Lars Harms: Zugewanderte sind eine Bereicherung für Wirtschaft und Gesellschaft
PresseinformationKiel, den 25.09.2020Es gilt das gesprochene Wort Lars Harms TOP 10 Die fiskalischen Lasten der Zuwanderung Drs. 19/2126 Lars Harms: „Den wenigen Ausgaben in den Anfangsjahren, die die AfD abgefragt hat, stehen immense Steuerzahlungen und ökonomische Gewinne in der Zukunft entgegen. Als ordentlicher Kaufmann sagt man dann: Das war eine gute Investition!“ Was, meine Herren, wollen Sie mit dieser Anfrage suggerieren? Dass Geflüchtete den Staat Geld kosten? Na, herzlichen Glückwunsch. Kinder kosten den Staat Geld. Straßen kosten den Staat Geld. Polizei, Bundeswehr und Lehrkräfte kosten den Staat Geld. So ist das nun mal. Die große Frage, die sich an diese Großen Anfrage unweigerlich anschließt, ist doch: Ist es das wert? Es ist eben so: man bekommt immer auch ein bisschen die Antworten, nach denen man fragt. 67 Seiten Abfrage über den fiskalischen Nutzen der Zuwanderung gäben ein anderes Bild ab, als die vorliegen 67 Seiten über die sogenannten fiskalischen Lasten. Und das ist es auch, was das Auseinandersetzen mit ihrer Fragestellung so anstrengend macht. Ihr Blick auf das Thema Migration und Flucht ist uns ja klar, da habe ich auch mit keiner großen Überraschung in Ihren Fragen gerechnet. Aber die Art und Weise, wie Sie Fragen stellen ist einfach 2ermüdend. Zu oft müssen Sie korrigiert werden, zu oft müssen Ihre gruseligen Suggestivfragengeradegerückt werden. Sie sprechen von einem „Großteil Wirtschaftsflüchtlinge“ und müssenkorrigiert werden, dass die Gründe, warum Menschen ihre Heimat verlassen vielfältig sind. Dass esKrieg und Terror ist, der Menschen dazu bringt, in eine ungewisse Zukunft aufzubrechen. „Krieg,Vertreibung, Verfolgung, Hunger und Armut“, so steht es in der Antwort auf Ihre Frage. Auf Seite4 wird die Landesregierung noch deutlicher. „Die Vorbemerkung der Fragensteller enthält Thesen,die die tatsächlichen Entwicklungen verzerrt und zum Teil unrichtig [wiedergibt].“ Schämen würdeich mich, an Ihrer Stelle, meine Herren.Oder, da steigt etwas später die Frustration der Landesregierung verständlicherweise schon fastins Unermessliche, als die AfD die Behauptung aufstellt, die finanziellen Gesamtlasten derZuwanderungspolitik seien der Öffentlichkeit bisher nicht genannt worden. Die Landesregierungkommt dann nicht umhin, zu erklären, wie sie in Kleinen Anfragen schon mehrfach versucht hat,der AfD begreiflich zu machen, dass bei einer Vielzahl von Titeln im Landeshaushalt Maßnahmenveranschlagt sein können, die nicht ausschließlich Flüchtlingsbezug haben. Da steckt also keineAbsicht dahinter, kein Vertuschen oder Verheimlichen. Eine Aufschlüsselung des Landeshaushaltesin dieser Form ist schlicht nicht möglich.Für mich ist durch ihre Anfrage wieder einmal, wie so oft, deutlich geworden, wie anders Sie aufdie Welt blicken als ich. Besonders auch durch die nicht öffentliche Anlage 2, in der Sie akribischaufgeschlüsselt haben wollen, wie sich die ausländische Bevölkerung Schleswig-Holsteinsinsgesamt zusammensetzt. Zighunderte, ach, tausende Seiten haben wir nun digital vorliegen, dieman für wirklich gar nichts benutzen kann, außer man möchte in einem „Wir“ und in einem „dieAnderen“ festhängen. Und da bleibt natürlich die Frage, wie konstruieren sich dieseZuschreibungen.Die mit Abstand größte Gruppe Ausländer im Grenzgebiet sind – wer hätte das gedacht – dänischeStaatsbürger. Wenn Sie jetzt auch daran etwas auszusetzen haben, wäre ich zumindest dankbarfür einen kleinen Hinweis. 3Wissen Sie, wenn wir auf die makroökonomischen Effekte von Zuwanderung schauen, dann gehtdie Diskussion mal ein bisschen in die eine, mal ein bisschen in die andere Richtung. Aber dieTendenz, dass sich Migration auf unsere Wirtschaft eher positiv auswirkt, ist doch mittlerweilewirklich unumstritten.Deutschland ist, das stellt die Landesregierung in ihren Antworten ganz richtig fest, einEinwanderungsland. Einwanderung nach Deutschland bedeutet für uns einen Wohlstandsgewinn.Der Ausgang dieser Frage hängt maßgeblich davon ab, wie gut oder schlecht einer GesellschaftIntegration gelingt. Es ist von allergrößter Wichtigkeit, dass Geflüchtete so schnell es geht aus denSammelunterkünften rauskommen und in eigene Wohnungen ziehen können, deutsch lernen, sichArbeit suchen, ein soziales Umfeld