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12.12.19
13:01 Uhr
Landtag

Bürgerbeauftragte informiert über wichtige Änderungen im Sozialrecht im Jahr 2020

Nr. XXX / 12. Dezember 2020

Bürgerbeauftragte informiert über wichtige Änderungen im Sozialrecht im Jahr 2020
Zahlreiche Änderungen im Sozialrecht werden zu Beginn oder im Verlauf des Jahres 2020 für die Bürger*innen von großer Bedeutung sein. Die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein, Samiah El Samadoni, gibt einen Überblick:


Änderungen bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende („Hartz IV“):
Erhöhung der Regelsätze: Zum 1. Januar 2020 erhöht sich der Regelsatz für alleinste- hende und alleinerziehende Personen von 424 € auf 432 € im Monat. Ehegatt*innen und Lebenspartner*innen erhalten statt 382 € künftig 389 €. Der Regelsatz für Jugendliche (vom 14. bis zum 18.Geburtstag) erhöht sich um 6 € auf 328 €. Für Kinder vom 6. bis zum 14. Geburtstag werden statt 302 € dann 308 € geleistet. Kleinkinder bis zum 6. Geburtstag bekommen 5 € mehr als bisher und damit 250 €. Erwachsene mit einer Behinderung, die in einer stationären Einrichtung leben, sowie nichterwerbsfähige Erwachsene unter 25 Jahren, die im elterlichen Haushalt wohnen, erhalten weiter einen geringeren Regelsatz. Statt 339 € beträgt dieser ab Januar 345 €.

Änderungen in der Arbeitsförderung:
Beitrag zur Arbeitslosenversicherung: Der Beitragssatz sinkt zum 1. Januar 2020 von 2,5 % auf 2,4 % des Bruttoeinkommens.

Änderungen in der Sozialhilfe:
Erhöhung der Regelsätze: Auch in der Sozialhilfe gelten ab Januar 2020 die erhöhten Regelsätze, die den Beträgen bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende entsprechen. So erhalten zum Beispiel auch Menschen im Rentenalter oder Personen mit einer vollen Er- werbsminderung künftig einen Regelsatz von 432 € statt 424 €, wenn sie alleinstehend oder alleinerziehend sind. 2
Entlastung von Angehörigen: Pflegebedürftige, die ihre Pflegekosten zum Beispiel für einen Heimplatz nicht allein tragen können, erhalten auf Antrag Leistungen der Sozialhilfe. Die Sozialhilfeträger können sich aber zumindest einen Teil des Geldes zurückzuholen, und zwar bei den Kindern oder Eltern der Pflegebedürftigen (sog. Unterhaltsrückgriff). Bis- lang dürfen Sozialhilfeträger z. B. auf das Einkommen unterhaltspflichtiger Kinder zurück- greifen, wenn diese ca. ab 22.000 € im Jahr verdienen. Diese Einkommensgrenze steigt ab Januar 2020 auf 100.000 € brutto, und zwar auch für die Eltern von erwachsenen Kin- dern, die zum Beispiel wegen einer Behinderung pflegebedürftig sind; die Grenze gilt pro Elternteil.

Änderungen in der Eingliederungshilfe:
Überführung der Eingliederungshilfe vom SGB XII in das SGB IX: Durch die dritte Re- formstufe des Bundesteilhabegesetzes wird die Eingliederungshilfe vom SGB XII als „Be- sondere Leistung zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen“ in das SGB IX übertragen und reformiert.
Trennung von Fachleistungen und existenzsichernden Leistungen: Ab dem 1. Januar 2020 können existenzsichernde Leistungen und die Fachleistungen nicht mehr vom glei- chen Träger erbracht werden. Der Träger der Eingliederungshilfe soll künftig auch für Menschen, die in Einrichtungen leben, lediglich die reinen (therapeutischen, pädagogi- schen oder sonstigen) Fachleistungen erbringen, während die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII oder dem SGB II erbracht werden. Es ändert sich also die Art der Leis- tungserbringung für alle Leistungsbeziehenden in Einrichtungen.
Neue Berechnung des Eigenbetrags bei der Eingliederungshilfe: Die bisherigen sozi- alhilferechtlichen Regelungen zum Einkommens- und Vermögenseinsatz werden durch ein neues System zum Eigenbeitrag ersetzt. Dadurch bezahlen viele Eingliederungshilfeemp- fänger*innen ab Januar 2020 geringere Beträge an die Eingliederungshilfe.
Weitere Änderungen: Künftig wird ein Budget für Ausbildung eingeführt, mit dem Men- schen mit Behinderungen während einer regulären Ausbildung unterstützt werden sollen. Die unabhängige Teilhabeberatung, die Menschen mit Behinderungen hinsichtlich Rehabi- litation und Teilhabe an der Gesellschaft unterstützt, wird auch 2020 weiter staatlich geför- dert.

Änderungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung:
Regelungen zu Heilmittel-Verordnungen: Für Versicherte, die z. B. Krankengymnastik oder Ergotherapie benötigen, ändert sich ab dem 1. Oktober 2020 das Verfahren. Das ak- tuell noch komplizierte System von Erst- und Folgeverordnung sowie Verordnung außer- halb des Regelfalls entfällt dann. Künftig gibt es nur noch ein Rezept pro Fall mit einer sog. „orientierenden Behandlungsmenge“. Ärzt*innen dürfen damit ohne besonderen An- trag mehr Behandlungen als vorgesehen verordnen, wenn es medizinisch notwendig ist.
Krankenversicherungsbeiträge auf Betriebsrenten: Nach aktueller Rechtslage müssen auf Betriebsrenten über einem Grenzwert von aktuell 155,75 € Kranken- und Pflegeversi- cherungsbeiträge in voller Höhe gezahlt werden, geringere Betriebsrenten sind beitrags- frei. Ab 2020 soll nun ein Freibetrag von 159,25 € pro Monat eingeführt werden, auf den 3
gar keine Beiträge zu entrichten sind. Beiträge werden - anders als bisher - also erst fällig für die darüber hinausgehende Summe.

