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25.01.19
12:39 Uhr
SSW

Jette Waldinger-Thiering: Grenzüberschreitender Arbeitsmarkt - Minderheiten als Brückenbauer

Presseinformation Kiel, den 25. 1. 2019

Es gilt das gesprochene Wort



Jette Waldinger-Thiering TOP 27 Bessere soziale Absicherung innerhalb Europas Drs. 19/1165

„Schade, dass die regierungstragenden Fraktionen die entsprechenden
Beratungsangebote gar nicht kennen.“


Die Freizügigkeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, ein Grundrecht innerhalb der
Europäischen Union und eines ihrer Grundfesten, wird im Grenzland gelebt; täglich und schon
seit vielen Jahren. Aktuell überqueren mehr als 14.000 Pendler jeden Tag die Grenze zwischen
Deutschland und Dänemark; für manche Pendler ist das eine Übergangsphase bis sie ganz
übersiedeln. Wie ich immer wieder höre, sind es vor allem die guten Arbeitsbedingungen, die
nach Dänemark locken: am Arbeitsplatz ist mehr Autonomie und freie Entfaltung möglich, der
Umgang auch mit Vorgesetzten ist entspannter als in Deutschland und nicht zuletzt winken
bessere Karrierechancen und gute Weiterbildungsmöglichkeiten. Darum arbeiten viele deutsche
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Dänemark. 2
Der gemeinsame Arbeitsmarkt ist gelebte Realität, was auch die regelmäßigen Konsultationen
der deutschen und dänischen Arbeitsverwaltung, der Arbeitgeber und der Gewerkschaften
belegen. Diese Kooperationen – das sei an dieser Stelle kurz angemerkt – werden sich wohl mit
dem Rückzug der Regionen in Dänemark verändern müssen. Ich bin durchaus besorgt, dass wir
südlich der Grenze viele Dinge neuen Akteuren nördlich der Grenze wieder einmal neu erklären
müssen.
Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich die Rolle der Minderheiten als Brückenbauer
hervorheben. Das wirkt als Vorbild. In Deutschland zu leben und in Dänemark zu arbeiten und
umgekehrt, erleben inzwischen auch Viele in der Mehrheitsbevölkerung als Bereicherung. Ich
behaupte, dass ein besseres Angebot an Dänisch-Unterricht an Schulen in Deutschland mehr
Menschen die Wahlmöglichkeit gewähren würde, in Dänemark zu arbeiten.
Aber es gibt auch Probleme. Viele Grenzpendler haben teilweise finanzielle Einbußen durch die
Arbeit jenseits der Grenze und müssen sich ihren eigenen Weg durch den bürokratischen
Dschungel bahnen. Manche scheitern in breitbandlosen schleswig-holsteinischen Dörfern an den
Erfordernissen eines elektronischen Briefkastens, mittels dessen dänische Betriebe und Behörden
agieren. Ob Folkepension oder Urlaubsansprüche: die beiden Länder haben jeweils andere
Voraussetzungen, Anwartschaften und Regelungen. Da können Pendler schon einmal zwischen
die Räder geraten. In diesen Fällen helfen EURES, Regionskontor, Grenzpendlerorganisationen
und Gewerkschaften. Dort werden die Pendler beraten und an die zuständigen Stellen verwiesen.
Von dort gibt es auch den Ratschlag, den Arbeitsvertrag vor Unterzeichnung erst einmal
vorzulegen, damit er an die Situation des Grenzpendlers angepasst werden kann.
Die Beratung funktioniert bereits seit vielen Jahren bzw. Jahrzehnten. Daher musste ich erst
einmal schauen, ob der Antrag das aktuelle Datum trägt. Ja, tatsächlich. Dabei hätte er auch
schon vor zehn Jahren gleichlautend vorgelegt werden können. Schade, dass die
regierungstragenden Fraktionen die entsprechenden Beratungsangebote gar nicht kennen.
Diese Beratung überwindet Probleme. Die soziale Absicherung ist Realität; man kann durchaus 3
jenseits der Grenze einen Arbeitsplatz finden und antreten. Der Systemübertritt hat aber
durchaus Konsequenzen. Aufgabe der Politik ist es dabei, die negativen Folgen möglichst gering
zu halten. Um das tun zu können, müssen die Probleme der Pendler bekannt sein. Die aktuellen
Infomaterialien und Broschüren listen Probleme auf. Dabei muss man manchmal den Kopf
schütteln, warum sie noch nicht behoben sind. So kostet die Übersetzung von Formularen zur
Riester-Rente die Grenzpendler richtig viel Geld. Hier könnte eine Verwaltungsvereinbarung
schnelle, unbürokratische Hilfe schaffen. Die doppelte Besteuerung von Betriebsrenten oder
Probleme für deutsche Rentner in Dänemark, in der deutschen Krankenversicherung zu bleiben,
sind ebenfalls ärgerlich, weil unproblematisch lösbar.
Sie merken: die allermeisten Probleme entstehen im Zusammenhang mit Krankenkasse, Steuer
oder Rente. Kompetenzen, diese Probleme dauerhaft zu beheben, liegen aber nicht hier in Kiel,
sondern in Brüssel bzw. Straßburg und in Berlin und Kopenhagen. Schleswig-Holstein kann
Urlaubs-, Renten- oder Krankenversicherungsregelungen gar nicht ändern. Da müssen
Bundestag oder Bundesrat ran.
Das sollten die auch schleunigst tun, denn wenn Dänemark und Deutschland durch den neuen
Fehmarnbelt-Tunnel noch enger zusammenrücken, wird auch die Zahl der Pendler steigen. Dann
sollte es sich allemal lohnen, Gesetzeslücken zu schließen und die Harmonisierung der
Sozialregelungen voranzutreiben.



Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html