Christian Dirschauer: Die Arbeitsbedingungen in Teilen der Fleischindustrie sind unmenschlich
PresseinformationKiel, den 19.11.2020Es gilt das gesprochene WortChristian DirschauerTOP 26+28 ArbeitnehmerInnenschutz in der Fleischindustrie vor Lobbyinteressen stellen - keine wertvolle Zeit bei der Umsetzung des Arbeitsschutzkontrollgesetzes verlieren, Tier- und Verbraucherschutz erhöhen - Regionale und lokale Schlachtungen erleichtern Drs. 19/2555, 19/2557„Wir müssen Geschäftsmodelle, die Ausbeutung ermöglichen, endlichunterbinden. Dieses Ziel erreichen wir aber nur, wenn das vorliegende Arbeitsschutzkontrollgesetz nicht doch noch aufgeweicht wird.“Manch einer braucht offenbar erst eine Pandemie, um sich der mitunter unhaltbaren Zustände inder Fleischindustrie bewusst zu werden. Dabei sind die allermeisten Probleme schon seit Jahrenbekannt. Aber durch die Corona-Krise und die daraus folgenden erhöhten Infektionszahlen fällt esjetzt natürlich noch schwerer, hiervor die Augen zu verschließen. Doch wie dem auch sei: Der SSWbegrüßt ausdrücklich, dass sich auf Bundesebene endlich etwas bewegt. Aus unserer Sicht istinsbesondere der Schritt, Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischindustrie gesetzlich zu 2verbieten, mehr als überfällig. Und weil das Verfahren zum Arbeitsschutzkontrollgesetz derzeitdurch Lobbyinteressen ausgebremst wird, können wir den Antrag der SPD natürlich unterstützen.Wie erwähnt, wissen wir nicht erst seit diesem Jahr, dass auch bei uns im Land in Teilen derFleischindustrie so einiges schiefläuft. Was in den vergangenen Jahren so alles ans Licht derÖffentlichkeit drang hat uns doch alle empört. Seit Jahren kritisieren wir diese teilweiseunzumutbaren Zustände. Uns allen sollte also längst bewusst sein, dass die Arbeits-, Wohn- undLebensbedingungen in der Fleischindustrie für viele Beschäftigte unzumutbar sind. Doch passiertist denkbar wenig. Im Gegenteil: Wir müssen feststellen, dass die Selbstverpflichtung derFleischwirtschaft für attraktivere Arbeitsbedingungen bis heute nicht erfüllt wird. Sie ist faktischgescheitert. Und auch kleinere Verschärfungen des Regelwerks haben leider nicht zunennenswerten Verbesserung der Arbeitsbedingungen geführt.Die Tatsache, dass es gerade im Zusammenhang mit Werkverträgen und Sub-Unternehmenerhebliche gesetzliche Lücken gibt, ist hinlänglich bekannt. Die Liste der Kritikpunkte ist lang: Wirreden über Verstöße gegen Hygiene-, Abstands- und Arbeitsschutzbestimmungen sowieMissachtungen des Mindestlohn- und Arbeitszeitgesetzes. Ganz ehrlich: Wenn Teile des Lohns fürpersönliche Schutzausrüstung, Miete oder für Fahrten zur Arbeitsstätte einfach einbehaltenwerden; oder wenn Beschäftigte 16 Stunden ohne Pause arbeiten müssen, dann ist doch gehörigwas faul. Noch dazu finden diese Verstöße nicht irgendwo weit weg und außerhalb unseresEinflussbereichs statt, sondern bei Unternehmen in Deutschland und hier in Schleswig-Holstein.Doch unsere Behörden stehen mehr oder weniger hilflos daneben und können kaum eingreifen.Ich denke oder hoffe daher sehr, dass wir uns einig sind uns diese Zustände nicht längerhinnehmen wollen.Es ist also mehr als überfällig, dass Arbeitsschutzkontrollgesetz zu verschärfen. Die Erfahrungenzeigen, dass die Unternehmen der Branche stärker kontrolliert und im Zweifel auch sanktioniertwerden müssen. Die hierfür nötige bessere Zusammenarbeit der zuständigen Behörden wie Zoll, 3Arbeitsschutzverwaltungen, Berufsgenossenschaften sowie der kommunalen Ordnungs- undGesundheitsämter ist ausdrückliches Ziel der Novelle. Das ist gut und folgerichtig. Und es istgenauso überfällig wie die geplante engere Kontrolldichte und die Vorgabe, nach der im Bereichder Schlachtung, Zerlegung und der Fleischverarbeitung in einem Unternehmen keinFremdpersonal mehr eingesetzt werden darf. Außerdem begrüßen wir, dass die Arbeitszeit künftigelektronisch erfasset werden soll, und dass für die Unterbringung von Beschäftigten inGemeinschaftsunterkünften in Zukunft Mindestanforderungen gelten sollen.All diese schönen theoretischen Regelungen müssen jetzt endlich auch praktisch umgesetztwerden. Nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Unternehmen selbst müssen wissen, woransie sind. Sie brauchen Rechts- und Planungssicherheit. Und hier sage ich für den SSW ganzdeutlich: Es geht nicht darum, diese Branche zu gängeln. Sondern es geht darum,Geschäftsmodelle, die Ausbeutung ermöglichen, zu unterbinden. Dieses Ziel erreichen wir abernur, wenn das vorliegende Arbeitsschutzkontrollgesetz nicht doch noch aufgeweicht wird. Dieerwähnten Punkte, wie etwa das Verbot der Leiharbeit, die transparente Zeiterfassung und dieverbindliche Kontrolldichte müssen Teil der gesetzlichen Regelung bleiben. Nur so kommen wirhoffentlich schnell und flächendeckend zu humaneren Arbeitsbedingungen für die Beschäftigtenin der Fleischindustrie.Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/