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25.09.19
15:49 Uhr
SPD

Beate Raudies zu TOP 9,10,12,38,47: Jamaika präsentiert wenig ambitionierten Haushalt

Es gilt das gesprochene Wort!


Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek

Kiel, 25. September 2019



TOP 9,10,12,38,47: Haushaltsberatungen 2020 (Drs. 19/1600, 19/1601, 19/1695, 19/1604, 19/1705)

Beate Raudies:
Jamaika präsentiert wenig ambitionierten Haushalt „Per 1.7. diesen Jahres lagen in den Sondervermögen des Landes fast eine dreiviertel Milliarde Euro. Und in der mittelfristigen Finanzplanung bis 2028 sind allein für den Einzelplan 16 Zuführungen aus Landesmitteln in Höhe von rund 1,8 Mrd. Euro vorgesehen. Frau Finanzministerin, ich finde, da kann man schon von Speck auf den Rippen sprechen! Die Beseitigung des Sanierungsstaus ist zweifellos wichtig. Und das Verfahren, dies mithilfe von Sondervermögen zu tun, unterstützen wir grundsätzlich. Es macht aber keinen Sinn, den Sondervermögen unbegrenzt Geld zuzuführen, das absehbar nicht ausgegeben werden kann. Schon heute sind Teile der Gelder fest angelegt, weil nicht mit einem Mittelabfluss zu rechnen ist. Und zwar mehrjährig zu Festgeldkonditionen… Solange wir für dieses Geld höhere Zinsen erzielen, als wir für alte und neue Kredite zahlen müssen, ist das vielleicht noch ein gutes Geschäft. Doch die steigenden Strafzinsen - Verwahrentgelte - für Einlagen werden auch hier früher oder später durchschlagen. Erst Mitte des Monats hat die EZB diese weiter angezogen. Ob und wie lange dieses Verhalten der Landesregierung volkswirtschaftlich also noch sinnvoll ist, steht zumindest in Frage. Das findet im Übrigen auch der Landesrechnungshof. Außerdem werden frei verfügbare Guthaben, die nicht durch solche Anlagen gebunden sind, über die Landeskasse dem allgemeinen Liquiditätsmanagement des Gesamthaushalts zugeführt. Diese Mittel werden also übergangsweise zur Finanzierung anderer Ausgaben des Landes genutzt, und nicht für Investitionen! Die Sondervermögen sind inzwischen sowas wir Ihre Portokasse, Frau Ministerin, mit der Sie schalten und walten können, ohne das Parlament zu fragen! 2



In Zeiten von Haushaltsüberschüssen, den zu erwartenden Belastungen aus der HSH Nordbank und angesichts von fast 28,7 Mrd. Euro Altschulden wird es dringend Zeit, sich auch über ein höheres Engagement bei der Schuldentilgung Gedanken zu machen. Der Haushaltsentwurf 2020 ist in diesem Punkt wenig ambitioniert: Die Nettotilgung (ohne HSH) fällt im aktuellen Haushaltsjahr auf 36 Mio. Euro, und ab 2021 sind noch 20 Mio. Euro für Tilgung vorgesehen. Frau Finanzministerin, das ist zu wenig! Zwar hat sich die Schwankungsbreite der Zinsausgaben, d.h. die Auswirkungen von Zinssatzsteigerungen auf den Landeshaushalt, deutlich reduziert. 90% des Zinsänderungsrisikos werden durch Zinssicherungsgeschäfte abgedeckt. Damit bleibt das Risiko steigender Zinsen zumindest mittelfristig überschaubar, auf die Zinspolitik der EZB habe ich schon hingewiesen. Ich will zugestehen, Frau Finanzministerin, dass Sie einen Vorschlag für einen Schuldentilgungsplan vorgelegt haben, mit dem sich derzeit der Finanzausschuss beschäftigt. Aber wenn die Zinsausgaben die große Unbekannte in Ihrer Finanzplanung sind, dann kann 2100 nicht die Antwort sein. Der Kollege Vogt hat vorhin verkündet, er „wolle kaum Schulden haben“; der Kollege Koch beklagte sich gar darüber, dass man „heute und für alle Zeiten Zinsen zahlen müsse“. Da sage ich: Dann tilgen Sie doch mal! So passt das vorne und hinten nicht zusammen!
Was mich aber inzwischen doch ein bisschen beunruhigt, ist der stetige Personalaufwuchs. Unbestritten, im Bereich der Polizei, bei den Lehrkräften, in der Justiz gibt es einen wachsenden Personalbedarf. Der Stellenplan wächst aber auch außerhalb dieser Bereiche, und zwar kräftig. Aber werden auch irgendwo Stellen eingespart? Wo fallen nach Neu- oder Umorganisationen Stellen weg? Gibt es eine Aufgabenkritik? Wenn Sie darauf keine Antwort haben, dürfen Sie sich nicht wundern, dass die Personalkosten steigen!
Ich will auch einige Worte zur Schuldenbremse sagen. Die Regierung schlägt uns mit dem Haushaltsbegleitgesetz eine Änderung der Regelungen zur Schuldenbremse vor. Damit soll die grundsätzliche Übernahme der Regeln des Stabilitätsrats ins Landesrecht erfolgen. Und gleichzeitig die Übernahme von Gestaltungsmöglichkeiten, die die Landesregierung künftig ausnützen will. Zum Beispiel, in dem sie eine Konjunkturbereinigung vorsieht. Ziel dieser Bereinigung ist es, die Einnahmen des Landes von den Schwankungen der wirtschaftlichen Entwicklung unabhängig zu machen, umso eine Verstetigung und damit letztlich eine höhere Planungssicherheit für den Landeshaushalt zu erreichen. In konjunkturell guten Phasen ist eine Tilgung vorzunehmen, während in konjunkturell schlechten Phasen eine Kreditaufnahme erfolgen darf. Finanzielle Transaktionen und der Kommunale Finanzausgleich werden herausgerechnet und die Bildung und Nutzung von schuldenbremsenneutralen Rücklagen erleichtert. Die Schuldenbremse wird also nachjustiert, flexibler gemacht. In der vergangenen Legislaturperiode hat Herr Koch der Küstenkoalition bei einer ähnlichen Anpassung übrigens 3



