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27.11.20
13:09 Uhr
SSW

Jette Waldinger-Thiering: Soziokulturelle Akteure müssen endlich auch gefördert werden

Presseinformation Kiel, den 27.11.2020


Es gilt das gesprochene Wort



Jette Waldinger-Thiering TOP 02 Kulturfestival SH und coronabedingte Kulturhilfen
Drs. 19/2553


„Gelebte Kultur in lokalen Kultureinrichtungen, Gesellschaftskultur in ihrem
besten Sinne, an der ist zumindest dem SSW besonders gelegen.“

In den letzten Wochen und Monaten fand ich es manchmal etwas verworren, wie wir Diskussionen
um das große Schlagwort „Kultur“ führen. Corona und Kultur und Veranstaltungen. Welche Kultur
eigentlich? Und welche Veranstaltungen?
Verschwindet Kultur durch Corona? Kann sie das überhaupt?
Ich würde sagen, nein. Denn „Kultur“ lässt sich auch als Gewebe verstehen, als etwas unbegrenzt
Umdeutbares. Etwas, das ständig in Herstellung begriffen ist. Kultur als selbstgesponnenes
Bedeutungsgewebe des Menschen, wie Clifford Geertz, ein amerikanischer Ethnologe, es sagt. Aber
schnell weg von der Begriffsdebatte, denn was wirklich Schaden nehmen kann, das sind die
Strukturen, die unsere Gesellschaft geschaffen hat.
Und damit sind wir bei der Kulturwirtschaft und der Kreativindustrie. 2

Weil Politikerinnen und Politiker Entscheidungsmacht haben, hat auch ihre Deutung von „Kultur“
Wirkung. Und das ist dann wichtig, wenn sie Entscheidungen über Institutionalisierung und
Strukturen treffen. Wenn Förderprogramme erstellt werden, wie die des Landes.
Welche Einrichtungen können von diesen Förderprogrammen profitieren und welche nicht? Und
wie sieht es bei den Soloselbstständigen aus?


Mir ist bewusst, wie kompliziert diese Situation ist, aufgrund der vielfältigen Lebenswirklichkeiten
und Anstellungsverhältnisse der Kulturschaffenden im Land. Da reden wir über öffentlich-rechtliche
Trägerschaften neben Kulturschaffenden der freien Szene, gewinnorientierte Einrichtungen neben
Ehrenamt, Theater, Museen, soziokulturelle Zentren oder Literaturhäusern.
Für jene wie solche gibt es Fördermöglichkeiten und doch, so stellen es die Koalitionäre in ihrem
Antrag ja auch fest, haben die Kulturhilfen „aufgrund der sehr diversen persönlichen Situationen
von Künstlerinnen und Künstlern längst nicht alle erreicht“. Deswegen möchte ich auch gerne von
hier aus, falls jemand zuhört, für den das von Bedeutung ist, auf die Überbrückungshilfe III des
Bundes hinweisen, die insbesondere für Soloselbstständige im Kunst- und Kulturbetrieb, die bisher
leer ausgegangen sind, gelten. 5000 Euro als Einmalzahlung, die auch für Lebenshaltungskosten
genutzt werden dürfen und nicht auf die Grundsicherung angerechnet werden.


Aber zurück ins Land: Was mit dem Kulturfestival 2020 auf die Beine gestellt worden ist, möchte ich
von Seiten des SSW einfach wirklich einmal loben. Ich denke, da ist wirklich umgesetzt worden, was
irgendwie machbar war, vielleicht sogar etwas mehr. Künstlerinnen und Künstler haben profitiert,
aber auch das Drumherum, wie Technik und alles was zur Logistik gehört.
Wir haben im ganzen Land wunderbare Veranstaltungen an ungewohnten Orten zu sehen
bekommen. Vielleicht lässt sich davon ja sogar etwas beibehalten. Open Air Truck vor der
Seniorenresidenz oder durch das Dorf fahrend, das hat mich wirklich begeistert.
Von Daher ein herzliches Dankeschön an unsere Verwaltung und alle anderen Beteiligten, die hier
etwas ganz Besonderes auf die Beine gestellt haben. 3

Auch über die 335.000 Euro für die freie Kulturszene in Schleswig-Holstein, mit denen 29
Institutionen unterstützt werden konnten, möchte ich gutheißen. Denn mit diesen Fördermitteln
haben die freie Kulturszene und kleine Kultureinrichtungen Möglichkeiten bekommen,
Modernisierungsmaßnahmen, Umbauten und Sanierungen zu finanzieren. Und gleichzeitig bin ich
sehr verwundert, dass bisher kein einziger soziokultureller Akteur gefördert worden ist. Obwohl
diese ja in der Ankündigung des Investitionsprogramms extra mit benannt worden waren. Einige
Anträge stehen noch aus. Ich hoffe inständig, dass bei den 500.000 Euro, die das Ministerium für
die freie Kunstszene in Aussicht gestellt hatte, auch die Soziokultur profitiert.


Ehrlich gesagt würde ich sogar so weit gehen, es ist von besonderer Wichtigkeit, dass insbesondere
die Soziokultur jetzt von Kulturförderung profitiert. Gelebte Kultur in lokalen Kultureinrichtungen,
Gesellschaftskultur in ihrem besten Sinne, an der ist zumindest dem SSW besonders gelegen.


Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/