Burkhard Peters zu Einreisehindernissen
Presseinformation Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 49 – Einreisehindernisse nicht länger Pressesprecherin als unbedingt nötig Claudia Jacob Landeshaus Dazu sagt der innen- und rechtspolitische Sprecher der Düsternbrooker Weg 70 Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, 24105 Kiel Burkhard Peters: Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de Nr. 154.20 / 08.05.2020Einreisehindernisse: Mittel und Zweck müssen in einem angemessenen Verhältnis stehenSehr geehrte Damen und Herren,auch in diesem Antrag geht es letztlich um das große Thema der Angemessenheit staatlicher Maßnahmen im Rahmen der Pandemiebekämpfung. Reisen, wann, wohin, mit wem, wie lange und zu welchem Zweck ist grundrechtlich geschützt. Stichwort: All- gemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG. Diese Freiheit kann dem Menschen nach der Verfassung nur untersagt werden, wenn sie die Rechte anderer verletzt, gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.Man könnte der ketzerischen Ansicht sein, angesichts dieser hehren Verfassungsgaran- tie sei eine Reisebeschränkung aus Gründen der Pandemiebekämpfung überhaupt nicht zulässig. Denn ein Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist genauso wenig gegeben wie gegen das ominöse „Sittengesetz“. Bleibt als Einschränkungsgrund, dass potentiell andere Menschen verletzt werden, wenn sich eventuell unbemerkt Infi- zierte frei über Grenzen bewegen. Das wird von zunehmend vielen Menschen in Deutschland bestritten, etwa mit dem Argument, eine Infektion sei angesichts der rück- läufigen Infektionszahlen äußerst unwahrscheinlich. Auch kann man hören, das Anste- ckungsrisiko sei überhaupt nur Ausdruck des allgemeinen Lebensrisikos. Dann müsste man ja auch das Autofahren verbieten, auch dort gebe es erhebliche Unfallrisiken, wel- che die Gesellschaft ohne weiteres hinnehme.Diese Ansicht ist falsch. Die sich aus dem Infektionsschutzgesetz ergebende Kontakt- beschränkung im Falle einer Pandemie ist grundsätzlich dazu geeignet, Gesundheit und Leben anderer Menschen vor allem auch über den Weg der Aufrechterhaltung ausrei- chender, medizinischer Behandlungskapazitäten zu schützen. Damit kommt der Staat Seite 1 von 3 seiner ebenfalls in Art. 2 Grundgesetz verankerten Schutzpflicht für Leben und körperli- che Unversehrtheit nach. Dass die Fallzahlen in Deutschland relativ gering sind, ist nicht Folge einer Harmlosigkeit des Virus, sondern Folge der konsequenten Kontaktre- duzierung. Zumindest das dürfte bei allen seriösen Wissenschaftler*innen wohl Kon- sens sein. Auch die Gerichte, die mit der Klärung entsprechender Zweifelsfragen kon- frontiert werden, sehen das durchgängig so.Richtig aber ist, dass jede freiheitsbeschränkende Maßnahme angemessen sein muss. Das heißt, sie muss nicht nur geeignet und erforderlich sein. Mittel und Zweck müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen.Und da fangen die eigentlichen Probleme und da setzt auch der vorliegende Antrag an. Er ist nichts anderes als der Appell der Legislative an die Exekutive, auch bei der Ver- hängung von Reisebeschränkungen ständig die Angemessenheit der Anordnungen zu überprüfen und gegebenenfalls an sich verändernde Sachlagen anzupassen.Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Landesregierung das Augenmaß und damit die Angemessenheit wahrt. Der erste Punkt des Antrags ist nach dem Bericht des Minister- präsidenten gestern praktisch schon erledigt. Jetzt kommt es maßgeblich auf die däni- sche Seite an.Der zweite Punkt – angemessene Befristung von Einreise- und Rückreiseregelungen - ist eine Selbstverständlichkeit, die sich unmittelbar aus Entscheidungen des Bundesver- fassungsgerichts aus den letzten Wochen ergibt. Auch das ist in Schleswig-Holstein bei der Fortschreibung von Anordnungen beachtet worden.Bleibt der dritte Punkt, die Reisebeschränkungen nach Schleswig-Holstein. Auch da gibt es mittlerweile viel Bewegung und Lockerung. Aber dieses Thema hat in den ersten Wochen der angeordneten Maßnahmen, vor allem zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg, für viel Streit und Missmut auf Hamburger Seite gesorgt. War das wirklich nö- tig? Waren unsere Einreisebeschränkungen zu harsch? Ich fürchte, in diesem Bereich spricht einiges dafür.Ich will das an Zahlen deutlich machen: Hamburg hat eine Bevölkerungsdichte von 2.430 Einwohner*innen auf einem Quadratkilometer. In Schleswig-Holstein leben dage- gen auf einem Quadratkilometer durchschnittlich 183 Menschen. In meinem Heimat- kreis Herzogtum Lauenburg sind es sogar nur 156, im Kreis Stormarn 317. Die Bevölke- rungsdichte beträgt weniger als ein Zehntel der in Hamburg.Was will ich damit sagen: pandemische Entwicklungen bremse ich – wie gesagt - sehr effektiv durch social distancing. Soziale Distanz ist aber in einem höchst verdichteten großstädtischen Ballungsraum wie Hamburg viel schwieriger durchzusetzen und eine längere Zeit auszuhalten als in einem deutlich geringer besiedelten Flächenland wie Schleswig-Holstein. Die gegenüber gestellten Zahlen sprechen für sich.Gerade die Wohnsituation von unzähligen Menschen in Hamburg, in Stadtteilen mit viel sozialem Wohnungsbau, Enge und wenig Zugang zu Parks oder Natur, kann dort zu massiven sozial-emotionalen Spannungen, zu Bewegungsmangel, Lagerkoller oder Schlimmerem führen.Haben wir in Schleswig-Holstein da im Rahmen der vielbeschworenen norddeutschen Solidarität nicht die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, den Hamburger*innen etwas von dem abzugeben, was wir reichlich besitzen: freie Fläche für einen Tagesausflug, 2 um Körper und Geist wieder ins Lot zu bringen?Dieser Gedankengang steht letztlich hinter dem Appell im dritten Punkt des Antrags. Ich bitte um Zustimmung. *** 3