Martin Habersaat: In Schleswig-Holstein werden populäre Vorurteile Schulrecht
Kiel, 19. Juli 2018 Nr. 241 /2018Martin Habersaat:In Schleswig-Holstein werden populäre Vorurteile SchulrechtMartin Habersaat, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, vergleicht die Arbeitsschwerpunkte der Bildungsministerin und die ab 1. August gültige Grundschulverordnung mit dem „Faktencheck Grundschule“ des Grundschulverbands.Der Grundschulverband setzt sich bundesweit für eine moderne, kindgemäße Grundschulpädagogik ein. Das Heft „Faktencheck Grundschule“, das populäre Vorurteile widerlegen möchte, liest sich allerdings wie eine Abrechnung mit den bildungspolitischen Rollbacks von Jamaika.Wer sich von seinen Schülerinnen und Schülern „duzen“ lasse, dessen Kinder weisen schlechtere Rechtschreibleistungen auf. Was vom Grundschulverband als „Sumpfblüte“ (S.II) bezeichnet wird, war eine der Kernthesen des Grundschulforums 2018, auf dem die Landesregierung die „Grundschule 2030“ entwickeln wollte – tatsächlich war es wohl eher die Grundschule 1960. Nicht versäumt hatte die Bildungsministerin in diesem Zusammenhang, den von konservativer Seite oftmals an die Grundschulen gerichteten Vorwurf der „Kuschelpädagogik“ zu wiederholen.Noten ab Klasse drei, verbindliche Schulartenempfehlungen und verpflichtendes Erlernen einer verbundenen Schreibschrift, Grundwortschatz: Das sind die Schwerpunkte der ab dem kommenden Schuljahr gültigen Grundschulverordnung. Das Vorurteil: „Zeugnisse ohne Noten sind ein Angriff auf das Leistungsprinzip“ wird hier in einer Verordnung Schulrechtswirklichkeit. Studien zeigen aber: „Schülerinnen und Schüler brauchen keine Noten, um zum Lernen motiviert zu werden.“ (S.4.) Gerade in der Grundschule müsste es darum gehen, sich um der Sache willen 2anzustrengen und zu lernen, sich selbst Ziele zu setzen sowie eigene Leistungen realistisch einzuschätzen. Eine pädagogische Leistungskultur bräuchte nicht Noten, sondern „Mehrperspektivität und Dialog“ (S.5.).Künftig sollen alle Kinder in Schleswig-Holstein eine verbundene Schreibschrift in der Grundschule lernen. Wissenschaftliche zwingende Belege gibt es für diese laut Grundschulverband aber nicht, wie auch für keine andere der in den Grundschulen gelehrten Grundschriften (S.19). „Falsches Schreiben prägt sich ein“ (S.16) und „Schreiben nach Gehör ist eine schädliche Methode und gehört verboten“ (S.14) sind zwei weitere Vorurteile, mit denen in Schleswig-Holstein 2018 Bildungspolitik gemacht wird. „Entgegen vielfach geäußerten Vorurteilen behindert das lautorientierte Schreiben am Anfang die Rechtschreibentwicklung nicht, wenn die Kinder schon im Laufe der ersten Klasse Schritt für Schritt auf orthografische Besonderheiten hin orientiert werden. Auch empirische Methodenvergleiche haben keine Vorteile für den Unterricht mit Fibellehrgängen bzw. eine Begrenzung des Schreibwortschatzes auf eingeübte Wörter gefunden.“ (S.15).Und, um mit einem konservativen Lieblingsthema abzuschließen: „Das Sitzenbleiben aufgrund von Leistungsschwächen führt nicht zu einer erfolgreicheren Schul- und Berufskarriere als der Verbleib in der Altersgruppe. (S.20)Link: Faktencheck Grundschule: https://grundschulverband.de/wp-content/uploads/2018/04/180320-Faktencheck-Grundschule- final.pdf