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06.03.19
12:53 Uhr
SSW

Lars Harms: Kein anonymisierter Filter, der die Freiheit im Netz massiv einschränkt

Presseinformation Kiel, den 6. 3. 2019


Es gilt das gesprochene Wort



TOP 25 Upload-Filter
Drs. 19/1311


Lars Harms: „Upload Filter als Mittel der Urheberrechtssicherung sind falsch.
Vernünftige Abkommen zwischen Verwertungsgesellschaften und den
großen Plattformen wären sicherlich der bessere Weg.“
In diesem Monat wird das Europäische Parlament endgültig über das neue Urheberrechtgesetz
im Netz entscheiden. Bereits am Wochenende kam es zu großen Demos. Immer mehr junge

Menschen, für die das Netz zum Alltag gehört, protestieren für die Freiheit im Netz. Viele
Menschen fürchten, dass die Urheberrechtsreform die Kreativität der Nutzer blockieren oder

behindern wird.
Um es vorweg zu schicken: freie Mitarbeiter von Verlagen, Musiker, Designer, Filmschaffende

und viele andere haben bislang in Sachen Honorar oftmals das Nachsehen. Allzu unbekümmert
wird geistiges Eigentum im Netz missachtet. Die Rechteinhaber schauen dann in die Röhre. Da

ihre Kreativität ihre Lebensgrundlage ist, ist das durchaus existenzgefährdend. Doch das, was 2

uns jetzt vorliegt, schüttet das Kind mit dem Bade aus. Das ist Urheberrechtsschutz mit der

Brechstange.
Ich bin nämlich, so wie viele Experten, überzeigt, dass die großen Plattformen wie YouTube und

Co nur mittels automatisierter Upload Filter zukünftig die gesetzlichen Bedingungen des
neuen europäischen Urheberrechts gewährleisten können. Vernünftige Abkommen zwischen

Verwertungsgesellschaften und den großen Plattformen wären aber sicherlich der bessere
Weg.



Wenn wir schon beim Weg sind: Leider befinden sich auch die regierungstragenden Fraktionen

auf dem Holzweg. Ich möchte auch begründen, warum ich das meine: Ein Parlament soll die
Entscheidung eines anderen Parlamentes, das die Entscheidung im Übrigen noch gar nicht

getroffen hat, bedauern. Das ist der Kern des vorliegenden Antrags. Aber per Resolution eine
Entscheidung eines frei gewählten Parlamentes mit erhobenem Zeigefinder zu kritisieren, ist

zumindest unglücklich. Dass dann die EU im Antrag in Sachen Freiheit in einem Atemzug mit
Russland und China genannt wird, passt dann auch nicht wirklich. Deshalb haben wir einen
Änderungsantrag gestellt, der ganz klar ist: Das EU-Parlament wird gebeten, die Richtlinie so
nicht zu beschließen und die Bundesregierung wird aufgefordert, sich über die EU-Kommission
und im Rat der EU gegen die Richtlinie in der derzeitigen Form zu wenden.



Denn eines ist klar: Diese europäische Urheberrechtsreform ist falsch!
Erstens: Das Netz lebt von der Kreativität und dem Publikationsrecht seiner Nutzer. Noch vor

einer Generation gab es kaum Möglichkeiten des globalen Austausches in großen Foren. Da 3

musste man sich schon besuchen. Heute kommunizieren wir über Bilder und Sequenzen, die

ein Einzelner in einen neuen Kontext setzt und die dann in den sozialen Medien kommuniziert.
So entwickelt sich ein kreativer Austausch über mehrere Zeitzonen und Sprachen hinweg.

Nicht das meiste Geld oder die größte Zeitung entscheiden, worüber diskutiert wird, sondern
die Bürgerinnen und Bürger. Sie wurden durchs Internet und den Austausch im Web selbst zu

Sendern. So soll es bleiben.
Zweitens: Derzeit kursiert ein Ausschnitt aus dem Film Pulp Fiction, in der die Waffenpolitik der

Trump Regierung kritisiert wird. Ein Upload Filter würde hier eine Urheberrechtsverletzung
erkennen und löschen. Damit wird Kritik und Kommunikation verhindert. Ein Upload-Filter

kann gar nicht die Kritik oder die Inhalte bewerten; er ist auf das Erkennen von
Urheberrechtsverletzungen programmiert. Damit würden Millionen Botschaften gelöscht und

die Kritik gleich mit. Übrigens haben sich unter anderem deswegen Filmverbände und
Sportligen ans EU-Parlament gewandt, weil sie ein Monopol und ein Preisdiktat der großen

Plattformen fürchten. Sie wollen, dass Sport und Filme aus dem Geltungsbereich der
Urheberrechtsreform herausgenommen werden.
Drittens: Gerade die Gruppen, die einen erschwerten Zugang zu offiziellen Medien haben,
nutzen soziale Medien als wichtige Informations- und Veröffentlichungskanäle. Ein Upload
Filter würde zur berühmten Schere im Kopf führen. Bevor ein Inhalt gepostet wird, stellt man
sich die Frage, ob damit eventuell ein Urheberrecht infrage gestellt wird. Um sich Arbeit zu
sparen, reagiert man dann schon präventiv auf Urheberrechtsverletzungen. Damit
beschneiden wir uns selbst. Demokratietechnisch ist das ein völlig falscher Weg! 4

Viertens: Ein Upload Filter kann nur funktionieren, wenn er ausreichend Vergleichsmaterial

hat. Welche Datenmengen da im Hintergrund gesammelt werden müssten, ist bislang noch
völlig unklar; auch die Datensicherheit ist offen. Klar ist dagegen, dass der Stromfresser

Internet noch einmal kräftigen Stromdurst entwickeln wird. Das ist ökologisch gesehen völlig
falsch.

Zusammen gefasst ist klar: Upload Filter als Mittel der Urheberrechtssicherung sind falsch. Die
Bundesregierung sollte über die EU-Kommission noch einmal neue Vorschläge einspeisen. Alles

ist besser als ein anonymisierter Filter, der die Freiheit im Netz massiv einschränkt.



Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html