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24.01.19
10:42 Uhr
SSW

Flemming Meyer: Jamaika fördert Lohndumping

Presseinformation Kiel, den 24.01.2019

Es gilt das gesprochene Wort



Flemming Meyer TOP 03 Gesetz zur Veränderung des Vergaberechts in Schleswig- Holstein Drs. 19/1171

„Wer aufgrund einer Ausschreibung seinen tariflich bezahlten Job verlieren kann, der ist nicht kreditwürdig. Er ist nicht von seiner Arbeitsleistung abhängig, sondern nur von äußeren Umständen, die er selbst nicht zu vertreten hat. Für einen abhängig beschäftigten Menschen ist das unzumutbar.“



Mit der heutigen abschließenden Lesung und Abstimmung zum Gesetzentwurf der
Landesregierung zur Änderung des Vergaberechts, verabschiedet Schleswig-Holstein sich von
seinem bisherigen Tariftreue- und Vergabegesetz. Und ich muss sagen, für uns als SSW ist dies
kein schöner Tag, denn wir haben seinerzeit das Tariftreugesetz für Schleswig-Holstein auf den
Weg gebracht. Aber es geht hierbei nicht um uns. Es geht um die Menschen, die unmittelbar von
diesem Gesetz betroffen sind. Denn mit dem Gesetzentwurf, wie ihn die Landesregierung 2
vorgelegt hat, befürchten wir, dass damit der Schutz der Arbeitnehmer gefährdet ist. Der
Entwurf fördert Lohndumping und bringt damit unsere kleinen und mittleren Betriebe in Gefahr.
Das kann doch nicht gewollt sein und aus diesem Grund haben wir als SSW unmittelbar zur 1.
Lesung einen Änderungsantrag eingebracht. Und es war richtig, dieses Verfahren zu wählen, um
noch einmal deutlich auf den Irrweg hinzuweisen, den die Jamaika-Koalition hier geht.
In der Anhörung wurde deutlich, dass unsere Kritik am Gesetzentwurf der Landesregierung
berechtigt war. Dort waren es gerade die arbeitnehmernahen Verbände und Organisationen, die
in dem Gesetzentwurf der Landesregierung eine erhebliche Verschlechterung für die
Beschäftigten sehen, die von Vergaben betroffen sind.
Auf der anderen Seite, kam gerade von wirtschaftsnahen Verbänden das Lob, dass der
Gesetzentwurf der Landesregierung angeblich einen Bürokratieabbau darstellt.
Wir haben es hier also mit zwei Aspekten zu tun, die gegeneinander abzuwägen sind. Auf der
einen Seite faire und gute Löhne für die Beschäftigten. Auf der anderen Seite Bürokratieaufwand.
Dazu kann ich nur sagen, nicht alles was Arbeit macht, ist Bürokratie. Für uns als SSW ist es kein
Bürokratieaufwand, wenn wir uns für sichere und faire Löhne einsetzen. Es ist kein
Bürokratieaufwand, wenn wir als Gesetzgeber dafür sorgen, dass Menschen bei uns im Land, die
für uns die Arbeit machen, mit vernünftigen Löhnen nach Hause gehen können und davon auch
leben können. Es geht hier um die Einhaltung von tariflich vereinbarten Löhnen und es geht um
einen Mindestlohn, der sich am dem Grundentgelt der untersten Entgeltgruppe des öffentlichen
Dienstes der Länder orientiert. Wir reden hier also nicht über Fantasielöhne. Hier unterscheiden
wir uns ganz deutlich von der Jamaika-Koalition, die das nicht will.



Ein weiterer Punkt, der für uns eine wichtige Rolle spielt, ist die Arbeitsplatzsicherung. Konkret
wollen wir, dass die Beschäftigten im Bereich des ÖPNV und des SPNV künftig verbindlich von
einem neuen Anbieter übernommen werden sollen. Das bisherige Gesetz lässt den Kommunen
und Kreisen hier freie Hand, weil dies nicht verpflichtend für sie vorgeschrieben ist. Was das 3
bedeutet erleben wir derzeit im Kreis Schleswig-Flensburg. Dort hat es zu Beginn des Jahres
einen Betreiberwechsel im ÖPNV gegeben und die Angestellten der „alten“ Unternehmen
wurden dort nicht übernommen. Das ist eine Katastrophe für diese Menschen, weil ihre Existenz
gefährdet wird. Wer aufgrund einer Ausschreibung seinen tariflich bezahlten Job verlieren kann,
der ist nicht kreditwürdig. Er ist nicht von seiner Arbeitsleistung abhängig, sondern nur von
äußeren Umständen, die er selbst nicht zu vertreten hat. Für einen abhängig beschäftigten
Menschen ist das unzumutbar.
Das hat aber auch zur Folge, dass der öffentliche Nahverkehr durch den neuen Betreiber nicht
ordentlich gewährleistet wird. Konkret heißt das: Die Fahrer haben keine Ortskenntnisse, das
führt dazu, dass die Busse an falschen Haltestellen halten, Schüler werden an falschen
Haltestellen rausgelassen, Strecken werden nicht regelmäßig bedient, teilweise sprechen die
Fahrer kein Deutsch oder Service-Hotlines sind nur ungenügend besetzt. Diese Zustände sind
unzumutbar. Das ist allein die Konsequenz, weil wir im geltenden Gesetz keine
Übernahmeverpflichtung des „alten“ Personals haben. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir
das ändern. Ein solches Chaos wollen wir verhindern, denn das blüht auch anderen Kreisen, die
bei einem Betreiberwechsel das bisherige Personal nicht übernehmen. Die nächste Vergabe steht
im Kreis Segeberg an und meines Wissens hat der Aufgabenträger dort bislang versäumt die
Personalübernahme anzuordnen.
Ein abschließender Kritikpunkt, den wir auch aus der Anhörung am Gesetzentwurf der
Landesregierung mitnehmen zielt darauf ab, dass künftig soziale, gleichstellungs- und
umweltbezogene Aspekte bei der Vergabe nicht mehr verpflichtend sein sollen. Das ist ein
weiterer Rückschritt im Verhältnis zum bestehenden Gesetz und mit uns nicht zu machen. Früher
waren wir uns da auch mit den Grünen einig. Das scheint aber jetzt nicht mehr so zu sein. Für uns
sind und bleiben aber Umweltkriterien wichtig. Sie sind nicht nur Nice-to-have, sondern müssen
verpflichtender Bestandteil einer Vergabe sein. 4
Wer das Vergabegesetz dahingehend modernisieren möchte, dass es wirtschaftlich sinnvoll ist,
sozial gerecht ist und Umweltstandards verbindlich fordert, der muss deshalb für den Entwurf
des SSW stimmen. Darum bitte ich um eine gesonderte Abstimmung zu unserem
Änderungsantrag zum Gesetzentwurf.



Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html