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29.05.19
14:20 Uhr
Landtag

Mehr Plattdüütsch in de Pleeg: Bundesraat för Nedderdüütsch überreicht Wittstocker Erklärung im Kieler Landeshaus

Nr. 118 / 29. Mai 2019

Mehr Plattdüütsch in de Pleeg: Bundesraat för Nedderdüütsch überreicht Wittstocker Erklärung im Kieler Landeshaus
Landtagspräsident Klaus Schlie und Minderheitenbeauftragter Johannes Callsen empfingen am Dienstag (28. Mai) die schleswig-holsteinischen Delegierten des Bundesraat för Nedderdüütsch (BfN) und die Leiterin des Niederdeutschsekretariats im Landeshaus. Anlass des Gesprächs war die „Wittstocker Erklärung zur Anerkennung der Regionalsprache Niederdeutsch als Teil eines Pflege- und Betreuungskonzeptes in sozialen Einrichtungen“. Hierin werden die Landesregierungen aller acht Niederdeutschländer aufgefordert, die Regionalsprache als Teil des Gesamtkonzepts zur Pflege und Betreuung anzuerkennen und entsprechende Maßnahmen zu initiieren.
Die Leiterin des Niederdeutschsekretariats Christiane Ehlers stellte die Notwendigkeit heraus, die Regionalsprache Niederdeutsch als pflegerische und therapeutische Tätigkeit anzuerkennen sowie diese verpflichtend als Unterrichtsfach in der Ausbildung einzuführen. Gemeinsam mit Parlamentspräsident Klaus Schlie und Johannes Callsen loteten die BfN-Delegierten Marianne Ehlers und Heiko Gauert konkrete Möglichkeiten aus, die Forderungen der Sprechergruppe im Land Schleswig-Holstein umzusetzen. „Die Wittstocker Erklärung gibt interessante Anregungen auch für die Weiterentwicklung in Schleswig-Holstein, denn besonders in der Pflege kann Plattdeutsch den Zugang zu den Menschen erleichtern“, so der Minderheitenbeauftragte Johannes Callsen. Landtagspräsident Klaus Schlie dankte dem BfN für die intensive Vorarbeit und regte an, zur Wittstocker Erklärung eine landespolitische Debatte zu initiieren.
Hintergrund:
Der BfN setzt sich seit Jahren für den Gebrauch der niederdeutschen Sprache in sozialen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Altenheimen, Hospizen und weiteren Pflegeeinrichtungen ein. 2

Die Berücksichtigung der Muttersprache im sozialen, therapeutischen, pflegerischen und seelsorgerischen Bereich nimmt eine immer wichtigere Rolle ein. Daher hatte der BfN gemeinsam mit dem Verein für Niederdeutsch im Land Brandenburg e. V. Anfang Mai zu der Tagung „Plattdüütsch in de Pleeg“ nach Wittstock eingeladen. Expertinnen und Experten, Verantwortliche aus der Verwaltung, Menschen, die in der Pflege und in der Ausbildung von Pflegekräften arbeiten, und weitere Interessierte stellten neue Entwicklungen an Praxisbeispielen vor und diskutierten die notwendigen Maßnahmen, um die Regionalsprache in diesem Bereich weiter zu etablieren.
Die Erklärung wurde zusammen mit dem Erinnnerungsbuch „Weetst du noch?“ übergeben, das der BfN zusammen mit der Oldenburgischen Landschaft herausgegeben hat. Das Buch soll als Unterstützung für erste Schritte in der muttersprachlichen Begegnung und Kommunikation mit Pflegebedürftigen dienen. Wittstocker Erklärung zur Anerkennung der Regionalsprache Niederdeutsch als Teil eines Pflege- und Betreuungskonzeptes in sozialen Einrichtungen

1. Der Bundesraat för Nedderdüütsch als sprachpolitische Vertretung der niederdeutschen Sprechergruppe setzt sich für den Schutz und die aktive Förderung der Regionalsprache Nie- derdeutsch in allen Bereichen des öffentlichen Lebens ein. Dazu zählen insbesondere der Bil- dungsbereich, Justiz, Verwaltung und öffentliche Dienstleistungseinrichtungen, die Medien, der Kulturbereich sowie das wirtschaftliche und soziale Leben. 2. Soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser, Altenheime, Hospize und weitere Pflegeeinrich- tungen tragen eine besondere Verantwortung dafür, dass Niederdeutschsprecher*innen sowie Sprecher*innen von Minderheitensprachen, die einer pflegerischen oder therapeuti- schen Betreuung bedürfen, in ihrer eigenen Sprache aufgenommen und behandelt werden (Artikel 13, 2c der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen). Der Bun- desraat för Nedderdüütsch fordert die Träger dieser Einrichtungen auf, die Gespräche zwi- schen Mitarbeiter*innen und zu Betreuenden in der Regionalsprache Niederdeutsch nicht nur im Rahmen der Biografiearbeit ausdrücklich als pflegerische und therapeutische Tätigkeit an- zuerkennen. 3. Um die niederdeutschen Sprachkenntnisse der Mitarbeiter*innen sozialer Einrichtungen zu gewährleisten, fordert der Bundesraat för Nedderdüütsch besonders die Berufsfachschulen für Gesundheit und Pflege in den entsprechenden Regionen auf, die niederdeutsche Sprache ver- pflichtend als Unterrichtsfach mit einer angemessenen Stundenzahl und festgeschriebenen Lernzielen oder als Unterrichtssprache in mindestens einem Lernfeld einzuführen. 4. Weiterhin hält es der Bundesraat för Nedderdüütsch für dringend geboten, interdisziplinäre Studien zur Rolle der Erstsprache im Prozess des Gedächtnisverlustes von Demenzpatient*in- nen im Rahmen der allgemeinen Demenzforschung einzufordern, damit bereits vorhandene und zukünftige Projekte wissenschaftlich begleitet werden können. Die Forderung nach einer Dokumentation der Verwendung des Niederdeutschen in sozialen Einrichtungen wird bekräf- tigt (Schleswiger Appell 2008). 5. Der Bundesraat för Nedderdüütsch appelliert an die Landesregierungen aller acht Bundes- länder, in denen niederdeutsch gesprochen wird, die niederdeutsche Sprache als Teil des Gesamtkonzeptes zur Pflege und Betreuung anzuerkennen und entsprechende Maßnahmen zu unterstützen bzw. aktiv zu initiieren.

Verfasst anlässlich der Tagung „Plattdüütsch in de Pleeg“ des Bundesraat för Nedderdüütsch und des Vereins für Niederdeutsch in Brandenburg e.V. am 03. Mai 2019 in Wittstock/Dosse.
Der Bundesraat för Nedderdüütsch vertritt die sprachpolitischen Interessen der Niederdeutschsprecher*innen aus den Ländern Branden- burg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein sowie der Gruppe der Plautdietschsprecher*innen.