Zuwanderungsbeauftragter sieht sich in seiner Kritik an Landesunterkünften in Neumünster und Boostedt bestätigt
Nr. 113 / 8. August 2018Zuwanderungsbeauftragter sieht sich in seiner Kritik an Landesunterkünften in Neumünster und Boostedt bestätigtDer Zuwanderungsbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein Stefan Schmidt äußerte sich heute (Mittwoch) in Kiel zur Berichterstattung über die Situation der Landesunterkünfte für Geflüchtete in Boostedt und Neumünster. „Dezentrale Unterbringung und Kreisverteilung müssen Leitlinien der integrationsorientierten Aufnahme des Landes bleiben“, erklärte Schmidt. „Die aktuelle Diskussion bestätigt meine Kritik an der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige und den vom Bund geplanten Ankerzentren.“Bereits im September 2016 hatte sich der Flüchtlingsbeauftragte schriftlich bei der schleswig- holsteinischen Landesregierung gegen die Einrichtung der Landesunterkunft für Ausreisepflichtige ausgesprochen. „Seitdem habe ich die ‚Kasernierung‘ ausreisepflichtiger Asylbewerber und Asylbewerberinnen immer wieder angemahnt. Die Zeitungsberichte, in denen die Landesregierung sich Ankerzentren gegenüber offen zeigt, geben Anlass zur Sorge.“ Anker ist die Abkürzung für Ankunft, kommunale Verteilung, Entscheidung und Rückführung. Diese Aufgaben sollen gebündelt in den Zentren erledigt werden.In der ehemaligen Rantzau-Kaserne am Standort Boostedt wurde Anfang 2017 neben der regulären Erstaufnahmeeinrichtung zusätzlich die Landesunterkunft für Ausreispflichtige (LUKA) neu eingerichtet. Laut Schmidt sei nicht nur die Effizienz der LUKA zu hinterfragen – er kritisiere insbesondere, dass die Nachteile der Unterbringung für die betroffenen Schutzsuchenden gegenüber des vorgegebenen Ziels einer effektiveren und schnelleren Aufenthaltsbeendigung deutlich überwiegen würden. „Die Unterbringung in einem Ausreisezentrum darf keinen Haft- und Strafcharakter haben – wird von etlichen Betroffenen aber genauso empfunden.“ Der Flüchtlingsbeauftragte führte aus: „Die Menschen in Boostedt werden zur Unselbstständigkeit verdammt, sie können nicht eigenständig für den Lebensunterhalt einkaufen, haben keine Möglichkeit, selbst zu kochen, können wegen der Residenzpflicht außerhalb des Kreises Segeberg keine Personen besuchen und verlieren den Kontakt zur Außenwelt.“Sollte sich die Unterkunft des Landesamtes für Ausländerangelegenheiten in Neumünster jetzt zu einem Ankerzentrum „weiterentwickeln“, sei das ein Rückschritt für die bislang im Bundesvergleich 2relativ humane Flüchtlingspolitik der Landesregierung, warnte Schmidt. „Denn mit der Einführung von Ankerzentren will Bundesinnenminister Seehofer das Prinzip verstärken, Schutzsuchende für die gesamte Dauer des Asylverfahrens in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu verwahren, anstatt sie zügig auf die Kreise und kreisfreien Städte zu verteilen.“Auf entsprechende Nachfrage habe Innenminister Grote aber noch kürzlich betont, sich zumindest während der Pilotphase nicht an der Etablierung von Ankerzentren zu beteiligen. „Ich empfehle ausdrücklich, diesen Kurs zu halten“, so der Beauftragte, der unterstrich, dass die die Einrichtung von Ankerzentren in der Entscheidung der Landesregierung liege. „Wenn ein Ankerzentrum – möglicherweise unter einem anderen Namen – jetzt vorschnell eingerichtet wird, kommen Probleme auf, die bei einer dezentralen Unterbringung von Asylsuchenden wie auch abgelehnten Asylbewerbern nicht entstehen.“ Ankerzentren führten laut Schmidt zu Isolation und Belastungen bei Geflüchteten und erschwerten die soziale und berufliche Integration – und das werde hohe Folgekosten hervorrufen, prognostizierte Schmidt. „Asylsuchende, die normalerweise nach drei Monaten einen Arbeitsmarktzugang haben, unterliegen in einer Landesunterkunft nach aktueller Lage einer Arbeitssperre. „Das wäre ein herber Schlag für die integrationsbemühten Geflüchteten, die mühsam aufgebauten Strukturen zur Arbeitsmarktintegration und für die aufnahmebereiten Unternehmen in Schleswig-Holstein“, gab der Beauftragte zu Bedenken. Auch deshalb müsse geprüft werden, ob eine Arbeitssperre in künftigen Ankerzentren für die gesamte Dauer des Verfahrens mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar sei.Darüber hinaus warnte Schmidt davor, dass Ankerzentren die Bedeutung lokaler Unterstützungsstrukturen voraussichtlich sinken lassen und deren Wissen und Engagement leiden würde. „Das zeigt sich beispielsweise an Sprachkursangeboten, die von Ausreisepflichtigen nicht mehr so stark angenommen werden, erläuterte der Zuwanderungsbeauftragte. „Ankerzentren werden als Fremdkörper in den Kommunen wahrgenommen. Der Blick nach Boostedt zeigt, dass sie Nährboden für Vorurteile sein können – trotz eines sehr engagierten Bürgermeisters und einer engagierten und offenen Zivilgesellschaft.“ Statt über den Umweg der Unterbringung in der LUKA Ausreisen beschleunigen zu wollen, solle es eine flächendeckende unabhängige Rückkehrberatung geben, so Schmidt. „Die Beratung kann vor Ort informieren und helfen, Entscheidungen für eine freiwillige Rückkehr zu erleichtern.“Mit Blick auf den Koalitionsvertrag forderte der Beauftragte die Landesregierung auf, auf eine dauerhafte Unterbringung von Asylsuchenden in den Landesunterkünften zu verzichten. Vielmehr solle die Verweildauer in der Erstaufnahmeeinrichtung konsequent auf maximal drei Monate beschränkt werden. „Das soll sowohl für Asylsuchende gelten, die eine sogenannte gute Bleibeperspektive haben, als auch für diejenigen mit ‚ungesichertem‘ Ausgang des Verfahrens oder bei angestrebten Rückführungen im Rahmen des Dublin-Verfahrens“, mahnte Schmidt. „Wo es bundesgesetzliche Vorgaben hinsichtlich des Verbleibs in den Aufnahmeeinrichtungen gibt, sollte sich die Landesregierung für deren Änderung einsetzen.“ Neuen Bestrebungen des Bundes, Aufnahmeeinrichtungen auszuweiten, erteilte der Flüchtlingsbeauftragte eine klare Absage. „Ich setze auf die Standhaftigkeit der Landesregierung.“