Änderungen in der Gesetzlichen Rentenversicherung:
Rentenerhöhungen: Auch im Jahr 2020 ist mit spürbaren Erhöhungen der gesetzlichen Renten zu rechnen. Diese werden ab Juli 2020 voraussichtlich zwischen 3% und 4 % hö- her ausfallen.
Grundrente: Bezüglich geplanter Änderungen in der Gesetzlichen Rentenversicherung wird aktuell am häufigsten über das Thema Grundrente diskutiert. Nach aktuellem Stand hat sich die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD auf ein Grundrentenkonzept ge- einigt, welches ab Januar 2021 eingeführt werden soll. Details zur Umsetzung der Grund- rente müssen im Gesetzgebungsverfahren aber noch geklärt werden. Die Bürgerbeauf- tragte wird die weiteren Entwicklungen genau beobachten und die Bürger*innen rechtzeitig informieren.

Änderungen im Wohngeldgesetz:
Erhöhung des Wohngeldes: Zum 1. Januar 2020 erfolgt eine Wohngeldreform. Das Wohngeld wird dabei an die Entwicklung der Einkommen und Warmmieten seit der letzten Reform im Jahr 2016 angepasst. Für einen Zwei-Personen-Haushalt, der aktuell bereits Wohngeld erhält, wird das Wohngeld von ca. 145 € monatlich um ca. 30 % auf ca. 190 € monatlich steigen.

Änderungen im BAföG: Erhöhungen der Freibeträge: Ab August bzw. Oktober 2020 werden - nach einer ersten Erhöhung im August bzw. Oktober 2019 - die Eltern-Einkommensfreibeträge um weitere 3 %, die Vermögensfreibeträge der Auszubildenden von 7.500 € auf 8.200 €, die der Ehe- gatt*innen/Lebenspartner*innen von 2.100 € auf 2.300 € und die von Kindern von je 2.100 € auf je 2.300 € angehoben. Auch steigen die Bedarfsätze um weitere 2 %. Zur Un- terstützung der Vereinbarkeit von Familie und Studium wird auch der Kinderbetreuungszu- schlag von derzeit 140 € auf 150 € angehoben.

Änderungen beim Unterhaltsvorschuss: Erhöhungen der Leistungen: Zum 1. Januar 2020 steigt der Unterhaltsvorschuss. Er beträgt dann monatlich für Kinder von 0 bis 5 Jahren bis zu 165 € (bisher 150 €), für Kin- der von 6 bis 11 Jahren bis zu 220 € (bisher 202 €) und für Kinder von 12 bis 17 Jahren bis zu 293 € (bisher 272 €). Kreis der Berechtigten: Ab dem 1. Januar 2020 soll für Personen mit der neu eingeführ- ten „Beschäftigungsduldung“ (§ 60a Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 60d AufenthG) ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss eingeführt werden. Die Berechtigten können dann ebenfalls Kin- dergeld nach dem EStG oder dem BKGG sowie Elterngeld erhalten. 4
Änderungen beim Kinderzuschlag:
Kreis der Berechtigten: Ab Januar 2020 sollen Familien auch dann Kinderzuschlag er- halten können, wenn sie bisher kein Arbeitslosengeld II beziehen und ihnen mit ihrem Er- werbseinkommen, dem Kinderzuschlag und ggf. Wohngeld höchstens 100 € fehlen, um die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II zu vermeiden. Zusätzlich wird die Höchsteinkom- mensgrenze (Bedarf der Eltern und Gesamtkinderzuschlag) aufgehoben. Ein etwas höhe- rer Hinzuverdienst führt dann nicht mehr schlagartig zum kompletten Wegfall der Leistung. Ferner soll Elterneinkommen, welches den Bedarf der Eltern übersteigt, nur noch zu 45 % auf den Gesamtkinderzuschlag angerechnet werden. Zuvor waren es 50 %.

Änderungen in der Kindertagesbetreuung:
Kita-Reform-Gesetz: Zum 1. August 2020 werden zahlreiche Verbesserungen für Familien mit Kindern in Kraft treten. So wird es landesweit eine einheitliche maximale Obergrenze, den sog. „Beitragsdeckel“ für die Elternbeiträge zur Kita geben. Für viele Eltern in Schles- wig-Holstein bedeutet das eine zum Teil erhebliche finanzielle Entlastung. Statt bislang bis zu 700 € werden dann z. B. maximal rund 226 € für eine ganztägige Betreuung fällig, für die Krippenbetreuung eines Kindes unter drei Jahren gilt eine Obergrenze von 288 €. Fa- milien mit mehreren Kindern profitieren zukünftig auch von einer landesweit einheitlichen Mindestvorgabe bei der Geschwisterermäßigung: Besuchen mehrere Kinder gleichzeitig eine Kita oder Tagespflege, müssen die Eltern für das zweitälteste Kind nur die Hälfte des Beitrags bezahlen. Jüngere Kinder sind komplett beitragsfrei.