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22.01.20
11:03 Uhr
SPD

Ralf Stegner zu TOP2,18,22+25: Jamaika ist beim Klimaschutz ein Totalausfall!

Heimo Zwischenberger Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Adresse Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel Telefon 0431 988 1305 Telefax 0431 988 1308 E-Mail h.zwischenberger@spd.ltsh.de Webseite www.spd-fraktion-sh.de Es gilt das gesprochene Wort!

Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

LANDTAGSREDE – 22. Januar 2020


Ralf Stegner: Jamaika ist beim Klimaschutz ein Totalausfall! TOP 2,18,22+25: Gesetzentwurf und Anträge zum Klimaschutz (Drs. 19/1273, 19/1879, 19/1899, 19/1919, 19/1935)

„Der Klimawandel ist menschgemacht und nicht mehr zu stoppen. Die Brände in Australien sind ein aufrüttelnder Start in dieses noch junge Jahr bzw. Jahrzehnt. Die breite Mehrheit der Forscher warnt uns: eine immer wärmere Welt führt zu Wetterextremen, die gravierende Folgen haben. Daraus resultiert menschliches Elend, aber – und auch das zeigt Australien und es ist ein deutlicher Hinweis an alle, die sagen, wir könnten uns Klimaschutz nicht leisten – es hat auch dramatische wirtschaftliche Folgen.
Und der Blick nach Australien zeigt auch, dass sich die Argumente der Klimaskeptiker überall gleichen: Selbst wenn der Mensch verantwortlich sein sollte, alleine könne man doch ohnehin nichts ändern. Das ist eine entlarvende Argumentation, aber sie ist auch sachlich falsch. Es ist doch ein beklemmendes Zeichen der Verwirrung dieser Zeiten, wenn in Davos die 17jährige Greta Thunberg der Welt sagt, was beim Klimaschutz zu tun ist und der Präsident der USA sich als Einfallspinsel darstellt, der immer neue Peinlichkeitsrekorde erzielt. Beim Kampf gegen den Klimawandel wird am Ende jedes Zehntelgrad Erwärmung mehr oder weniger darüber entscheidend, wie dramatisch die Folgen werden.
Unsere Generation hat die Verantwortung gegenüber den Kindern und Enkeln, diesen Planeten zu erhalten. Und darum darf es keine Ausrede geben für echten und wirksamen Klimaschutz und es muss vor allem um beides gehen: den Einsatz für globalen Klimaschutz, aber auch das Engagement vor Ort, denn Klimaschutz beginnt in Schleswig-Holstein. Und darum ist es ein gutes Zeichen, dass wir die erste Tagung im neuen Jahr mit einer Debatte darüber starten. Im vergangenen Frühjahr haben wir im Plenum über unseren Antrag diskutiert, den Klimaschutz in die Verfassung aufzunehmen. Die Argumente von damals gelten noch immer: Wenn wir Klimaschutz wirklich ernst nehmen wollen, wird er für unzählige landespolitische Entscheidungen in den kommenden Jahren Dreh- und Angelpunkt sein müssen. Ja – es mag auch Symbolpolitik sein, den Klimaschutz in die Verfassung zu schreiben. Denn natürlich retten wir allein dadurch nicht das Klima. Aber es ist eben auch ehrlich, wenn wir es mit konsequentem Klimaschutz ernst meinen. Denn es wird nur wenige Themen geben, bei denen wir ihn nicht zumindest mitdenken müssen. Und egal von wo wir kommen: Entweder ist der Klimaschutz für uns in der Landespolitik ohnehin bereits Selbstverständlichkeit, dann sollte man es festhalten und in die Verfassung schreiben. Oder aber es ist eben noch keine Selbstverständlichkeit, dann sollte man es erst recht in die Verfassung schreiben. In Hamburg kommt der Klimaschutz jetzt in die Verfassung und es sind nicht nur Sozialdemokraten, Linke und Grüne, sondern auch die CDU, die sich dafür einsetzen. Andernorts scheinen Christdemokraten beim Thema Bewahrung der Schöpfung im Konfirmationsunterricht besser aufgepasst zu haben…



