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23.01.19
17:38 Uhr
SSW

Jette Waldinger-Thiering: Wir müssen den Blick auf präventive Maßnahmen richten

Presseinformation Kiel, den 23.01.2019

Es gilt das gesprochene Wort



Jette Waldinger-Thiering TOP 14+23 Gewalt gegenüber Frauen entschlossen entgegen treten + Geschlechtssensible Asylverfahren umsetzen Drs. 19/1105

„Wir müssen den Blick auf präventive Maßnahmen richten!“

Wenn wir von Gewalt gegenüber Frauen sprechen, verweisen wir manchmal fast
schon routinemäßig auf eine repräsentative Umfrage des
Bundesfamilienministeriums, deren Zahlen seit 2004 immer noch als aktuell gelten.
40% der in Deutschland lebenden Frauen zwischen 16 und 85 haben körperliche
und/oder sexualisierte Gewalt erlebt.
25% der in Deutschland lebenden Frauen haben Gewalt durch aktuelle oder frühere
Partner erlebt.
Opfer von Gewalt in Partnerschaften sind zu 82 % Frauen.
Diese Zahlen dürfen aber nicht Routine bleiben. 2
Mit der Istanbul-Konvention haben wir in Deutschland ein völkerrechtlich bindendes
Übereinkommen zur Hand, das verschiedene Maßnahmen in der Prävention und
Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt vorsieht. Und sie war schon sehr hilfreich.
Die Sexualstrafrechtsreform von 2016 mit „Nein heißt Nein“ beispielsweise fußt auf
der Istanbul-Konvention.
Ihre weitere Umsetzung verlangt Impulse aus staatlichen Stellen in Bund, Ländern und
Kommunen. Deswegen fordern wir, zu prüfen, in wie weit die Ziele der Istanbul-
Konvention durch die im Antrag vorgeschlagenen Maßnahmen in Schleswig-Holstein
umgesetzt werden können. Das Deutsche Institut für Menschenrechte sieht die
Aufgabe der Länder in erster Linie im Ausbau unserer bestehenden Hilfesysteme hin zu
einem barrierefreien Beratungs- und Unterstützungsnetzwerk für Frauen, Kinder und
Männer, die Gewalt ausgesetzt waren. Und wie Sie sehen können, sind die
vorgeschlagenen Kategorien im Antrag daran orientiert.



Eine akute Hilfe für die Frauen ist heute schon das Wegweiserecht, das 2000 von Silke
Hinrichsen angestoßen und 2002 dann eben auf SSW-Initiative hin die Möglichkeit
eröffnet hat, einen polizeilichen Platzverweis für Gewalttäter im häuslichen Bereich
auszusprechen. Bis zu 14 Tage haben gewalttätige Männer dann keinen Zutritt zur
gemeinsamen Wohnung und die Opfer sind vorläufig vor weiteren Übergriffen
geschützt. Aber wie geht es weiter?
Wie wir wissen, ist die Situation der Frauenhäuser besonders angestrengt. Es fehlen die
Räumlichkeiten, es fehlen die Plätze. Manchmal fehlen ganze Häuser. Sehen wir
beispielsweise an die Westküste, nach Nordfriesland, ist die Landkarte ziemlich leer. 3
Das ist dann besonders problematisch, wenn Frauenhaus, Arbeitsplatz der betroffenen
Frau und Schule der betroffenen Kinder in unterschiedlichen Orten liegen.
Die Istanbul-Konvention sieht durchaus vor, dass die Unterstützungsangebote
niedrigschwellig, zugänglich und gut erreichbar sein sollen, auch im ländlichen Raum.



Lücken in der Versorgung gibt es bei uns nicht zur geographisch, sondern auch für
einzelne Gruppen. Psychisch erkrankte oder suchtkranke Frauen, beispielsweise.
Außerdem Frauen mit Beeinträchtigungen keinen barrierefreien Zugang zu
Hilfeangeboten. Nur 10 Prozent der Frauenhäuser sind behindertengerecht, dabei sind
Frauen mit Behinderungen überproportional oft Opfer von Gewalt.
Deswegen waren wir ja so dahinter her, dass die Richtlinie zum Investitionsprogramm
für Frauenfacheinrichtungen veröffentlicht wird.
Zum SPD-Antrag, geschlechtssensible Asylverfahren umzusetzen und
geschlechtsspezifische Gewalt als Verfolgungsgrund anzuerkennen sprechen wir
unsere Unterstützung aus. Wir wissen, dass es hier teilweise ein Umsetzungsdefizit
gibt, dem es entgegenzuwirken gilt. Wir finden es richtig, dass von
geschlechtsspezifischer Gewalt betroffene Frauen im Fall der Auflösung der Ehe einen
eigenständigen Aufenthaltstitel erhalten.



Es bleibt, wie immer, wenn wir über die Bekämpfung von Gewalt sprechen, besonders
wichtig, den Blick auf präventive Maßnahmen zu richten. Das heißt auf die
Bewusstseinsbildung der breiten Öffentlichkeit, die besonders gut im Bildungssystem
angeregt werden kann. Hier erreichen wir wirklich alle und sollten deswegen möglichst 4
früh mit einer Sensibilisierung beginnen. Um individueller Gewalt schon im Entstehen
den strukturellen Nährboden zu entziehen.


Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html