Serpil Midyatli zu TOP 9,35,51+52: Die Corona-Krise betrifft alle Lebensbereiche
Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathekLANDTAGSREDE – 07. Mai 2020Serpil Midyatli: Die Corona-Krise betrifft alle Lebensbereiche TOP 9, 35, 51 + 52: Erste Lesung Artikelgesetz mit weiteren Anträgen zu Corona (Drs. 19/2122, 19/2152, 19/2153)„Heute werden wir eine ganze Reihe von Gesetzen und Anträgen auf den Weg bringen, die insgesamt dazu dienen sollen, dass wir gemeinsam gut durch diese Krise kommen. Diese Krise betrifft uns alle. Öffentlich diskutieren wir viel über die Bundesliga, über Kaufprämien für Autos oder Kredithilfen. Wir haben es aber nicht nur mit einer wirtschaftlichen Krise wie 2008/2009 zu tun. Corona ist vor allem eine soziale Krise. Eine so lange Schließung von Schulen und Kitas nötigt Familien fast übermenschliches ab. Arbeit im Home-Office klingt theoretisch ganz nett, aber als Mutter von zwei Jungs muss ich sagen: Praktisch ist das eine riesige Herausforderung. Großartiges leisten auch die Sozialdienstleister. In Pflegeheimen, Kitas oder in der Jugendhilfe wird aktuell unter schwierigsten Bedingungen ein ganz wichtiger Job gemacht. An dieser Stelle richtet sich mein Dank an die Familien, die Pflegerinnen und Pfleger, die Erzieherinnen und Erzieher und alle anderen, die gerade über sich hinauswachsen: Ihr seid der soziale Kitt, der die Gesellschaft in dieser Krise zusammenhält! Vielen Dank! Es gehört auch zum guten Ton in diesem Hause, sich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ministerien zu bedanken, denn auch sie leisten gerade jetzt enorm viel. Ganz herzlichen Dank für ihre wertvolle Arbeit, die ja nicht in der Öffentlichkeit stattfindet und daher auch wenig Anerkennung erfährt. Und als Drittes möchte ich mich auch im Namen meiner Fraktion bei den Anzuhörenden bedanken, die ohne Murren und Knurren die enorm verkürzte Anhörungsfrist zum Artikelgesetz mitgetragen und uns wertvolle Stellungnahmen geschickt haben. Uns allen ist klar: außergewöhnliche Zeiten machen dieses erforderlich. Ich werde nicht im Detail auf alle Änderungen, die wir beschließen, eingehen können, daher erlauben Sie mir hier eine Priorisierung. Den Schülerinnen und Schüler, die sich in diesem Jahr auf eine Abschlussprüfung vorbereiten, haben wir es nicht sehr einfach gemacht. Den ein oder anderen forschen Vorstoß der Bildungsministerin hätte es aus meiner Sicht nicht gebraucht. Dennoch ist es am Ende doch gut gegangen. Es war wichtig, dass wir von vornherein klargemacht haben, dass das Jahr 2020 kein verlorenes Schuljahr sein darf. Der Erste und der Mittlere Schulabschluss sowie das Abitur werden auch in diesem Jahr regulär erworben. Und glauben Sie mir: Auch ich hatte im Hause Midyatli dazu eine kontroverse Diskussion mit meinem Sohn, der mich vom Gegenteil überzeugen wollte. Ich bleibe aber dabei: Das bleibt richtig! Möglich machen die Prüfungen die Schulleitungen und Lehrkräfte, die sich mit Kreativität und grandiosem Einsatz um die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler kümmern. Für uns ist wichtig, dass es keine Probleme bei der gegenseitigen Anerkennung dieser Abschlüsse geben darf. Der jetzt beschrittene Weg stellt das sicher. Dennoch müssen wir auf die besonders schwierige Situation für die Schülerinnen und Schüler eine Antwort geben, daher bleibt auch weiterhin unsere Forderung, dass es bei der Benotung einen Nachteilsausgleich geben muss. Die Bedingungen Zuhause in Bezug auf Unterstützung der Eltern und die technische Ausstattung sind sehr unterschiedlich. Niemand darf um Lebenschancen gebracht werden, weil er Zuhause weniger Unterstützung bekommt. Dafür brauchen wir den Nachteilsausgleich. Das heißt natürlich nicht, dass die Abschlüsse entwertet werden sollen. Wir tun den Schülerinnen und Schülern keinen Gefallen, wenn 1 es heißt: „Ach so, der hat 2020 Abitur, MSA oder ESA gemacht, als denen die guten Noten hinterhergeworfen wurden!