1 Und der Grüne Landesvorsitzende hier in Schleswig-Holstein hat recht, wenn er vor wenigen Tagen sagt: „Aus unserer Sicht muss die Koalition beim Klimaschutz 2020 mehr erreichen. (…) Dafür wäre der Verfassungsrang ein guter Anfang.“ So ähnlich hat das gestern auch die Kollegin von Kalben gesagt. Denn was sagt es eigentlich über eine Koalition aus, die sich noch nicht einmal in einer solchen Frage zusammenrauft. Das fragen wir uns schon. Minister Albrecht hat in einem Interview konkretisiert, wie er sich das mit dem Klimaschutz vorstellt. Für alle, die das nicht gelesen haben, fasse ich noch einmal zusammen – keine Angst, geht schnell: Im Kern geht es um Zuschüsse für Lastenfahrräder und Unterstützung bei der Anschaffung von Ladeboxen für Tesla-Fahrer. Bravo!
Das alles natürlich ganz unbürokratisch und schnell, damit das Geld auch wirklich bei den Menschen ankommt – was dieses Versprechen wert ist, wissen wir seit Ihrem tollen Unterstützungsprogramm für Tierheime, darüber werden wir in dieser Woche noch sprechen. Aber dass die Vorschläge noch nicht der Weisheit letzter Schluss sind, weiß der Umweltminister wohl auch selber, denn er sagt im Interview über die eigenen Pläne: „Wir müssen auch im Kleinen etwas tun und für den Klimaschutz begeistern. Das bedeutet ja nicht, dass wir bei den großen Themen wie dem Ausbau der Erneuerbaren Energien, dem Kohleausstieg oder der Agrarwende nachlassen.“ Das ist wirklich spannend. Es lohnt, die drei Punkte einmal näher zu beleuchten, die der Minister anspricht: Der Kohleausstieg ist ein richtig gutes Beispiel für das, was ich schon bei den Haushaltsberatungen gesagt habe: Bei Jamaika läuft die PR auf Hochtouren, aber die Ergebnisse sind mehr als dürftig. Bei der GroKo ist die PR ausbaufähig und die Partner nicht immer so partnerschaftlich wie man sich das wünschen würde, aber am Ende kommt zumindest was Ordentliches raus, die Kohleverstromung wird gesetzlich beendet. Und ja, der Kohleausstieg könnte schneller und konsequenter sein, aber aus Berlin kommt immerhin ein Plan, wie ein gesellschaftlicher Groß-konflikt vermieden, der Ausstieg verbindlich auf den Weg gebracht und gleichzeitig verhindert wird, dass ganze Regionen vor die Hunde gehen. Bloß: Jamaika in Kiel hat mit dem Kohleausstieg denkbar wenig zu tun.
Der Kollege Arp macht den famosen Vorschlag, den Atomausstieg zur Disposition zu stellen. Ich glaube, mein Schwein pfeift. Mit welchem Koalitionspartner wollen Sie das eigentlich umsetzen? Der vor 30 Jahren verstorbene Herbert Wehner hätte Ihnen heute zugerufen, Herr Kollege Arp: „Sie sind doch Parlamentarischer Geschäftsführer und nicht Parlamentarischer Geschwätzführer.“ Die MS Jamaika fährt auf den Eisberg zu und die Bordkapelle spielt fröhlich weiter. Wir trinken einen Schampus und warten auf die Flut. Zum zweiten Punkt des Ministers: Agrarwende. Ohne Zweifel auch für den Klimaschutz von großer Bedeutung. Ich habe mir die Mühe gemacht nachzulesen, wie sich die Koalitionspartner dazu in der vergangenen Woche aus Anlass der Bauernproteste und der Grünen Woche geäußert haben. Agrarwende? Fehlanzeige. Von einer gemeinsamen Linie ist Jamaika auch hier meilenweit entfernt. Und von einer Agrarpolitik, die ökologisch verträglich, sozial gerecht und ökonomisch für die Bauern trotzdem rentabel ist, wie meine Kollegin Kirsten Eickhoff-Weber das im vergangenen Woche veröffentlichten Positionspapier unserer Fraktion festgehalten hat, erst recht. Im Ver-gleich zu Ihrer Einigkeit in der Agrarpolitik wären Hund und Katze in einer gemeinsamen Hütte eine harmonische Veranstaltung. Punkt drei des Ministers: Ausbau der Erneuerbaren Energien. Es ist geradezu Realsatire, wenn Vertreter dieser Koalition darüber öffentlich sprechen.
Es steht nicht gut um die Erneuerbaren Energien in Deutschland. Das muss sich ändern und es ist ein denkbar schlechtes Zeichen für den Klimaschutz. 2019 war ein verlorenes Jahr, insbesondere für die Wind-energie. Das gilt für alle Bundesländer. Und das liegt auch an der Bundespolitik. Aber: Es gibt genau ein Bundesland, das bei der Windenergie nicht nur stagniert, sondern in dem die Leistung real zurückgebaut wurde. Das allein ist bitter genug. Aber dass dieses Land Schleswig-Holstein ist, das unter SPD-Führung Vorreiterland für die Energiewende wurde, ist beschämend. Und der Bundesverband Windenergie hat vollkommen Recht, wenn er darauf verweist, dass Schleswig-Holstein – anders als diese Landesregierung es immer behauptet – sehr wohl ein Sonderfall ist. Und