vorgeworfen, die Vorgaben der Schuldenbremse aufzuweichen, um mehr Geld ausgeben zu können. So ändern sich die Zeiten – oder sollte ich sagen, das Sein bestimmt das Bewusstsein? Umso mehr habe ich mich über Ihr nahezu leidenschaftliches Bekenntnis zur Schuldenbremse gefreut, Herr Koch! Kollege Lasse Petersdotter von den Grünen allerdings hat in der letzten Woche über „Schuldenbremse - Ausweg oder Irrweg?“ diskutiert. Klären Sie in der Koalition doch erst mal, wie Sie zur Schuldenbremse stehen, dann können wir weiterreden.
Ich möchte aber auch noch einen kurzen Blick auf die Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen werfen. Keine Angst, ich spreche nicht von der Reform des FAG. Mir geht es um das Abrechnungsverfahren für die Sozial- und die Eingliederungshilfe. Die Abrechnungen zeigen – wie erwartet – einen steigenden Bedarf für die Eingliederungshilfe. Folgerichtig steigt der Landesteil an der Finanzierung von 79% auf 81,6%. Dafür müssen Sie sich aber nicht loben, diese Erstattung steht den Kommunen im Rahmen der Konnexität zu. Anders sieht es aus bei der Abrechnung der Sozialhilfe. Die Küstenkoalition hatte 2015 eine einvernehmliche Einigung mit den Kommunen über die Finanzierung der Sozialhilfe erreicht. Da wurde so lange verhandelt, bis es ein Ergebnis gab! Das Land übernahm 79 % der Sozialhilfe, die Kommunen hatten 21 % zu tragen. Das Land stellte Kreisen und kreisfreien Städten jährlich Budgets zur Verfügung und kalkulierte Ausgabensteigerungen von 2,5 % ein. Schöpften die Kommunen ihre Budgets nicht aus, sollten sie mindestens zur Hälfte den Überschuss behalten dürfen. Fehlte Geld, hatte das Land eine Nachschusspflicht. Jetzt wird „spitz“ abgerechnet – das kann man im Grundsatz sogar richtig finden. Schließlich hat die Überprüfung ergeben, dass die Sozialhilfe durch das Land überzahlt wurde. Kein Wunder, das war ja ein Budget! Dass die Landesregierung diese Änderung jetzt nicht in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren macht, sondern en passant im Haushaltsbegleitgesetz, finde ich bemerkenswert. Für das Jahr 2017 hätte das Land nach dieser neuen Berechnungsmethode 35 Mio. Euro weniger an die Kommunen zahlen müssen – ein gutes Geschäft für das Land! Sie greifen den Kommunen erst in die Tasche und nehmen ihnen Geld weg, um es dann im Rahmen der Kita-Reform großzügig wieder zurück zu geben. Das ist das Gegenteil von einem partnerschaftlichen Umgang mit den Kommunen – das ist Rosstäuscherei.
Mit ein wenig Sorge habe ich vorhin gehört, Jamaika habe bei der Umsetzung des Grundsteuerkompromisses in SH noch Beratungsbedarf. Was soll das denn heißen, bitte? Schlimm genug, dass der Gesetzentwurf auf Bundesebene jetzt eine weitreichende Öffnungsklausel enthält. Der die Frau Finanzministerin – so hat sie hier im Haus im Mai erklärt – nur zustimmen wollte, damit die Grundsteuer nicht wegfällt und den Kommunen in Deutschland 14 Milliarden Euro fehlen. Haben Sie da für SH jetzt doch andere Pläne? Dann auf den Tisch damit! Sie können nicht mit den Kommunen über das FAG und eine bedarfsgerechte 4



Finanzausstattung verhandeln und ihnen gleichzeitig Steuereinnahmen wegnehmen! Wir haben viel zu tun im Finanzausschuss – ich freue mich auf die Beratungen.“