Lars Harms: Bei den Lockerungen auch über Grenzen hinweg denkenL
PresseinformationKiel, den 07.05.2020Es gilt das gesprochene WortTOP 47 Bericht zu den Beschlüssen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vom 06. Mai 2020 Drs 19/2148Lars Harms: „Die Gastronomie sollte bei uns genauso schnell öffnen können wie in anderen Bundesländern in Norddeutschland.“Lassen Sie mich mit dem wirklich am härtesten von der Corona-Krise betroffenenWirtschaftszweig beginnen. Die Gastronomie ist derzeit auf 99% Kurzarbeit und dasVermietungsgewerbe auf 95% Kurzarbeit. Damit ist klar, dass der Tourismus, auch in unseremBundesland, am meisten zu leiden hat. Und wir dürfen nicht vergessen, dass der Tourismus beiuns nicht nur einer der größten Wirtschaftszweige ist, sondern auch derjenige ist, der wirklichflächendeckend in allen Ecken des Landes zu finden ist. Geht es dem Tourismus schlecht, sogeht es vielen in unserem Land schlecht und das flächendeckend. Deswegen haben wir in denletzten knapp drei Wochen immer wieder angemahnt, dass ein Ausstiegsplan aus denCoronabeschränkungen für diesen Bereich dringend vorgelegt werden muss. Leider konnte sich 2kein Bundesland, auch unser Bundesland nicht, rechtzeitig für einen Fahrplan zumschrittweisen Ausstieg aus den Beschränkungen durchringen. Wir haben jetzt zumindest dasDatum 18.05. als Datum des Beginns der schrittweisen Wiedereröffnung von touristischenEinrichtungen vernommen, aber es ist immer noch fraglich, wie das Ganze von statten gehensoll. Eigentlich hätte die Landesregierung einen konkreten Ausstiegsplan schon Ende Aprilvorlegen müssen. Aber geschehen ist eben nichts. Deshalb sind alle möglichen am TourismusBeteiligten mit konkreten Vorschlägen gekommen: die Campingplatzhalter, dieFerienhausvermieter, die Hoteliers, die Anbieter von Ferien auf dem Bauernhof und natürlichauch der Dehoga. Alle hatten Ideen, wie es gehen könnte, nur die Landesregierung hatte sienicht.Gut, dass andere Bundesländer, wie Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, hierDampf unter den Kessel gebracht haben und jetzt zumindest angestoßen haben, dass jetztendlich der Tourismus wieder anfangen kann. Danke, Manuela Schwesig und Danke, StephanWeil! Beide Bundesländer werden schon in Kürze die gastronomischen Betriebe wieder unterAuflagen aufmachen lassen. Die Frage, die sich stellt, ist dabei, warum nicht auch wir in diesemnorddeutschen Geleitzug mitmachen. Warum müssen unsere Gastronomen noch eine Wochelänger warten. Denen geht es genauso schlecht wie ihren Kollegen in Ostfriesland oder aufUsedom und sie haben genauso gute Hygienekonzepte wie die Gastronomen in anderenBundesländern. Deshalb sollten sie auch genauso schnell öffnen können wie in anderenBundesländern in Norddeutschland.Und ähnliches gilt auch für die Ferienwohnungs- und Ferienhausvermieter. Auch die solltennicht bis Montag den 18.05. warten müssen. Die klassischen Anreisetermine der meistenUrlauber sind Freitag und Sonnabend. Wenn jetzt aber erst am Montag, den 18. Mai dieQuartiere wieder öffnen können, können viele schon gebuchte Reisen doch nicht stattfinden.Das heißt, unsere Vermieter verlieren unnötig Geld, obwohl sie sich schon perfekt auf ihreGäste vorbereitet haben. Das gilt es zu verhindern. Und dann sollten wir auch gleich diekommunalen und privaten Wohnmobil-Stellplätze wieder öffnen. Diese Touristen sindgenauso größtenteils Selbstversorger, wie Leute, die Urlaub in einer Ferienwohnung machen. 3Und wenn wir schon gerade dabei sind, dann müssen wir auch daran denken, dass auch dieInseln wieder für den Tourismus und für normalen Besuchsverkehr geöffnet werden. Wirhaben derzeit die Situation, dass ein ortsfremder Zweiwohnungsbesitzer die Inseln mit derPartnerin oder dem Partner oder auch anderen Personen aus dem gleichen Hausstandbesuchen kann. Wenn Einheimische Familienbesuch bekommen sollen, gilt das nicht. Danndürfen beispielsweise bei einem Sohn oder einer Tochter, die die jeweiligen Eltern besuchenwollen, die Ehepartner nicht mit auf die Insel. Da hilft dann auf einmal der gemeinsameHausstand nicht. Das ist keinem vernünftigen Menschen zu erklären. Es wäre also schön, wenndas diesbezügliche Betretungsverbot nicht erst Mitte Mai, sondern schon spätestens abMontag aufgehoben werden würde.Und da wir