Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten für das Jahr 2019: Zugang zur Krankenversicherung, Inklusion in der Schule und Komplexität des Sozialsystems im Fokus
Nr. 17 / 14. Mai 2020Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten für das Jahr 2019: Zugang zur Krankenversicherung, Inklusion in der Schule und Komplexität des Sozialsystems im FokusDie Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein, Samiah El Samadoni, hat heute (Donnerstag) ihren Tätigkeitsbericht für das Jahr 2019 vorgestellt. Im Berichtsjahr wandten sich insgesamt 3.643 Bürger*innen an die Bürgerbeauftragte. Damit ist die Zahl der Petitionen gegenüber dem Jahr 2018 um knapp 400 gestiegen. „Hinter jeder Zahl steckt ein persönliches Schicksal“, betonte El Samadoni auf der Landepressekonferenz. Der Bedarf an Unterstützung, Beratung und Hilfe sei ungebrochen hoch. „Es muss alles dafür getan werden, dass sich die schon bestehenden Probleme infolge der Corona-Krise nicht verschärfen, sondern trotzdem und gerade jetzt in Angriff genommen werden“, so die Bürgerbeauftragte.Wie in den Vorjahren war auch 2019 das Thema Hartz IV am häufigsten Gegenstand der Petitionen. Hier gab es im Berichtsjahr 831 Eingaben. Besonders auffällig sei 2019 aber die Entwicklung der Eingaben im Bereich Gesetzliche Krankenversicherung gewesen, hob El Samadoni hervor. 641 Petition stellten erneut einen Rekordwert dar. „Auch zu den Themen Soziale Pflegeversicherung, Sozialhilfe und Gesetzliche Rentenversicherung ist die Anzahl der Eingaben jeweils deutlich angestiegen“, so die Bürgerbeauftragte weiter.Im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung zeigt sich seit Jahren, dass bestimmte Probleme noch immer bestehen oder gar zunehmen. Beim Thema Krankengeld sei dies vor allem der Streit über die weitere Arbeitsunfähigkeit. „Wenn die Krankenkassen das Krankengeld einstellen, weil sie entgegen der Einschätzung der behandelnden Ärzt*innen wieder von der Arbeitsfähigkeit der Versicherten ausgehen, kommen die Betroffenen häufig in eine ausweglose Situation“, erklärte die Bürgerbeauftragte.Erneut haben auch viele Bürger*innen um Hilfe gebeten, weil sie die Krankenversicherungsbeiträge nicht finanzieren konnten, in der Folge nur noch einen stark eingeschränkten Versicherungsschutz hatten oder gar nicht wussten, ob und wie sie krankenversichert werden können. „Gerade die Corona-Pandemie zeigt doch, wie wichtig es ist, 2dass alle Menschen krankenversichert sind, und zwar ohne jede Einschränkung“, mahnte El Samadoni.Beim Thema Inklusion in der Schule hatte die Bürgerbeauftragte auf größere Fortschritte gehofft. „Schon 2015 und 2016 gab es umfangreiche Diskussionen über den pädagogischen Kernbereich, über die Frage also, wer für die Inklusion zuständiger Kostenträger ist“, erläuterte El Samadoni. In Betracht kommen einerseits das Land als verantwortlicher Kostenträger für das pädagogische Personal und andererseits die Kreise und kreisfreien Städte als Träger der Schulbegleitung für Kinder mit einer Behinderung. Obwohl die rechtlichen Fragen seit drei Jahren eigentlich geklärt sind, beobachtet die Bürgerbeauftragte weiterhin regelmäßig Probleme. Noch immer komme es dazu, dass schulpflichtige Kinder nur eingeschränkt und teilweise gar nicht beschult werden, weil Schulen und Jugendämter oft nicht gut kooperierten, so die Bürgerbeauftragte. „Hier braucht es eine deutliche bessere strukturelle Vernetzung von Schule, Eingliederungshilfe und Jugendamt“, forderte El Samadoni.Die Bürgerbeauftragte beobachtet insgesamt, dass die Komplexität des deutschen Sozialsystems und die Kommunikation zwischen Staat und Bürger*innen zu immer größeren Belastungen und Problemen der Betroffenen führt. Als Beispiel stellte sie den Fall einer jungen Frau mit einer Schwerbehinderung dar. „Wegen ihrer Einschränkungen wird die Petentin ganz eindeutig nie in der Lage sein, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, deshalb hatte sie Grundsicherung wegen Erwerbsminderung beantragt, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.“ Dies sei eigentlich auch genau die richtige Leistung in dieser Konstellation, so El Samadoni. Aufgrund der gesetzlichen Systematik sei der Antrag jedoch abgelehnt worden. Die Frau habe zunächst Hartz IV beantragen müssen, und zwar bis zur verbindlichen Feststellung der Erwerbsunfähigkeit. Im Ergebnis musste die Betroffene über mehrere Monate hinweg drei komplizierte Antragsverfahren durchlaufen, um letztlich genau die Leistung zu erhalten, die sie von vornherein beantragt hatte. „In solchen Konstellationen muss ein Antrag reichen“, betonte die Bürgerbeauftragte. Alles andere sei den Bürger*innen weder zuzumuten noch zu vermitteln und führe zudem zu einem unnötigen Verwaltungsaufwand bei den Behörden.