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07.05.20
10:45 Uhr
B 90/Grüne

Eka von Kalben zu den Beschlüssen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsident*innen

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 47 – Bericht zu den Beschlüssen der Bundeskanzlerin Pressesprecherin mit den Ministerpräsident*innen vom 06. Mai 2020 Claudia Jacob Landeshaus Dazu sagt die Vorsitzende der Landtagsfraktion Düsternbrooker Weg 70 von Bündnis 90/Die Grünen, Eka von Kalben: 24105 Kiel
Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 144.20 / 07.05.2020

Ein guter Weg, der Raum für Optimismus ermöglicht
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für den Bericht und die Aussichten, die Sie uns für die kommenden Wo- chen gegeben haben. Ich bin froh, dass Sie, Herr Ministerpräsident, nicht wie viele an- dere Länderchefs schon ins Horn geblasen haben, ehe Sie den Austausch mit Ihren Kolleg*innen und Frau Merkel hatten.
Ich glaube, dass die Menschen dieses umsichtige Vorgehen wertschätzen. Wir tun es auf jeden Fall. Nun kommt es darauf an, die getroffenen Vereinbarungen mit Leben zu füllen.
Wir haben uns dafür ausgesprochen, dass es einen gemeinsamen Plan geben soll – bei allen regionalen Unterschiedlichkeiten. Denn Politik muss nachvollziehbar sein. Gerade in einer Zeit, in der wir den Menschen so viel zumuten. Die Bürger*innen müssen die Regeln kennen. Und sie müssen den Sinn der Regeln verstehen. Nur dann schaffen wir auch Akzeptanz.
Vernünftig, sicher und gerecht – das sagt sich so leicht. Die Umsetzung ist jedoch sehr schwierig. Das haben wir in den letzten Wochen erlebt und das werden wir auch bei den weiteren Lockerungsschritten erleben. Politik muss mit Widersprüchen leben und mit unterschiedlichsten Herausforderungen umgehen:
Und ich weiß, wie diese Regierung um die richtigen Lösungen ringt, gerade in der letz- ten Nacht: Wie viel Öffnung wovon ist logisch, welche Auswirkungen hat welche Rege- lung. Wenn wir die Zahl der betreuten Kinder pro Gruppe erhöhen, steigt das Risiko für die Erzieher*innen und eventuell der anderen Kinder.
Wenn wir alten Menschen endlich erlauben, Besuch zu bekommen, erhöhen wir das Ri- siko für die Altenpfleger*innen und die anderen Mitbewohner*innen. Seite 1 von 4 Tun wir nichts bei sinkenden Ansteckungszahlen versteht das auch kein Mensch. Schaut man sich die Lockerungsdiskussionen der letzten Wochen an, stoßen wir auf drei wesentliche Herausforderungen:
Wir wollen, dass sich Politik an wissenschaftlichen Fakten orientiert. Der Rat von Ex- pert*innen wurde und wird regelmäßig eingeholt und das ist gut. Nun wurde der Wis- senschaft vorgeworfen, dass sich die Ratschläge ändern. Zum Beispiel beim Thema Mundschutz. Aber wer das kritisiert, ignoriert die Tatsache, dass auch die Wissenschaft gerade auf Volldampf arbeitet, um das Virus zu verstehen. Dass Erkenntnisse sich än- dern, das ist geradezu Auftrag wissenschaftlichen Arbeitens und dementsprechend können sich dann auch politische Positionen ändern.
Gerade wird eine lebhafte Debatte um das Ansteckungsgeschehen rund um Kinder und Jugendliche geführt. Manche Eltern möchten, dass wir dem dänischen Vorbild folgen und es sozusagen ausprobieren, ob Kinder wirklich so unbedeutend für die Pandemie sind. Ich wäre die Erste, die froh ist, wenn sich die Erkenntnis festigen würde, dass wir Schulen und Kitas ohne Risiko öffnen könnten. Aber noch wissen wir das nicht. Und auch wenn es schwer ist: solange ist es auch hier richtig, der Mehrheitsmeinung in der Wissenschaft zu folgen.
Die Menschen fordern von der Politik zu Recht, dass sie für Sicherheit sorgt. Auch für die gesundheitliche Sicherheit. Wir alle brauchen so viel Gesundheitsschutz wie mög- lich. Aber der Schutz der einen kann zur Belastung der anderen werden.
Da sind zum einen die Kinder, die zum Beispiel viele Wochen nicht mit Gleichaltrigen zusammenkommen. Kinder, die nicht gefördert werden können, erleiden unter Umstän- den gesundheitliche Schäden, die noch nicht absehbar sind. Aber da sind auch die El- tern, die mit der Doppelbelastung nicht zurechtkommen, psychisch Kranke, die mit dem Alleinsein nicht zurechtkommen, alte Menschen, die unter der Einsamkeit leiden, Men- schen, die auf eine medizinische Behandlung im Krankenhaus warten und viele andere Betroffene. Sie alle müssen wir auch im Blick haben.
