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15.06.18
12:49 Uhr
SSW

Lars Harms: Menschen, die nichts verbrochen haben, gehören in keine Haftanstalt

Presseinformation Kiel, den 15.06.2018

Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms: TOP 32 Abschiebungshaft ist keine humane Flüchtlingspolitik! Drs. 19/763

„Da muss man eben auch den Grünen sagen: Euch mag diese Entscheidung schwer gefallen sein. Aber das hilft den Menschen nicht. Ihr tragt diese Entscheidung mit, ihr macht sie möglich.“


Menschen, die nichts verbrochen haben, gehören in keine Haftanstalt. Und das sollte
selbstverständlich auch für Menschen gelten, die zu uns geflüchtet sind. Das habe ich
immer wieder hier und an anderer Stelle gesagt. Das ist nicht erst jetzt unsere Haltung
beim SSW, sondern das war schon unsere Haltung, als wir mit SPD und Grünen an einer
Regierung beteiligt waren.
Deswegen hatten wir damals im Koalitionsvertrag vereinbart, die Abschiebehaftanstalt
in Rendsburg zu schließen und so ist es ja auch geschehen.
Und auch auf Bundesebene hat unser damaliger Innenminister Stefan Studt, wenn
auch ohne Erfolg, für die Abschaffung von Abschiebehaftanstalten geworben. 2
Und deswegen stimmen wir vollkommen mit der SPD überein:
Abschiebungshaft ist keine humane Flüchtlingspolitik!



Wir sehen ja an dem Alternativantrag der drei Koalitionäre, dass sie sich auf Bundes-
und Europarecht berufen. Und es mag sein, dass es rechtlich möglich ist,
Abschiebehaftanstalten einzuführen. Und es mag möglich sein, dass man auch auf
Landesebene rechtlich gezwungen wird, von Instrumenten wie der Abschiebehaft oder
einem Gewahrsam Gebrauch zu machen. Wenn Gerichte dies anordnen, hat das zu
erfolgen. Diese Erfahrung mussten auch wir machen. Deswegen gab es die wenigen
Plätze des Abschiebegewahrsams am Hamburger Flughafen und in der
Abschiebehaftanstalt in Eisenhüttenstadt in Brandenburg. Beispielsweise eben wenn
Menschen sich der Ausreise entzogen hatten. Wenn Kriminelle, die aus dem Gefängnis
kamen, abgeschoben werden sollten.
Wenn wir diese Plätze genutzt haben, waren das aber ganz extreme Ausnahmefälle.
Der politische Wille sollte doch aber ein anderer sein! Und die Einrichtung einer
eigenen Abschiebehaftanstalt hat nun mal einfach eine völlig andere Qualität.
Ich sage es noch einmal: Menschen, die nicht straffällig geworden sind und sich auch
nicht der Abschiebung entzogen haben, verdienen in unseren Augen keinen
Freiheitsentzug. Schon gar nicht die besonders schutzbedürftigen Gruppen, über die
die Regierungsparteien in den letzten Wochen höchstens verlauten ließen, sie sollten
„möglichst nicht“ eingesperrt werden. Kinder und Jugendliche, Schwangere, stillende
Frauen.
Der Alternativantrag von CDU, Grünen und FDP, der uns gestern erreichte, ist nichts
weiter als aneinandergereihte Platzfüller, die nicht darüber hinwegtäuschen können, 3
dass am Ende nur steht, die besonders schützenswerten Gruppen sollten
„grundsätzlich nicht“ nicht eingesperrt werden. Ausnahmen sind hier somit zulässig
und werden hingenommen.
Und da muss man eben auch den Grünen sagen: Euch mag diese Entscheidung schwer
gefallen sein. Aber das hilft den Menschen nicht. Ihr tragt diese Entscheidung mit, ihr
macht sie möglich.



Wir erwarten von der jetzigen Landesregierung, dass sie die humane Flüchtlingspolitik,
die in den letzten Jahren in Schleswig-Holstein gegolten hat, weiterführt. Dazu gehört
für uns auch, dass Jamaika alle Register zieht, um die Abschiebungen nach
Afghanistan, die durch den Bund drohen, abzuwenden. Wir haben keinen Grund davon
auszugehen, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan eklatant zum Guten
gewendet hat.
Denn stellen Sie sich vor, was sonst möglich wird: Wir haben hier eine afghanische
Familie in Deutschland, die sich vor den Taliban retten konnte. Sie bringen sich ein,
verhalten sich gut und als Dankeschön sollen sie dann am besten noch in
Abschiebehaft, bevor sie dahin abgeschoben werden, wo nach wie vor ihr Leben
bedroht ist? Das darf nicht sein! Und deswegen muss auch Innenminister Grote, wie
sein Vorgänger, einen konsequenten Abschiebestopp für Personen, die nicht straffällig
geworden sind, nach Afghanistan anordnen.
Die Jamaika-Koalition muss, auch nach den letzten Äußerungen ihres
Ministerpräsidenten, ihre Pläne für eine neue Abschiebehaftanstalt in Glückstadt
begraben! Für Menschen, die zur Haft verurteilt worden sind, und für Gefährder haben 4
wir Gefängnisse und das Abschiebegewahrsam in Fuhlsbüttel. Mehr brauchen wir
nicht.


Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html