“ Wenn diese Grundsätze gewahrt sind, sollten die Schulen ein hohes Maß an Flexibilität erhalten. Aber Flexibilität kann nicht heißen, dass sie mit der Bewältigung dieser Krise allein gelassen werden. Sie brauchen rechtsfeste Richtlinien, was geht und was nicht.Und lassen Sie mich eines deutlich sagen: wenn Hygienepläne an mangelnder Versorgung mit Seife und Desinfektionsmitteln scheitern, macht der Schulträger seinen Job nicht richtig. Das muss behoben werden. Zur Not muss das Land helfen. Die Kolleginnen und Kollegen leisten Großartiges. Dafür verdienen sie unsere vollständige Rückendeckung. Es hat in der Anhörung viel Kritik an der Idee gegeben, auch normalerweise schulfreie Tage für Prüfungen zu nutzen. Das sollte auch nicht allgemeine Mode werden, wenn aber einzelne Schulen, vor allem die beruflichen Schulen, sich dafür entscheiden, sollte ihnen dieser Weg nicht versperrt werden. Wie in anderen Fragen auch braucht es aber eine enge Einbindung der Gewerkschaften und der Beschäftigten, die dieses zu Recht einfordern. Viele Beschäftigten leisten aktuell deutlich mehr als ihr Arbeitsvertrag vorschreibt. Dafür verdienen sie Anerkennung und keine weiteren Zusatzbelastungen. Für die Hochschulen müssen die gleichen Grundsätze gelten. Es ist richtig, das Sommersemester nicht auf die Regelstudienzeit anzurechnen; es könnte ebenfalls, auch das kommende Wintersemester erforderlich werden. We will see. Auch darauf werden wir Antworten geben müssen. Im Mittelpunkt steht allerdings derzeit die Frage, wie Studierende über die Runden kommen, die auf zusätzliche Erwerbstätigkeit angewiesen sind und denen ihre Jobs schlagartig weggebrochen sind. Als SPD haben wir uns auf Bundesebene gemeinsam mit den demokratischen Jugendorganisationen aber auch den Studierendenvertreterinnen dafür eingesetzt, für diese Fälle ausnahmsweise das BAföG zu öffnen. Wir alle teilen diese Auffassung in diesem Hause Das ist gut, um auf Bundesebene weiter für eine Öffnung des BAföG zu kämpfen. Die haben aktuell genügend Sorgen und sollten sich nicht auch noch verschulden müssen. Die Bundesbildungsministerin hat sich hier für andere Wege entschieden. Wir, die SPD Fraktion, sind von diesem Weg nicht überzeugt, die Sorgen der betroffenen Studierenden werden somit nicht gelöst. Für uns ist das letzte Wort in dieser Sache deshalb noch nicht gesprochen. Bei nicht gelöst kommen wir auch zu einem weiteren wichtigen Punkt. Das sind die anfangs angesprochenen Kinder und Familien im Land. Der Dank für den großen Einsatz aus diesem Haus tut sicher gut. Es wird Zeit aber, dass wir auch endlich für spürbare Entlastungen sorgen. Es ist und bleibt ein schwerer Gang zwischen Gesundheitsschutz und frühkindlicher Bildung und Betreuung den richtigen Weg zu finden. Was ich aber gar nicht verstehen kann: Dass einige mehr über die 1.000 Bundesligaspieler als über die 3,7 Millionen Kita-Kinder sprechen. Das sage ich auch selbstkritisch als stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD. Es