2 dass der entscheidende Bremsklotz für die Windenergie der Ausbaustopp der Landesregierung ist. Die letzten, die bei Ihnen noch Wind machen, sitzen doch in Ihrer Pressestelle! Und ich weiß, wie ungern Sie das hören. Aber wir alle hier im Plenum wissen, warum es den Stopp gibt. Der Unterschied ist nur, dass wir das offen aussprechen. Daniel Günther hat im letzten Wahlkampf unhaltbare Versprechen gemacht. Um das zu überdecken, musste die Windplanung der Küstenkoalition über den Haufen geworfen werden. Wenn heute bei der Windenergie in Schleswig-Holstein der Rückwärtsgang eingelegt wird, dann folgt auf den Engholm-, Simonis- und Albig-Ausbau der Günther-Rückbau! Tolle Leistung! Wir müssen dabei nicht nur drüber reden, was das für die Klimaziele bedeutet – schlimm genug! Ihre Regionalplanung kommt nicht voran. Wer soll unter diesen Bedingungen in Windenergie in Schleswig-Holstein investieren? Was Sie machen, ist ein grandioses Jobvernichtungsprogramm für eine Zukunftstechnologie. Passt ja wunderbar in unsere Zeit. Sie verbinden nicht Ökonomie und Ökologie, wie Sie es großspurig angekündigt hatten. Sondern Sie schaffen es, beides gleichzeitig an die Wand zu fahren. Bravo! Das ist die Leistung, die von Ihrer Landesregierung in Erinnerung bleiben wird! Wir machen Ihnen heute das Angebot, den Weg zur Einhaltung der Klimaziele bis 2030 festzuschreiben, dafür liegt unser Antrag vor. Wir wollen, dass die Erneuerbaren bei der Wärmeversorgung bis 2030 ein Viertel übernehmen und die Stromerzeugung aus Erneuerbaren bis 2030 bei mindestens 44 Terrawattstunden liegt. Und wir sind sehr gespannt, wie Sie sich dazu positionieren.
Immerhin, beim Moorschutz greift die Koalition mit ihrem heutigen Antrag unseren Impuls aus den Haushaltsberatungen diesmal ganz ohne Schamfrist auf. Das werden wir nicht kritisieren, herzlich willkommen! Bei den Haushaltsberatungen haben Sie unseren Vorschlag, über die kommenden vier Jahre 20 Millionen in den Moorschutz zu investieren noch abgelehnt. Aber ich will schon jetzt in aller Deutlichkeit sagen: Es wird am Ende nicht reichen, lange Texte mit Prüfaufträgen und Konzeptanforderungen zu verabschieden. Wir werden Sie daran messen, ob sich in Schleswig-Holsteins Mooren etwas tut und das nicht erst am St. Nimmerleinstag. Die Mittel stehen zur Verfügung, es ist allein eine Frage des politischen Willens.
Wir sind dem SSW dankbar für den Antrag zum Klimaschutz im Straßenverkehr und freuen uns auf die weitere Beratung im Ausschuss. Die Frage des Tempolimits haben wir Sozialdemokraten im vergangenen Jahr mehrmals vorgebracht. Das beste Argument dafür ist und bleibt die Verkehrssicherheit. Jeder Verkehrstote ist einer zu viel. Denn es sollte jedem Kind einleuchten, dass es ein unnötiges und vor allem vermeidbares Risiko ist, wenn nur wenige Meter zwischen zwei Spuren liegen, auf denen rechts die LKWs mit 80 km/h und links die Sportwagen mit 240 km/h fahren. Fragen Sie gerne bei der Gewerkschaft der Polizei nach, was das in der Praxis bedeutet. Die Beamtinnen und Beamten auf den Autobahnrevieren haben mit den Folgen jede Woche zu tun. Aber es gibt auch ein gutes Argument für das Tempolimit aus Klima-schutzgründen. Das Umweltbundesamt hat sich mit den Folgen eines allgemeinen Tempolimits für den CO2-Ausstoß beschäftigt. Bei einem Limit von 120 km/h würden von heute auf morgen die CO2-Emissionen der PKW auf deutschen Autobahnen um 9 Prozent sinken. Es bleibt dabei: Auch bei Tempo 130 hätte keine andere Maßnahme in so kurzer Zeit und mit so geringen Einschränkungen einen vergleichbaren Effekt. Aber selbst für eine solche Kleinigkeit fehlt dieser Koalition die Kraft.
Der Kampf gegen den Klimawandel stellt viele in unserer Gesellschaft vor eine riesengroße Herausforderung. Und damit meine ich nicht diejenigen, die sich schulterzuckend den Tesla als Zweitwagen leisten können. Sondern die Gering- und Normal-verdiener, von denen viele ohnehin überlegen, wie sie am Ende des Monats die Miete bezahlen sollen. Klimaschutz darf nie getrennt von der sozialen Frage diskutiert werden, wenn wir nicht wollen, dass die rechten Klimaleugner absahnen. Und es ist eben auch kein Widerspruch: Klimaschutz und eine spürbare Entlastung der Mehrheit der Bürger schließen einander nicht aus. Wir haben im letzten Monat 53 Millionen Euro für den Klimaschutz im Haushalt beantragt, alleine sechs Millionen davon für den Austausch von Ölheizungen, etwas, das für viele Menschen mit kleiner Rente oder Einkommen bei der eigenen Immobilie nicht finanzierbar ist.


