundheitsdienst besser auf Pandemien vorbereitet werden.
Doch aktuell setzen wir uns hier wieder mit den Beschlüssen der Ministerpräsident*innenkon- ferenz auseinander, die in ihrer Verschärfung besonders hart die Familien belasten. Geschlos- sene Schulen, geschlossene Kitas, Kontaktbeschränkungen für Groß und Klein.
Wobei gerade die Kleinen Kontakte brauchen. Kinder brauchen Kinder, das weiß jeder Mensch, der schon einmal Einzelkinder bespaßen durfte. Seien Sie gewiss, als ich den Beschluss der Ministerpräsident*innenkonferenz las, war ich perplex über die vorgeschlagenen Maßnahmen. Aber offensichtlich waren die Worte und Rat- schläge der Wissenschaft mehr als deutlich. Und wenn wir ehrlich sind, hören wir das schon seit Wochen, in jedem Fernsehinterview von Expert*innen.
Und ja, wir könnten in Schleswig-Holstein jetzt auch einen eigenen Weg gehen, wie es sehr viele Bundesländer schon eine Stunde nach der Ministerpräsident*innenkonferenz verkünde- ten. Aber ich finde es richtig, dass wir mindestens bis wir einen Überblick über die Lage be- kommen haben, und das wird erst Mitte Januar sein, den Lockdown so wie er beschlossen wurde nachvollziehen.
Nur wenn wir den Überblick haben, können wir auch nach Inzidenzen vorgehen. Vorher nicht. Ich bin froh, dass wir uns in der Koalition einig sind, dass die Situation von Familien besonders in den Blick genommen werden muss. Dass es eine Elternentlastung geben muss. Und dass durch unsere Initiative nun auch der Bund nachgesteuert hat, was zum Beispiel die Kranken- tage für Kinder angeht. Und trotz alledem werden das schwierige Zeiten für uns alle.
Was ich dabei wirklich bedaure ist, dass sich nicht auf eine klare Regelung für die Betriebe
3 geeinigt werden konnte. Ja, es gelten Abstandsregelungen, es gilt eine Maskenpflicht, aber die Praxis in den Betrieben, in den Großraumbüros ist nicht überall so.
Und die Möglichkeiten, Menschen zu Hause arbeiten zu lassen, wenn sie es wünschen, sind auch ausbaufähig. Es ist einfach nicht richtig, dass sich Menschen immer noch im ÖPNV zum Arbeitsplatz bewegen müssen, wenn die Arbeit von Zuhause aus auch gemacht werden könnte. Eine Lehre aus 2020 ist für mich, dass egal was wir machen, es nie für alle passt.
In den Verordnungen gibt es immer wieder Fälle und Lebenssituationen, die nicht logisch sind oder auf die die Verordnungen nicht passen. Ich glaube, wir können nicht jede Lebenssituation in den Verordnungen abbilden. Aber wir die Botschaft all dieser Regeln ist doch klar: Kontakte reduzieren.
Es ist gut, dass wir heute hier stehen und miteinander die Lösungen diskutieren, Lob verteilen und Kritik üben. Die Demokratie funktioniert und auch die freie Meinungsäußerung und das Zusammenspiel von Regierung, Parlament und Opposition. Ein Dank an die Landtagsverwal- tung, die das möglich macht.
Meine Damen und Herren;
Weihnachten sollte Hoffnung geben, das hat zugegebener Weise so mittelgut geklappt. Selten haben sich die Menschen so froh vom alten Jahr verabschiedet. Auch wenn bei Vielen die Rahmenbedingungen vielleicht eher verhalten waren.
Meine Damen und Herren,
ich lasse mir den Optimismus nicht nehmen. Wer hätte gedacht, dass wir so schnell einen Impfstoff bekommen. Wer hätte gedacht, dass auch in einem zweiten Lockdown so viele Men- schen sich immer noch so solidarisch verhalten. Und wer hätte gedacht, dass trotz der extre- men Belastung in 2020 noch heute so viele Pflegende und Heilende in den Krankenhäusern jeden Tag Menschen das Leben retten. Ihnen gilt auch heute wieder unser aller Dank.
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