ist uns bisher nicht vollständig gelungen, die Wichtigkeit dieses Themas auch in der öffentlichen Debatte zu verankern. Das stößt bei Familien auf großes Unverständnis. Und zwar zu Recht. Hier hat Franziska Giffey unsere vollste Unterstützung, die für mehr Perspektiven für die Familien einsetzt. Auch die auf dem Weg gebrachte stufenweise Öffnung der Kitas bringt nicht für alle Eltern eine Lösung, die nun wieder voll arbeiten müssen. Das hilft nur denjenigen, die die Notbetreuung in Anspruch nehmen können. Daher ist es nur folgerichtig, dass auch für den dritten Kitamonat, den Juni, die Beiträge entfallen. Ich freue mich sehr, dass wir das mit der Jamaika-Koalition sehr schnell und konstruktiv auf den Weg bringen konnten. Und endlich sind auch die HH Rand Kinder in die Regelung aufgenommen, die in normalen Zeiten in HH eine Krippe bzw. Kita besuchen. Ich sage aber auch ehrlich: Als SPD wollen wir die Kitagebühren weiterhin grundsätzlich abschaffen. Darüber können die Eltern im Land dann aber 2022 entscheiden. Wichtig ist mir noch: Betreuung und Bildung gehört zusammen. Gerade explodiert die Ungleichheit für die Kinder, die von zuhause aus eben nicht die Unterstützung und Fürsorge erhalten, die sie brauchen. Für diese Kinder brauchen wir ganz schnell eine Lösung, sonst haben wir mit den negativen Folgen womöglich noch Jahre zu tun. 2 Ich wünsche mir, dass die Familien stärker in den Fokus rücken. Am drängendsten ist es jetzt, einen konkreten Zeitplan für die Öffnung der Kitas vorzulegen. Neben den Kita-Trägern gibt es noch viele andere soziale Dienstleister. Die Corona-Pandemie hat nicht nur die Restaurants, den Einzelhandel oder den Tourismus stark betroffen, sondern soziale Arbeit muss teilweise still stehen und die Träger sind in ihrer Existenz bedroht z.B. Werkstätten für Menschen mit Behinderung, deren Betrieb eingeschränkt wurde, Anbieter von Leistungen der Arbeitsförderung oder von Sprachkursen, die keine Maßnahmen mehr durchführen können. Diese Infrastruktur, diese Arbeit mit und am Menschen darf nicht wegbrechen. Und so haben sich der Bundesarbeitsminister und die Bundesregierung mit dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz einen Weg überlegt, diese Infrastruktur weiter zu fördern. Die Beschäftigten, die sonst diese wichtige Arbeit leisten, sollen jetzt in der Krise mithelfen. Im Gegenzug wird mit gewährleistet, dass die Leistungsträger den Bestand der sozialen Dienstleister im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit in diesem Zeitraum sicherstellen. Das Artikelgesetz enthält nun die Umsetzung in Schleswig-Holstein. Wir hoffen, dass die Landesregierung und die Kreise und kreisfreien Städte gleichmäßig die Arbeit der sozialen Dienstleister in allen Bereichen weiter unterstützen und sie nicht im Stich lassen. Das ist uns sehr wichtig. Viele Menschen werden bald wieder auf die Leistungen angewiesen sein und die Beschäftigten machen eine tolle Arbeit. Ein kurzer Satz noch zur Änderung des Pflegeberufekammergesetzes. Scheinbar ist die Pflegeberufekammer doch wichtig und ein verlässlicher Partner, sonst würde sich die Landesregierung ihrer Hilfe nicht bedienen. Kurzum: Wir haben nicht irgendeine Wirtschaftskrise. Die Corona-Krise betrifft alle Lebensbereiche. Es ist vor allem auch eine soziale Krise. Mit diesem Artikelgesetz versuchen wir allen den Rücken zu stärken, die aktuell mit den sozialen Auswirkungen zu kämpfen haben.“ 3