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24.09.20
15:46 Uhr
SPD

Birte Pauls zu TOP 44: Demenzerkrankten mit Respekt und Solidarität begegnen

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 24. September 2020
Birte Pauls: Demenzerkrankten mit Respekt und Solidarität begegnen TOP 44: Bericht zum Umsetzungsstand des Demenzplans für Schleswig-Holstein (Drs. 19/1948, 19/2309)
„Ich danke dem Ministerium und dem Kompetenzzentrum Demenz für die Erstellung des Berichtes. Er kommt passend zum Welt-Alzheimertag, zur Woche der Demenz und zum Start der nationalen Demenzstrategie der Bundesregierung. Immer mehr Menschen werden immer älter. Das ist ein besonderer sozialpolitischer und medizinischer Erfolg, auf den wir stolz sein können. Es bringt für hochaltrige Gesellschaften wie unserer Herausforderungen mit sich, denn mit steigendem Alter wächst die Wahrscheinlichkeit, dementiell zu erkranken. In Schleswig-Holstein leben zurzeit ca. 60.000 Menschen mit Demenz. Aufgrund der Altersentwicklung wird sich diese Zahl bis 2050 verdoppeln. Wir Sozialdemokrat *innen möchten mit Respekt und Solidarität das Zusammenleben der Generationen mit all seinen Facetten und Herausforderungen positiv gestalten. Die Erkrankung wird oft noch tabuisiert. Auch im Familien – und Freundeskreis wird lange gezögert, über diese Krankheit zu sprechen. Wie begegnen wir Menschen mit Demenz? Welche Strukturen braucht es? Wie können wir Angehörige unterstützen? Diesen Fragen hat sich die Küstenkoalition gestellt und 2013 als eines der ersten Bundesländer die Erarbeitung eines Demenzplanes für Schleswig-Holstein auf den Weg gebracht. Die 80 Empfehlungen sollen bis 2022 umgesetzt werden.. Davon sind 23 Empfehlungen weitgehend erfüllt, 28 zum Teil umgesetzt, 13 noch gar nicht umgesetzt und 16 können vom Kompetenzzentrum Demenz nicht umgesetzt werden, da sie außerhalb des Einflussbereiches liegen. Hier muss die Landesregierung tätig werden. Das Thema Demenz muss in allen Bereichen unserer Gesellschaft Beachtung finden. An der Kasse des Supermarktes, beim Frisör, bei der Feuerwehr, der Polizei, in Verwaltungen, in Vereinen, im Rettungswesen. Von der Kita zum Seniorenclub. Hier leistet das Kompetenzzentrum eine hervorragende Arbeit, indem es u.a. Schulungen für verschiedene Zielgruppen anbietet. Mit dem Projekt „Reise des Vergessens“ werden aktuell Kommunen im ländlichen Raum für das Thema sensibilisiert. Wenn Sie mal einen ganz kleinen Eindruck gewinnen wollen, wie verunsichert sich ein dementiell Erkrankter in seiner Umwelt fühle muss, dann empfehle ich das begleitende Projekt als „Ort der Verwirrung“ . Ein von der Künstlerin Cornelia Rößler umgestalteter Bus, dessen Mitfahrt wirklich erhebliche Verwirrung stiften kann. Ich habe mich bei der Auftaktveranstaltung in Nordfriesland selber davon überzeugen, bzw. verwirren lassen. Das Projekt ist zurzeit im Herzogtum Lauenburg unterwegs. Gerade vor Ort in den Kommunen benötigen wir bedarfsgerechte, Beratungsstellen wie z.B. die Pflegestützpunkte, Hilfs- und Unterstützungsangebote und eine gute Integration der Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen im Quartier. Ein weiterer wichtiger Bereich sind die Krankenhäuser. Die Versorgung findet nach der jeweiligen akuten Erkrankung statt. Die Grunderkrankung Demenz wird bei der Zuordnung oft nicht berücksichtigt. Nur 53 % unserer Häuser im Land haben ein schriftliches Konzept zum Umgang mit Demenz. Dabei ist die räumliche Veränderung, die veränderten Tagesabläufe und die Trennung von den gewohnten Menschen für den Erkrankten ein enormer zusätzlicher Belastungsfaktor. Hinlauftendenzen, Unruhe, Aggressivität sind die Folgen. Diese haben nicht nur negativen Einfluss auf die Behandlung der Akuterkrankung, sondern führen auf den chronisch unterbesetzten Stationen zu Stress bei den Pflegefachpersonen. Freiheitsentziehende Maßnahmen sind aus lauter Verzweiflung

1 oftmals die Folge. Das von der Landesregierung vorgelegte Landeskrankenhausgesetz lässt auch an dieser Stelle Lücken. Wir alle müssen lernen, gegenüber dementiell Erkrankten Verständnis und Großzügigkeit zu entwickeln, uns über merkwürdige Verhaltensweisen nicht aufzuregen, sondern sie zu akzeptieren und hinzunehmen und drum herum zu organisieren. Das ist leichter gesagt als getan. Ein großer Dank gilt den pflegenden Angehörigen, denn die meisten Erkrankten leben zuhause. Haben wir überhaupt eine Ahnung davon was es bedeutet 24 / 7 / 365 Tage zuständig zu sein. Wie weh es tut, wenn die Mutter ihre Tochter plötzlich mit „Sie“ anredet, wenn der Ehemann seine eigene Frau nicht mehr erkennt? Wenn sich die Persönlichkeit des geliebten Menschen vollkommen verändert, wenn Aggressivität und Angst den Alltag bestimmen, weil alle irgendwie überfordert sind? Wir haben den pflegenden Angehörigen seit März eine enorme zusätzliche Belastung auferlegt, weil alle entlastenden Angebote wie Tages- oder Nachtpflege geschlossen waren und wiedereröffnete Angebote sich jetzt extrem reduziert haben. Diese Familien dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Genauso wenig wie die Erkrankten, die in stationären Einrichtungen leben und immer noch sehr wenig Besuch haben dürfen. Die reduzierten Kontakte, das Isolieren haben erhebliche Auswirkungen auf die Menschen. Denn sie sind in Ihrem Denken und Handeln verändert. Aber sie haben Gefühle und Sinne. Die Berührung, die Umarmung, die positiven Erlebnisse sind so immens wichtig. Und alles kann die Pflege bei allen Anstrengungen dann doch nicht auffangen. Auch wenn der Ball wieder rollt, ist die Situation von Menschen, die in Einrichtungen leben und ihren Angehörigen auch im eigenen Zuhause weiterhin sehr dramatisch. Das dürfen wir nicht vergessen.“



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