Polizeibeauftragte stellt Tätigkeitsbericht vor – 396 Petitionen in den ersten zwei Jahren
Nr. 23 / 25. Juni 2020Polizeibeauftragte stellt Tätigkeitsbericht vor – 396 Petitionen in den ersten zwei JahrenDie Beauftragte für die Landespolizei, Samiah El Samadoni, hat heute (Donnerstag) auf der Landespressekonferenz den ersten Bericht über ihre Tätigkeiten im Zeitraum 2016 bis 2018 vorgestellt. In dem Zeitraum gingen 396 Petitionen ein. „Das Amt der Polizeibeauftragten wird von den Bürger*innen und Polizist*innen als Ansprechpartnerin angenommen“, sagte die Polizeibeauftragte. „Überraschend war allerdings die von Anfang an hohe Anzahl an Eingaben aus der Polizei – diese haben etwa ¾ der Petitionen ausgemacht“, resümierte El Samadoni.In der zum Oktober 2016 neu geschaffenen Funktion ist die Polizeibeauftragte Ansprechpartnerin für Bürger*innen bei Beschwerden gegen die Polizei und für Polizist*innen, die in innerdienstlichen Angelegenheiten Beratung und Hilfe suchen. Der gesetzliche Auftrag der Polizeibeauftragten ist es, möglichst auf einvernehmliche Lösungen hinzuwirken und durch Unterstützung der Kommunikation das gegenseitige Verständnis zwischen Bürger*innen und Polizei zu stärken.Bei den 105 Beschwerden der Bürger*innen ging es in 33 Fällen um vermeintlich rechtswidrige polizeiliche Maßnahmen, in weiteren 33 Fällen beklagten die Betroffenen Kommunikationsdefizite bei der Polizei oder Probleme bei der Aufnahme bzw. Bearbeitung von Strafanzeigen. „In den allermeisten Fällen bin ich zu dem Ergebnis gelangt, dass die gerügten polizeilichen Maßnahmen nicht rechtswidrig waren“, betonte El Samadoni. In vielen Fällen habe es jedoch an einer angemessenen, offenen Kommunikation zwischen Bürger*innen und Polizei auf Augenhöhe gefehlt. „Oft sind gerade die Bürger*innen, die ein positives Bild von ihrer Polizei haben, besonders getroffen und enttäuscht, wenn sie zum Beispiel die Gesprächsführung der Polizist*innen als respektlos empfinden“, so die Polizeibeauftragte. Hier sollte stärker auf eine situationsangepasste, gute Kommunikation geachtet werden. Bei Missverständnissen und Bürgerbeschwerden sollte die Chance genutzt werden, Transparenz und Nachvollziehbarkeit des polizeilichen Handelns auch im Nachhinein noch herzustellen. Auch sollte die Polizei gegebenenfalls mehr Verantwortung für den eigenen Anteil an misslungener Kommunikation übernehmen. „Eine Entschuldigung beim Bürger 2hat immer eine vertrauensbildende Wirkung“, berichtete El Samadoni. Beschwerden seien dann oft positiv abzuschließen.In den 6 bearbeiteten Fällen, in denen die Bürger*innen Polizeigewalt und Machtmissbrauch rügten, blieben die genauen Sachverhalte unter den Beteiligten umstritten. El Samadoni empfiehlt, innerhalb der polizeilichen Organisation stärker daran zu arbeiten, gute Wege zu finden, um eskalierte Situationen auszubremsen. Wie dies in der konkreten Situation gut und für alle Beteiligten gesichtswahrend möglich ist, sollte schon mit den Anwärter*innen in Rollenspielen geübt werden.Insgesamt 287 Eingaben richteten Polizist*innen im Berichtszeitraum an die Beauftragte. Dabei betrafen insgesamt 78 Eingaben das Landespolizeiamt. „Lange Bearbeitungszeiten, fehlende Rückmeldungen zum Sachstand sowie mangelnde Transparenz bei Entscheidungen waren für die Betroffenen die Hauptprobleme “, erklärte El Samadoni. Thematisch sei es um ganz unterschiedliche Anliegen gegangen, so zum Beispiel um die Anerkennung von Dienstunfällen, die