3 Jamaika hingegen nimmt in den kommenden drei Jahren sage und schreibe 1,6 Millionen Euro für das eigene Förderprogramm in die Hand, das der Minister stolz präsentiert. Großartig, so bekämpfen wir den Klimawandel! „Money for nothing“ von den Dire Straits wäre der passende Song dazu.
Dieser Landesregierung fehlt die Gemeinsamkeit und der Wille, um Klimaschutz ernsthaft anzugehen – obwohl der Spielraum im Haushalt allemal vorhanden ist. Mini-Projekte werden PR-wirksam aufgeblasen und drohen am Ende doch als Papiertiger zu enden. Konfliktfelder werden ausgeklammert, weil der Koalition der nächste Krach droht. Sie halten sich weniger an den großen Gegenwartsphilosophen Robert Habeck, sondern eher an den Kollegen Boris Becker: „Ich mag, wenn es rund geht. Wenn Stimmung ist, egal ob gegen mich oder für mich. Mich motiviert das.“ Und gleichzeitig fährt diese Landesregierung im verzweifelten Versuch, Gesichtswahrung für den Ministerpräsidenten zu betreiben, die Wind-energie an die Wand. Alle reden über Klimaschutz, in Schleswig- Holstein geht die Leistung aus Windenergie zurück, das gibt es nirgendwo sonst in Deutschland. Und noch nicht einmal für die symbolischen Gesten reicht bei dieser Koalition die Kraft, ein Tempolimit auf Autobahnen wird von Jamaika genauso abgelehnt wie der Klimaschutz in der Verfassung. Am Ende steht ein trauriges Fazit: Jamaika ist beim Klimaschutz ein Totalausfall.“



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