Jette Waldinger-Thiering: Ein zahnloser Tiger
Presseinformation Kiel, den 29.08.2019Es gilt das gesprochene WortJette Waldinger-Thiering TOP 24+32 Tierwohllabel und Nutztierstrategie jetzt umsetzen und Tierexporte in tierschutzrechtlich problematische Staaten stoppen Drs. 19/1291, 19/1332, 19/1530 und 19/1616 „Statt konsequent im Sinne des Tierschutzes zu handeln und statt Rechtsicherheit für die Veterinäre und Kreise zu schaffen, geht aus dem Antrag eigentlich nur hervor, warum die Hände gebunden sind.“Die schockierende Berichterstattung zu den Transport- und Schlachtbedingungen vonExportrindern liegt gerade mal ein dreiviertel Jahr zurück. In der Debatte im März haben sichfast alle Redner entsprechend betroffen gezeigt. Und zwar völlig zu Recht: Nicht zuletzt dasBildmaterial, das wir im späteren Verlauf im Ausschuss gesehen haben, ist wirklich absolutgrauenvoll. Und doch ist natürlich auch bei diesem Thema ein differenzierter Blick nötig.Vorsichtig formuliert lässt sich aber eins festhalten: Wir haben mittlerweile mehr als genügendBelege dafür, dass die Schlacht- und Transportbedingungen zumindest nicht für alle Rinder, dievon hier exportiert werden, in Ordnung sind. 2Aus Sicht des SSW ist es völlig egal, ob wir hier über 1 Rind oder über 1.000 Rinder reden. Unsgeht es ums Prinzip. Und wenn Tiere tagelang zusammengepfercht auf einem Transporterstehen ohne Wasser und Futter oder wenn ihnen vor der Schlachtung Sehnen durchtrenntwerden, um sie bewegungsunfähig zu machen, dann ist und bleibt das Tierquälerei. UnserTierschutzgesetz gibt aber unmissverständlich vor, dass keinem Tier ohne vernünftigen GrundSchmerzen, Schäden oder Leiden zugefügt werden darf. Warum soll dieser Grundsatz dennplötzlich nicht mehr gelten, nur weil Tiere exportiert werden? Oder anderes gefragt: Ist es ein„vernünftiger Grund“, wenn Viehhändler oder Viehzüchter eventuell ein wenig mehrverdienen, weil sie ihre Tiere in Drittländer verfrachten? Hier sage ich ganz klar, dass wir diesePraktiken nicht mehr dulden wollen und nicht mehr dulden dürfen.Die Anhörungen im Ausschuss waren für uns alle erhellend und sie haben das Problemnochmal verdeutlicht. Leider müssen wir feststellen, dass die Koalition hieraus aber nicht dierichtigen Schlüsse gezogen hat, denn die Beschlussempfehlung des Ausschusses ist nichtsweiter als weiße Salbe. Damit erreichen wir genau: gar nichts!Im Gegenteil, der Erlass des Ministeriums schafft eben keine rechtliche Klarheit. EineRechtssicherheit für die Veterinäre und Kreise ist durch den Erlass nicht gegeben. DasMinisterium verhält sich in dieser Sache auffällig zurückhaltend. Die Kreise lässt man soweiterhin im Regen stehen.Zudem frage ich mich, warum in der Beschlussempfehlung gefordert wird, die Kontroll- undVersorgungsstationen auf den Transportrouten auf ihre Existenz und Geeignetheit umfassendzu überprüfen. So erweckt es doch sehr den Anschein, dass es überhaupt keine geeignetenRouten gibt. Was letztendlich bestätigt, dass die Tiere auf diesen Routen elendzusammengepfercht ihrem Schicksal überlassen werden und wir hier tatenlos zusehen.Statt konsequent im Sinne des Tierschutzes zu handeln und statt Rechtsicherheit für dieVeterinäre und Kreise zu schaffen, geht aus dem Antrag eigentlich nur hervor, warum dieHände gebunden sind. Immer schön mit dem Verweis auf die EU-Ebene und das EU-Recht und 3schon ist man aus dem Schneider. Damit machen wir unser Tierschutzgesetz zu einemzahnlosen Tiger.Ich will nicht bestreiten, dass wir uns hier in einem komplexen Rechtsgeflecht befinden. DieLösungen sind gewiss nicht in greifbarer Nähe, aber mit ihrem Antrag macht sich die Koalitioneinen schlanken Fuß.Nicht nur die Diskussion um die Tiertransporte macht deutlich, dass wir im Bereich Tierschutzund Tierwohl noch viel zu tun haben. Auch die Diskussion um ein Tierwohllabel zeigt, dass dieAnsätze durchaus unterschiedlich sind. Dem Einen geht’s zu weit, dem Anderen nicht weitgenug. Richtig ist aber, dass 86% der Verbraucher bei tierischen Produkten nähere Angaben zuden Haltungsbedingungen haben möchten. Und 81% der Verbraucher wünschen sich einTierwohllabel. So ist es dem aktuellen Ernährungsreport desBundeslandwirtschaftsministeriums zu entnehmen. Das zeigt den hohen gesellschaftlichenStellenwert des Tierwohls. Es macht auf der anderen Seite aber auch deutlich, dass es einegewisse Skepsis gegenüber der Produktionsmethoden in der Landwirtschaft gibt. Hier sindAufklärung und Transparenz gefragt. Ein staatliches Tierwohllabel kann hier einen Beitragleisten. Aber es muss, wie im Antrag gefordert staatlich verpflichtend sein und vor allem mussdie Kontrolle von staatlicher Seite erfolgen.Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuelles/mediathek/