Übernahme von Schmerzensgeldansprüchen durch den Dienstherrn oder Stellenbesetzungsverfahren. Es sollte überprüft werden, ob die personelle Ausstattung beim Landespolizeiamt zur Bewältigung der Aufgaben ausreichend ist. Mindeststandards des Verwaltungshandelns wie zum Beispiel der Versand von Eingangsbestätigungen mit Angabe von ungefähren Bearbeitungszeiten könnten die Kommunikation deutlich verbessern und sollten in einem Erlass verbindlich geregelt werden.Weitere 70 Eingaben hatten Konflikte innerhalb der Polizei zum Gegenstand. „In 39 Fällen ging es um konkrete Konflikte, vor allem mit Vorgesetzten; 31 Eingaben betrafen systemische Konflikte, bei denen die Konfliktpartner*innen nicht klar benannt werden konnten, es aber konstant unterschiedliche Probleme und Konflikte mit unterschiedlichen Personen gab“, erläuterte El Samadoni. Dabei sei es auch um Disziplinarverfahren gegangen.Hilfreich zur Bewältigung oder Vermeidung von Konflikten ist ein von Transparenz, Klarheit, guter Kommunikation sowie von Wertschätzung geprägter Führungsstil. Der Umgang mit Konflikten sollte künftig im Rahmen von Aus- und Fortbildung noch mehr im Mittelpunkt stehen. Dies sollte auch dazu dienen, Erkrankungen nach Konflikten zu vermeiden. Die Beauftragte ergänzte: „Wir konnten mit vielen hervorragenden Führungskräften in der Landespolizei zusammenarbeiten. Das heißt aber nicht, dass es keine Fehler oder Fehlverhalten gibt.“ Von besonderer Bedeutung für positive Weiterentwicklungen sei auch ein breiter Dialog zu Führung und Führungskultur innerhalb der Polizei. „Vor diesem Hintergrund ist es bedenklich, dass die verpflichtende anonymisierte Rückmeldung für Führungskräfte nicht regelmäßig und nicht flächendeckend durchgeführt wird“, so El Samadoni. Gerade diese Rückmeldung könnte Ausgangspunkt für Dialog und konkrete Verbesserung von Führungskompetenzen sein.Auch bei den vielen Eingaben zu Disziplinar- und Strafverfahren (34) sowie Verfahren zur Überprüfung der Dienstfähigkeit (12) führten eine schlechte interne Kommunikation und mangelnde Transparenz zu erheblichen dienstlichen und privaten Belastungen der Betroffenen. Dies sei aus Fürsorgegründen dringend zu verbessern. 3Ebenfalls aus Fürsorgegründen empfahl die Polizeibeauftragte eine Überarbeitung des Landesbeamtengesetzes, um Lücken bei der Übernahme von Schmerzensgeldansprüchen durch den Dienstherrn zu schließen (§ 83 a LBG). Diese Lücken gibt es, wenn Vollstreckungsversuche bei Schmerzensgeldansprüchen zum Beispiel wegen Wohnungslosigkeit der Schuldner*innen scheiterten oder die Täter*innen schuldunfähig waren. „Wenn wir als Gesellschaft erwarten, dass Polizist*innen auch gegenüber schuldunfähig handelnden Personen eingreifen, dann dürfen wir die Beamt*innen im Fall der Verletzung nicht schlechter stellen“, mahnte El Samadoni.In struktureller Hinsicht empfahl El Samadoni unter anderem AGG-Beschwerdestellen bei den einzelnen Polizeibehörden einzurichten. Diese sind seit 2006 vorgeschrieben, um Beschwerden der Mitarbeitenden wegen Diskriminierung nachzugehen. Zudem schließt sie sich dem Vorschlag des Sonderbeauftragten Klaus Buß aus dem Jahr 2018 an, interne Ermittlungen im Innenministerium außerhalb der Polizeiabteilung und des LKA anzusiedeln. „Schon um bei von den Ermittlungen Betroffenen dem Eindruck vorzubeugen, dass es polizeiinterne Vorgaben und Einflussnahmen geben könnte, wäre die strukturelle Trennung empfehlenswert“, betonte die Polizeibeauftragte abschließend.