Lars Harms: Einwanderungsgesetz vorantreiben
PresseinformationKiel, den 13. Dezember 2018 Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 26&44 Überprüfung von Asylentscheiden Drs. 19/100 „Es ist absurd, dass Menschen aus Deutschland in Länder abgeschoben werden, mit denen man gleichzeitig Anwerbeaktionen fährt.“Wenn ein Betrieb einen Arbeitsvertrag ausfertigt, sehe ich das als Erfolg; und zwar von zweiSeiten: Erstens, der Arbeitgeber kann neue und zusätzliche Aufträge abwickeln und damit seineBasis verbreitern. Das ist ein Gewinn für die Wirtschaft unseres Landes. Zweitens, der oder dieneue Beschäftigte hat mit dem Arbeitsvertrag eine Perspektive bekommen. Ein Arbeitsvertragbedeutet in der Regel finanzielle Unabhängigkeit und stellt damit Freiheit sicher. 2Wenn die Unterschrift unter einem Arbeitsvertrag aber von einem Asylbewerber oder von einemMenschen mit unklaren Aufenthaltsstatus stammt, dann ist das oftmals ein Problem. Ich möchtees auf den Punkt bringen: der Staat meint, es besser zu wissen, als der Arbeitgeber. Der hat sichschließlich im persönlichen Gespräch und meistens nach einem Praktikum oder einer Probezeitein persönliches Bild machen können. Er kennt seine neuen Angestellten so gut, dass er mit demArbeitsvertrag eine Zukunftsperspektive anbietet. Ein Arbeitsvertrag ist meines Erachtens einerder besten Integrationsbelege, den unsere Gesellschaft zu bieten hat. Damit wird nämlichdokumentiert, dass ein Betrieb bereit ist, das Engagement eines Menschen zu entlohnen, weilsich damit betriebliche Gewinne erwirtschaften lassen.Die rechtlichen Regelungen ignorieren diesen Beleg und sehen sogar die Möglichkeit vor, dassAbschiebungen vom Arbeitsplatz weg erfolgen können.Das ist falsch.Zahlreiche Beispiele gerade in Schleswig-Holstein zeigen, dass die Integration durch Arbeit sehrgut gelingen kann, auch wenn der Beschäftigte zu Anfang nicht unbedingt mit Fach- undSprachkenntnissen glänzen kann. Erfahrene Meister wissen, dass hohe Einsatzbereitschafttrockenes Buchwissen um Längen schlagen kann. Hausanschlüsse können heute nach kurzerEinarbeitung auch von Nicht-Gesellen erledigt werden. Das entlastet diese für andere Aufgaben.Die Digitalisierung ist gerade im Handwerk eine große Chance für viele Helfertätigkeiten, weildie Technik komplizierte Arbeiten vereinfachen hilft.Ich führe das an, weil immer wieder die unzureichende Ausgangsqualifikation vieler Geflüchteterals Haupteinwand gegen eine erfolgreiche Integration auf dem Arbeitsmarkt angeführt wird.Das seien doch überwiegend Analphabeten, die gar nicht auf einem normalen Arbeitsplatzeinsetzbar seien. Tatsächlich sind viele Geflüchtete unzureichend qualifiziert. Doch inzwischengibt es unterstützende Angebote von Kammern und Verbänden, die die Defizite gezielt angehen.Sprachkenntnisse wachsen in den Betrieben durch gemeinsames Arbeiten. Das dauert seine Zeit, 3lohnt sich aber langfristig. In Menschen zu investieren, die bereits vor Ort sind, halte ich für denrichtigen Weg.Wer meint, nur mit fertig ausgebildeten Fachkräften aus dem Ausland eineEinwanderungspolitik machen zu können, ist in meinen Augen unglaubwürdig. Wir schwächenmit den Anwerbeabkommen die Heimatsysteme der ausgebildeten Fachkräfte. Oder glaubtirgendjemand, dass beispielsweise die griechische Wirtschaft vom Fachkräfteabfluss profitiert?Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir hier nicht nur über Fachkräfte reden sollten.Ich warne sogar ausdrücklich davor, weil damit aus der Vogelperspektive der Statistik herabdiskutiert wird. Dabei sollten wir viel lieber auf die betriebliche Ebene gucken: was benötigt derBetrieb, welche berufsbegleitenden Angebote gibt es? Das sind doch die richtigen Fragen, die dieindividuelle Situation in Betracht ziehen. Stattdessen ist das Beharren auf die Mangelberufe einIrrweg und erinnert an Planwirtschaft: Zuwanderung streng nach Positivliste. Die Bundesagenturfür Arbeit führt auf ihrer aktuellen Positivliste viele Gesundheits- und Pflegeberufe auf. Nach derBeschäftigungsverordnung soll Fachkräften die Zuwanderung nach Deutschland zielgenauerleichtert werden. Gleichzeitig warnt die Arbeitsagentur davor, dass entsprechende Fachkräftenicht sofort eine Stelle in Deutschland antreten können; zuerst steht dasAnerkennungsverfahren. Vergessen wir nicht die mehrmonatigen Visumverfahren derüberforderten deutschen Botschaften. Darum ist die Anwerbestrategie, die nur aufMangelberufe abzielt, nur bedingt geeignet. Sie löst kaum Probleme auf dem deutschenArbeitsmarkt, weil neben der Fachlichkeit auch die Sprachkompetenz eine Rolle spielt. Ichmöchte die Pflegekraft erleben, die im Krankenhaus kein Deutsch spricht. Das ist unvorstellbar.Kommt eine serbische Pflegefachkraft nach Deutschland, muss sie erst einmal Deutsch lernen;die Behebung des Mangels lässt also auf sich warten. Was spricht also dagegen, die Serbin, diebereits im Krankenhaus als Pflegehelferin arbeitet, zu qualifizieren? Ach ja, das Ausländerrechtspricht dagegen. Aber das kann und sollte man ändern! 4Es ist absurd, dass Menschen aus Deutschland in Länder angeschoben werden, mit denen mangleichzeitig Anwerbeaktionen fährt.Der Fachkräftemangel ist nicht vom Himmel gefallen und er ist auch nicht nur eindemografisches Problem, sondern erwächst aus einem Gemisch aus ausbildungsfaulenGroßbetrieben, unterbezahlten Berufen wie beispielsweise in der Pflege und weltfernengesetzlichen Regelungen. Mangelberufe sind so ein Etikett, das strukturelle Probleme quasi zueinem Naturgesetz umdeuten sollen. Dabei gibt es hier in Deutschland Menschen, die sich für dieMangelberufe beispielsweise im Metall- oder Holzbereich gut eignen würden. Davor allerdingsmüssen diese sich erst qualifizieren. Viele Arbeitgeber sind bereit, diesen Weg zu gehen. Vielehaben sich inzwischen regelrecht ins Ausländerrecht eingefuchst. Gezwungenermaßen, weil ihreBeschäftigten mit immer neuen Bescheiden in der Tür stehen.Darum müssen wir das ändern und ein Einwanderungsgesetz vorantreiben. Der gemeinsameAntrag ist der erste Schritt dazu.Abschließend noch eine Bemerkung zum Antrag der AfD-Fraktion.Die Überprüfung von Asylentscheiden geschieht bereits. Bedauerlicherweise suggeriert derAntrag – nicht zum ersten Mal, dass in deutschen Amtsstuben der reinste Schlendrian herrsche.Dabei ist die sorgfältige Einzelfallprüfung sogar der Kern der Arbeit der Ausländerbehörden:darum werden die Betroffenen angehört, ihre Situation individuell bewertet und erst auf dieserGrundlage wird entschieden. Hinter jeder Fallakte steht ein Mensch mit seiner Familie. Aktenwerden keineswegs automatisch geschlossen, sondern alle Erkenntnisse werden laufendeingearbeitet und aktualisiert. Das ist Verwaltungspraxis. Das wird gemacht. Alles andere istVerleumdung; nur verfasst, um Verschwörungstheorien neue Nahrung zu geben. Und dasbraucht kein Mensch.Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html