Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
15.02.19
13:10 Uhr
SSW

Flemming Meyer: Wir müssen die Anstrengungen der Jugendlichen würdigen

Presseinformation Kiel, den 15.02.2019

Es gilt das gesprochene Wort



Flemming Meyer TOP 29 Mindestvergütung für Auszubildende einführen Drs. 19/1239

„Viele Jugendliche, die keinen betrieblichen Ausbildungsplatz ergattern konnten, fühlten sich durch die geringe Höhe ihrer Vergütung doppelt bestraft.“

Auszubildende sind ausdrücklich vom Mindestlohngesetz ausgenommen. Im §22 des Gesetzes
heißt es: „Von diesem Gesetz nicht geregelt wird die Vergütung von zu ihrer Berufsausbildung
Beschäftigten“. Die Auszubildenden würden schließlich nicht arbeiten, sondern lernen. Aber es
muss eine Untergrenze für jeden Jugendlichen geben, der in der beruflichen Ausbildung steht.
Tatsächlich bekommen aber Auszubildende, die in der Berufsschule eine Berufsschulausbildung
machen, gar kein Geld. Das ist falsch. Hier ist das Land gefragt, diesen Jugendlichen zu
signalisieren, dass es seine Anstrengungen würdigt.



Alle anderen Auszubildenden haben Anspruch auf 80% der tarifvertraglich vereinbarten
Vergütung. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Betrieb den Tarif nun tatsächlich anerkennt oder 2
nicht. Das sage ich ausdrücklich in Richtung derjenigen, die meinen, dass sich
Mindestvergütungen und Tarifautonomie nicht vertragen würden. Sogar der Deutsche
Gewerkschaftsbund begrüßt eine gesetzliche Regelung, weil nur so Arbeitgebern beizukommen
ist, die nicht mit Gewerkschaften verhandeln wollen.
Für öffentlich geförderte Ausbildungen wurde erst 2015 eine Untergrenze gerichtlich festgelegt.
Damals klagte eine Verkäuferin erfolgreich dafür, dass auch für einen öffentlich geförderten
Ausbildungsplatz eine Untergrenze gilt. In Ostthüringen hatte sich die junge Frau über ein Bund-
Länder-Programm zur Verkäuferin ausbilden lassen, wofür sie monatlich 210 Euro im ersten und
217 Euro im zweiten Lehrjahr bekam. Das ist ein sehr geringes Taschengeld. Sie konnte aber eine
Nachzahlung erstreiten, angelehnt an den Bafög-Satz. Die neue Untergrenze liegt damit bei
zwei Drittel vom elternabhängigen Bafög; das waren 2015 310 Euro.



Auch davon kann keine Auszubildende selbständig leben, eine Wohnung mieten und die
Fahrtkosten stemmen. Die Untergrenze war aber vor vier Jahren ein Riesenschritt gegen die
Diskriminierung öffentlich geförderter Ausbildung. Viele Jugendliche, die keinen betrieblichen
Ausbildungsplatz ergattern konnten, fühlten sich durch die geringe Höhe ihrer Vergütung
doppelt bestraft. Dem haben die Arbeitsrichter in Erfurt einen Riegel vorgeschoben.
Nun hat der Facharbeitermangel neue Bewegung in die Debatte gebracht. Viele Betriebe können
nämlich ihre Ausbildungsplätze nicht mehr besetzen. Das hat zu einem generellen Umdenken
geführt.



Die Bundesbildungsministerin will darum nun eine Untergrenze gesetzlich festlegen; und zwar
laut Zeitungsberichten wohl in Höhe von 504 Euro für das erste Ausbildungsjahr.
Vor allem die unteren Vergütungen würden von der Regelung profitieren, wie angehende
Friseurinnen. Aktuell liegt ihre Vergütung laut DGB-Ausbildungsreport bei durchschnittlich 406
Euro. Diese niedrige Vergütung im Friseurhandwerk sei nach Aussage des Deutschen 3
Gewerkschaftsbunds eines der Hauptgründe, dass bei den Friseurinnen und Friseuren die
Abbrecherquote bei rund 50 Prozent liegt. Von den 10.000 angehenden Friseurinnen brechen
jedes Jahr bundesweit 5.000 ihre Ausbildung ab. Hier ist der Bedarf nach einer Untergrenze
offensichtlich besonders hoch; die Bereitschaft der Betriebe, diese zu zahlen, wohl aber auch sehr
niedrig. Schon heute unterbieten einzelnen Salons den Mindestlohn; Kontrollen haben sie aber
kaum zu fürchten. Auch hier muss sich übrigens etwas ändern. Der DGB fordert eine Untergrenze
von 635 Euro und bezieht sich damit auf den Koalitionsvertrag, in dem CDU und SPD eine
Neuregelung vereinbart hatten.



Nun legt die SPD-Fraktion Schleswig-Holstein einen weiteren Vorschlag auf den Tisch. In dem
Antrag wird keine konkrete Untergrenze in Euro und Cent benannt, sondern ein Index über alle
Vergütungen aller Branchen hinweg gefordert. Das setzt komplizierte Rechnungen voraus, die
außerdem noch die Branchenunterschiede außen vor lassen. Ist das wirklich der richtige Weg,
denn schließlich gibt es große Unterschiede bei den Vergütungen? Ein angehender Gerüstbauer
erhält eine höhere Vergütung als eine Friseurin. Kann man beide Branchen überhaupt
vergleichen? Eine branchenübergreifende Regelung würde außerdem einen enormen Sprung bei
vielen Vergütungen bedeuten. Laut DGB-Ausbildungsreport lag 2018 die durchschnittliche
Vergütung nämlich bei 876 Euro. 80% davon sind 702 Euro. Ich denke nicht, dass das eine
realistische Forderung für eine gesetzliche Untergrenze ist. Wir sollten diese und andere Fragen
im zuständigen Ausschuss vertiefen.