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25.06.20
11:57 Uhr
Landtag

„Sie haben mich nicht gebrochen und werden es auch heute nicht tun!“: Gemeinsame Pressemitteilung des Zuwanderungsbeauftragten mit dem PARITÄTISCHEN SH und der Refugio Stiftung zum Antifoltertag

Nr. 15 / 25. Juni 2020

„Sie haben mich nicht gebrochen und werden es auch heute nicht tun!“: Gemeinsame Pressemitteilung des Zuwanderungsbeauftragten mit dem PARITÄTISCHEN SH und der Refugio Stiftung zum Antifoltertag

Mit dem Zitat des französischen Journalisten Nicolas Hénin, der zusammen mit dem ermordeten James Foley und anderen 2013 bis 2014 Geisel des IS in Syrien war, erinnert der Beauftragte des Landes für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen gemeinsam mit der Refugio Stiftung Schleswig-Holstein und dem PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverband Schleswig-Holstein an die Ratifizierung der Antifolterkonvention der Vereinten Nationen in Genf vor 33 Jahren, am 26. Juni 1987.
Zum Jahrestag weisen der Zuwanderungsbeauftragte und die beiden Organisationen auf den Überlebenswillen und die Widerstandskraft (Resilienz) derer hin, die mit Folter-, aber auch Kriegs- und Terrorerfahrung in unser Land gekommen sind. Sie rufen zu mehr Respekt vor diesen Menschen auf, die unsere demokratischen Werte und politischen Ziele bereichern und stärken können.
Folteropfer und andere traumatisierte Geflüchtete leiden unter den schmerzlichen Folgen ihrer Erfahrungen und erzählen schreckliche Geschichten von Verfolgung, Krieg und Vergewaltigung – meist erst dann, wenn sie Vertrauen in ihre neue Umgebung gewinnen. „Vor jeder medizinischen und psychotherapeutischen Versorgung verdienen sie unseren Respekt und die Anerkennung ihrer Flucht als einen Weg aus politischer, religiöser oder ethnischer Unterdrückung. Sie sind ihrer Erniedrigung entflohen. In einer Irrfahrt über das Mittelmeer zum Beispiel, nur mit einer Plastiktüte und vielleicht einem Baby auf dem Arm haben sie ihr Leben einem überladenen Schlauchboot anvertraut, um bei uns in der Sicherheit und Freiheit eines demokratischen Landes Schutz zu suchen und, wenn möglich, ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben anzufangen“, sagt Karl Neuwöhner von der Refugio Stiftung Schleswig-Holstein.
Deutschland hat die UN-Antifolterkonvention unterschrieben und sich damit verpflichtet, für Menschen, die Folter oder Menschenrechtsverletzungen erlitten haben, eine ganzheitliche 2

Rehabilitation sicherzustellen. Diese umfasst medizinische, psychotherapeutische, rechtliche und soziale Hilfen. Dennoch bleiben Betroffene in vielen Fällen von gesundheitlicher Versorgung ausgeschlossen oder erhalten nicht die richtige Hilfe. „Ein umfassendes Landeskonzept für bessere gesundheitliche und soziale Versorgung von Folterüberlebenden und besonders Schutzbedürftigen würde den staatlichen Verpflichtungen nachkommen“, so Michael Saitner, Vorstand des PARITÄTISCHEN SH.
Im Jahr 2020 übernimmt der Landesbeauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen, Stefan Schmidt, die Schirmherrschaft für das Gedenken anlässlich des Internationalen Tags zur Unterstützung der Folteropfer in Schleswig-Holstein.
Gemeinsam mit der Refugio Stiftung und dem PARITÄTISCHEN SH fordert er einen Diskurs der Anerkennung im Umgang mit Folteropfern und anderen traumatisierten Geflüchteten, insbesondere:
1. Sowohl auf den Zugangswegen (z. B. Mittelmeer) als auch in den Aufnahme- und Versorgungseinrichtungen an den europäischen Grenzen müssen rechtsstaatliche Grundsätze gelten. Erneute herablassende, diskriminierende oder abschreckende Maßnahmen gegenüber den Schutzsuchenden müssen unterbleiben.
2. Die strafrechtliche Verfolgung von Folterern muss in Deutschland und Europa konsequent fortgesetzt werden.
3. Die Themenbereiche „Menschenrechte, Folter, Flucht und Asyl“ sind zentrale Bestandteile unserer Lebensrealität und müssen entsprechend behandelt werden. Ihre Aufnahme in die Lehrpläne aller Schulformen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung wäre eine geeignete Maßnahme und sollte geprüft werden.
4. Auch in der Corona-Pandemie muss die Teilhabe der Schutzsuchenden gefördert werden: Integrations- und Sprachkurse, juristische Beratungen, Arbeitsverträge und andere Unterstützungsmaßnahmen müssen erhalten bleiben, damit die Geflüchteten in unsere Gesellschaft hineinwachsen und sich ein unabhängiges, selbstbestimmtes Leben aufbauen können.
5. In der gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzung sollen die Erzählungen und Dokumentationen der Überlebenden in ihrem Wert für die Solidarität und gemeinsame menschliche Verantwortung erkannt und anerkannt werden.
6. Wir fordern ein umfassendes Landeskonzept für Rehabilitation und Versorgungsstrukturen, das seelisch kranken, traumatisierten Menschen, Überlebenden von Folter und schweren Menschenrechtsverletzungen gerecht wird.
Die Refugio Stiftung Schleswig-Holstein ist Mitglied im PARITÄTISCHEN SH und im Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein und unterstützt seit über zehn Jahren Überlebende von Folter, Krieg und Terror mit finanziellen Mitteln wie z. B. Zuschüssen zu Fahrt- und Dolmetscherkosten. Mehr unter: www.refugio-sh.de. 3

Bitte vormerken: Am Montag, dem 28. September 2020, veranstalten die Refugio Stiftung Schleswig-Holstein und der PARITÄTISCHE Landesverband Schleswig-Holstein unter der Schirmherrschaft des Zuwanderungsbeauftragten Stefan Schmidt eine Online-Fachtagung mit Vertreter*innen von Menschenrechtsorganisationen für alle interessierten Fachleute in der Begleitung und Versorgung von traumatisierten Geflüchteten in Schleswig-Holstein.