Das ist ein Balanceakt, weil wir für den Schutz aller Menschen in unserer Gesellschaft zu sorgen haben und sorgen wollen.
Menschen wollen, dass es gerecht zugeht. Dass nicht diejenigen, die am lautesten schreien, die meisten Freiheiten bekommen. Kleine Kinder, sehr alte Menschen, Men- schen mit Behinderung, Menschen die besonders vulnerabel sind – sie alle sind die Stil- leren. Jedenfalls in der Politik.
Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Tourismusverbände, Sportverbände – sie kön- nen sich stärker zu Wort melden. Wir müssen an alle denken: − an diejenigen, die um ihre Existenz bangen. − an die, die vom Unterricht zuhause erledigt sind. − an die, die in Kurzarbeit oder arbeitslos sind. − an die, die Angst haben, mit der Krankheit nicht zurechtzukommen. − an die, die einsam sind.
Wir alle haben genügend Menschen vor Augen, denen es gerade schlecht geht. Und das macht einheitliche Kriterien so schwer. Wenn es nur nach dem Ansteckungsrisiko ginge, dann hätten wir vielleicht Golfplätze nie geschlossen und die Spielplätze erst viel später wieder aufgemacht. Aber unter sozialen Gesichtspunkten wäre das keine gute 2 Lösung gewesen.
Und es gilt ein Paradigmenwechsel: Wir schauen jetzt was geht, was kann erlaubt wer- den und nicht mehr: was wird verboten. Alles ist erlaubt, wenn Regeln eingehalten wer- den können: 1,5m Abstand, ein überzeugendes Hygienekonzept, nachvollziehbare Teil- nehmer*innen, feste Sitzplätze.
Und dabei gilt für den 18.5., dass Veranstaltungen für 50 Personen unter Einhaltung der Regeln möglich sind.
Garantierte Termine dafür, wann mehr geht, gibt es nicht, weil niemand diese Garantie zurzeit geben kann. Aber es gibt Stufen. Einzelne Schritte, auf die man sich verlassen kann. Und das ist genau die richtige Antwort auf die drei Herausforderungen, die ich eben genannt habe:
Es geht nicht mehr darum, ob erst die Wirtschaft oder die Kita drankommt, sondern es gibt für alle Bereiche parallel laufende Stufenmodelle oder sie werden noch erarbeitet. Das führt zu mehr Transparenz und nimmt das Gefühl, dass es danach gehen könnte, wer am Lautesten schreit oder die beste Lobby hat. Denn das müssen wir verhindern.
Die heute dargestellten Schritte geben Hoffnung, geben Perspektive und ermöglichen einen Einstieg in den Alltag auch mit Corona. Denn darum geht es. Wir müssen die Zu- kunft gestalten und die Erkenntnisse aus der Krise mitnehmen:
Wir brauchen ein gut ausgestattetes Gesundheitssystem, mit vielen pflegenden und hei- lenden Menschen, die anständig bezahlt werden.
Die Digitalisierung kann den persönlichen Kontakt nicht vollständig ersetzen, aber trotz- dem sehr hilfreich sein. Alle müssen die Möglichkeit haben, an digitalen Angeboten teil- zuhaben.
Das Leben in einer globalisierten Welt bringt auch globalisierte Probleme. Auf einmal merken wir, wie vernetzt wir sind, wenn die Kontakte nach Außen abbrechen.
Insbesondere in Europa müssen wir wieder zu mehr Solidarität kommen. Nur gemein- sam schaffen wir es aus der vor uns liegenden wirtschaftlichen und sozialen Krise.
Der Aufschwung muss mit einer nachhaltigen Wirtschaft funktionieren, wenn wir die Klimakrise, die nicht verschwunden ist, meistern wollen.
Meine Damen und Herren, die Menschen wollen planen. Sie wollen wissen, wie die nächsten Wochen aussehen, wie sich ihr Geschäft entwickeln wird, ob sie reisen kön- nen, ob sie sich mit ihren Liebsten treffen können, wann der Spuk ein Ende nimmt, wann der Impfstoff da ist.
Aber wir haben keine Glaskugel und wenn mir jemand im März gesagt hätte, dass wir jetzt von einem Stufenplan zur Lockerung der Maßnahmen sprechen würden, ohne dass wir völlig ausgelastete Intensivbetten hatten, hätte ich mir das nicht erträumen können – gerade auch angesichts der Lage in den Ländern im Süden und in England.
Dass unsere Kapazitäten hier in Schleswig-Holstein nicht ausgenutzt werden mussten, ist nicht zuletzt auf die von uns getroffenen Entscheidungen zur Eindämmung der Pan- demie zurückzuführen.
3 Der heute vorgestellte Weg ist ein guter Weg, der Raum für Optimismus ermöglicht. Lassen Sie uns dabei trotzdem bitte alle besonnen bleiben und das Für und Wider kon- kreter Schritte gründlich abwägen. Nur so bleiben wir als Politik verlässlich, verantwor- tungs- und vertrauensvoll.
Vielen Dank!
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