aufbauen können. Es ist daher zwingend erforderlich, dass auchLandesregierungen zusätzliche Mittel bereitstellen für Kitas und Schulen, für Sprachkurse, fürDolmetscherkosten, für pädagogische Kräfte oder gegebenenfalls psychologische Betreuung.Und trotzdem kommt die AfD zuverlässig zu den Haushaltberatungen angewackelt und möchtedie Kosten für Integration streichen. Dieser Logikfehler schreit doch zum Himmel!Auffallend ist ja auch, dass die AfD in ihren Fragen munter zwischen den Kategorien Flüchtling,Migrant und generell irgendwie Ausländer hin und her hüpft. Aber zumindest die Zahlen für dieArbeitsmarktintegration Geflüchteter hätten sie doch vorliegen gehabt. Es istüberraschenderweise doch schon ein Jahr her, dass wir uns hier im Plenum über den Bericht zurArbeitsmarktintegration geflüchteter Menschen in Schleswig-Holstein ausgetauscht haben.Ich fand damals schon, dass das erfreuliche Zahlen waren. Ein Anstieg dersozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus den 8 wichtigsten Asylherkunftsländern um 49,9%Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch bei den geringfügig Beschäftigten ein Anstieg um 14,4%.Knapp 4000 Geflüchtete waren zum damaligen Zeitpunkt in Integrationskursen, 1.769 explizit inKursen berufsbezogener Sprachförderung. Und auch dieses Jahr lässt sich schon schlussfolgern,dass uns die Integration auf dem Arbeitsmarkt gut gelingt. So jedenfalls sieht es das DeutscheInstitut für Wirtschaftsforschung. In den drei Jahren nach ihrer Ankunft in Deutschland haben nunschon 43 Prozent der Geflüchteten eine Beschäftigung gefunden. 4Fünf Jahre nach Ankunft ist es schon fast jeder Zweite laut einer Studie des Instituts fürArbeitsmarkt- und Berufsforschung. Und wissen Sie woran das liegt? An der stärkeren Investitionin Integrations- und Sprachkurse.Unsere Sicht als Minderheitenpartei ist da ganz eindeutig. Wir leben alle mit mehreren Sprachenund kulturellen Einflüssen. Wie es übrigens, das vergessen einige ja, historisch gesehen auchüblich ist. Mehrsprachigkeit ist der Normalfall. Einsprachigkeit ist ein Mythos, diese Vorstellunghaben wir noch dem Nachwirken der Nationalromantik und der Nationalbewegungen in Europaim 18. bis 19. Jahrhundert zu verdanken. Die gesellschaftliche und in einigen Fällen auchindividuelle Mehrsprachigkeit wird durch Migration wieder einen Aufschwung erleben.Was ist das alleine für unsere Sprachenkompetenz für ein Zugewinn.Und es ist doch nicht schwer, sich vorzustellen, was das auch für einen Mehrwert für unsereUnternehmen bedeutet. Diese Menschen sind alle mehrsprachig und können perfektVermittlungsfunktionen in internationalen Geschäftsbeziehungen übernehmen. Sie bringenaußerdem nicht nur Wissen über die Sprachen ihrer Herkunftsländer mit, sondern auch überKultur, Bedarfe und Innovationen.Sicherlich gibt es immer noch einiges zu tun, ich denke da jetzt beispielsweise an die Anerkennungausländischer Berufs- und Studienabschlüsse oder auch die stärkere Einbindung geflüchteterFrauen. Aber ich habe keinerlei Zweifel daran, dass wir gesellschaftlich und wirtschaftlich sehr vonden Menschen profitieren, die nach Deutschland gekommen sind.Und trotzdem hinterlassen diese Debatten für mich immer auch einen faden Beigeschmack. Dennsie vermitteln einen irgendwie nüchternen, weil ökonomischen abwägenden Blick auf die Frage:Wem nützt Migration? Wem nützt die Gewährleistung eines Freiheitsrechtes?Aber jetzt kommen wir ja nicht umhin, uns einmal auf den Gedanken einzulassen. Immerhin, 2018habe ich von einer Studie gelesen, in der der Verteilungsforscher Panu Poutvaara vom IFO-Institutin München Daten über die Arbeitsmärkte von 20 Industrieländern analysiert hat. Er kommt zu 5dem Ergebnis, dass in 19 von 20 Ländern die Einwanderung dazu führt, dass es der einheimischenBevölkerung wirtschaftlich besser geht. Die wirtschaftlichen Gewinne waren sichtlich größer alsdie Kosten, die entstanden waren.Der große Zugewinn, den unser Land tatsächlich von allen Menschen hat, die ausunterschiedlichen Gründen hierher kommen, lässt sich eigentlich kaum beziffern. Den wenigenAusgaben in den Anfangsjahren, die die AfD abgefragt hat, stehen immense Steuerzahlungen undökonomische Gewinne in der Zukunft entgegen. Als ordentlicher Kaufmann sagt man dann: Daswar eine gute Investition!Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/