Christian Dirschauer: Wir erkennen noch keinen Sinneswandel bei den Schlachthöfen
PresseinformationKiel, den 10.12.2020Es gilt das gesprochene WortChristian DirschauerTOP 36 u. 44 Arbeitsbedingungen auf Schlachthöfen Drs. 19/1510, 19/2612, 19/2336 und 19/2616„Die Landesregierung musste erkennen, was von den entsprechendenSelbstverpflichtungserklärungen zu halten ist: nämlich nicht besonders viel.“Die Regionalgeschäftsführerin des DGB in Flensburg, Dr. Susanne Uhl, thematisiert seit langem diekatastrophalen Arbeitsbedingungen in Husum bei Danish Crown. Vor sieben Jahren hat sie dieLeiharbeiter erstmals besucht, ihre Wohnungen gesehen und auf deren Ausbeutung bei Miete undLohn aufmerksam gemacht. Der Konzern hatte damals umgehend reagiert. Nicht wie Sie denken.Dort wurden nicht etwa die Wohn- und Arbeitsbedingungen verbessert, sondern es wurden Bussegemietet. Diese brachten die Leiharbeiter von ihren Unterkünften direkt in den Betrieb. Auf dieseWeise sollten die Leiharbeiter nicht mehr mit den Gewerkschaftern und Gewerkschafterinnenreden können, die sie vor den Werkstoren erwarteten.Das war vor sieben Jahren. Die Großbetriebe sind auch anderer Stelle mit dieser Taktik ganz gutgefahren. Die ausbeuterischen Verhältnisse in den Schlachthöfen, die die Leiharbeiter mitRechnungen über Messer und Schutzkleidung auf Hungerlöhne runterrechneten, waren bekannt;aber irgendwie haben sich alle damit arrangiert. Tatsächlich getan hat sich wenig. 2Und dann kam Corona. Die Schlachthöfe wurden quasi über Nacht zu Hotspots, weil dort dieMenschen zu dicht nebeneinander wohnen und arbeiten. Die Kette der Masseninfektionen inSchlachthöfen reißt nicht ab, wie der Schlachthof in Weißenfels zeigt, wo derzeit wohl über 170Beschäftigte infiziert sind.Inzwischen musste auch die hiesige Landesregierung erkennen, mit wem sie es zu tun hat. DieSchlachthofbetreiber sagen zwar viel, tun aber nicht unbedingt das, was sie sagen. DieLandesregierung musste erkennen, was von den entsprechenden Selbstverpflichtungserklärungenzu halten ist: nämlich nicht besonders viel. Es sei fraglich, ob das so gehandhabt wird, wie zuvor inder Verpflichtung angeben wird, räumt der Bericht ein. Jede Verbesserung für die Situation derLeiharbeiter schlägt sich nach Angabe der Betreiber angeblich auf den Preis nieder und musseinkalkuliert werden. Und genau da ist wohl die Schmerzgrenze der Betriebe, die von ihrenMethoden nur schwer abzubringen sind.Das gilt, wie der Bericht ausführt, ausdrücklich nur für die größeren Betriebe. Bei ihnen bestehtlaut Landesregierung noch Ermittlungsbedarf.Das klang noch vor wenigen Monaten anders.Diesen Fortschritt möchte ich ausdrücklich positiv hervorheben.Eine regelmäßige und engmaschige Kontrolle der Betriebe und der Wohnungen muss in Zukunftgarantiert und dauerhaft installiert werden. Mit Besorgnis sehe ich dabei die geplantenAusweitungen der Schlachtkapazitäten vor allen Dingen bei den Schweinen. Einerseits ist esenorm wichtig, dass der Rückstau in den landwirtschaftlichen Betrieben aufgelöst wird. Das ist imSinne der Tiergesundheit und des Tierwohls eine wichtige Maßnahme.Andererseits kann es kein Weiter-So in der Branche geben. Die Steigerung der Schlachtzahlen darfnicht weitergetrieben werden, ohne dass zumindest die staatliche Kontrolle mitwächst. Das mussunbedingt gewährleistet werden. Der Arbeitsschutzkontrolle kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.Aber auch die Vertragsbedingungen müssen verbessert werden.Da hat der SSW eine andere Haltung als die Landesregierung, die in ihrem Bericht lediglich davonausgeht, dass die Werksvertragsunternehmen die Standards einhalten sollen. 3Der Regelfall sollte aber auch in den Schlachthöfen das normale Beschäftigungsverhältnis sein:mit allen tariflichen und betrieblichen Ansprüchen. Das bedeutet, dass allen Beschäftigten auchder Zugang zur Mitbestimmung eröffnet wird.Der Berliner Gesetzesentwurf zum Verbot der Leiharbeit in den Schlachthöfen ist dabei nicht dasletzte Wort. Die Schlachthofbetreiber haben schon Unterfirmen gegründet, um dieGrößenbegrenzung zu umgehen. Sie haben die Verträge für die Unterkünfte teilweise ausgelagert.Das alles sind Anzeichen dafür, dass es noch keinen Sinneswandel bei den Schlachthöfen gegebenhat.Susanne Uhl verlässt im Dezember Flensburg. Ihr Fazit ist bitter. Sie geht nicht davon aus, dass sichdie Lebens- und Arbeitsbedingungen der Leiharbeiter in den hiesigen Schlachthöfen auch nachsieben Jahren deutlich und fühlbar verbessern werden.Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/