ja schon bei praktischen Problemen sind, dann möchte ich darauf hinweisen, dassnicht jede Altenheimeinrichtung mit einer Einrichtung für Menschen mit Behinderunggleichsetzbar ist. Viele behinderte Menschen gehören nicht zwingend den besondersgefährdeten Gruppen und manche behinderte Menschen leiden besonders unter denKontakteinschränkungen, die jetzt gelten. Ich denke hier vornehmlich an psychisch kranke odereingeschränkte Menschen. Sie können oft nicht verstehen, was jetzt gerade geschieht undleiden sehr unter der Situation. Wenn es jetzt ohnehin neue Regelungen zu Corona geben wird,dann wäre es es wert darüber nachzudenken, ob und wie die Kontaktbegrenzungen fürMenschen in Einrichtungen der Behindertenhilfe zumindest partiell gelockert werden könnten.Wenn wir Menschen zusammenführen wollen, dann muss das auch über Grenzen hinweggeschehen. Wir begrüßen es sehr, dass Ministerpräsident Günther unseren Ball aufgenommenhat und ein Gespräch mit Minister Seehofer geführt hat, um ihn von der Grenzöffnung zuDänemark zu überzeugen. Das hat ja augenscheinlich auch insoweit gewirkt, dass HerrSeehofer auch der Auffassung ist, dass etwas geschehen sollte. Jetzt heißt es aber dranbleibenund schnellstmöglich mit der dänischen Seite einen gemeinsamen Fahrplan für dievollständige Wiedereröffnung der Grenze zu erarbeiten. Denn hier scheint es ja durchaus nochVorbehalte auf dänischer Seite zu geben. Die Leute müssen heute schon wissen, was sie in zweioder drei Wochen erwartet, damit sie sich darauf einstellen können. Die Jugendorganisationender im Grenzland vorhandenen demokratischen Parteien haben hier zusammen einen 4entsprechenden Appell an uns als Politik gerichtet. Vertreter der SSW Jugend, der JungenLiberalen, der Grünen Jugend, der Jungsozialisten und der Jungen Union treten hiergemeinsam mit entsprechenden Organisationen aus Dänemark auf und setzen ein Zeichen fürein gemeinsames Europa. Darin sollten wir sie unterstützen und die Grenzöffnung forcieren.Es gibt aber natürlich noch mehr Bereiche, die derzeit politisch diskutiert werden. Da ist zumeinen die Frage des Wiederanfahrens des Spielbetriebs in der ersten und zweiten Fussball-Bundesliga. Es ist zu begrüßen, dass die DFL hier ein professionelles Konzept vorgelegt hat undes ist auch richtig, dass man bei Vorlage eines solchen Konzepts, genauso wie in anderenWirtschaftsbereichen, eine Öffnung zulässt. Aber die Wirksamkeit dieses Konzepts muss auchlaufend kontrolliert werden, genauso wie die Wirksamkeit von Hygienemaßnahmen inanderen Bereichen kontrolliert wird. So steht der Fortsetzung der Saison, die sicherlich viele alswillkommene Ablenkung vom Alltag begrüßen würden, nichts im Wege.Was aber in gar keinem Fall geht ist, dass jetzt schon wieder sinnentleerte steuerfinanzierteAutokaufprämien gezahlt werden sollen. Wenn jemand ein Auto kaufen will, dann soll er estun, aber eben auch vollständig dafür bezahlen. Die deutschen Autobauer wollen in diesemJahr rund 9 Milliarden Euro Dividenden ausschütten. Da kann man nicht allen Ernstes über eineNotsituation sprechen. Viel notwendiger ist es doch, die Digitalisierung insbesondere imBildungswesen voranzutreiben. Hier ist trotz der jetzt kurzfristig kommenden Maßnahmennoch so viel zu tun, dass jeder Groschen der dort hineingesteckt wird, wirklich Geld ist, das sichlohnt. Wir müssen in die Zukunft investieren und da geht es nun einmal vornehmlich umBildung, Bildung und noch einmal Bildung. Und bevor ich dann weiteres Geld verteile, denkeich erst an die Situation von sozial schwachen Menschen, von Arbeitslosen und von Menschenin Kurzarbeit. In Abwandlung eines Wahlslogans einer Partei kann man sagen: Digitalisierungfirst und Autokaufprämie noch nicht einmal second! Und hier erwarte ich dann auch eine ganzklare Positionierung unserer Landesregierung gegen diese Initiative.Am Ende bleibt mir nur, allen Dank zu sagen, für die trotz aller politischen Unterschiede guteZusammenarbeit. Die Politik handelt besonnen und in der Krise geeint. Das ist ein gutesZeichen. Und auch die Bürgerinnen und Bürger sollten weiter besonnen handeln. Und das heißt 5insbesondere, trotz Maskenpflicht in einigen Bereichen, dass wir weiterhin so gut auf Abstandbleiben, wie irgend möglich!Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/