Lars Harms: Umstieg auf Open Source Software für die öffentliche Hand ist problematisch
Presseinformation Kiel, den 15. Juni 2018Es gilt das gesprochene WortLars Harms TOP 27 Nutzung von Open-Source-Software Drs. 19/756 „Das Maß der Dinge muss eine kostengünstige, moderne und einfach nutzbare Software sein. Und das sind oft Standardlösungen.“Wie bei der Industrialisierung im 19. Jahrhundert haben sich hundert Jahre später auch bei derDigitalisierung innerhalb kurzer Zeit Monopole und Quasi-Monopole dominanter Anbieterentwickelt. Von deren Strategien hängt inzwischen der Fortgang der Digitalisierung ab. Das istim Sinne eines demokratischen Marktes bedauerlich, aber inzwischen eine unumstößlicheTatsache. Darum sind Fragen nach einer Aufsichtsfunktion des Staates, dem Schutz persönlicherDaten und nicht zuletzt nach dem Ausbau der Infrastruktur als Teil staatlicher Daseinsfürsorgehier im Plenum gut aufgeboben. Alles das spielt in den Antrag mit hinein, der sich eines Aspektesannimmt: der Softwarearchitektur in der Landesverwaltung.In den „Empfehlungen für die schulische IT- und Medienausstattung“ beispielweise, die Schulenund Lehrkräfte an die Hand gegeben werden, ist nicht einmal die Rede vonBetriebssystemalternativen zu Android, Windows oder IOS von Apple. Dort geht es erst einmal 2darum, an den Schulen Medienkompetenz zu vermitteln. Der Preis: man gibt ungewollt eineKaufempfehlung und blendet Alternativen aus. Das finde ich einerseits bedauerlich, sehe aberaus rein pragmatischen Gründen keine Alternative, als in den Schulen auf eingeführte undkompatible Systeme zurückzugreifen. Aber genau hier liegt das Problem.Ich weiß, dass viele Privatanwender sehr zufrieden mit dem Umstieg auf Open Source Softwaresind: die Anwendbarkeit klappt gut und die Software läuft sicher. Das kann aber nicht auf dieöffentliche Hand übertragen werden. Und das hat vielerlei Gründe:Erstens: derzeit besteht eine annähernd hundertprozentige Deckung von so genanntergeschlossener Software von Windows, SAP und Co in der Landesverwaltung. Eine Überführungzu Open Source ist also nicht innerhalb eines Knopfdrucks oder eines Vormittags zu erledigen.Der Umfang eines derartigen Vorhabens kann nicht einmal annähernd geschätzt werden. Ichgehe sogar so weit, zu behaupten, dass weder die Kosten, noch der zeitliche Umfang oder dieHöhe der Personalmittel momentan bezifferbar sind. Schließlich gibt es keinerlei Vorbilder, andenen man sich orientieren kann.Zweitens: Professionelle Anbieter bieten in der Regel auch professionelle Unterstützung inProblemfällen an. Das kann eine 24 Stunden Hotline sein oder auch ein versierter Techniker vorOrt. Es kann sich aber auch um Schulungsangebote handeln. Alles das bietet Open Source nicht.Frühzeitige Anwenderschulungen, die der Antrag ins Feld führt, müssen also seitens derLandesregierung personell unterfüttert werden. Gibt es überhaupt Open-Source-Fachleute in denReihen der Landesverwaltung? Wie viele? Und wo genau? Ich warne davor, den Umfang derSchulung zu unterschätzen. Eine gute Schulung ist nämlich die Voraussetzung für eineproblemlose Handhabung der Programme. Das gilt für eine Maschine genauso wie für Software.Darum ist es geboten, dass das Zentrale IT-Management den Aufwand für Schulung undUmstellung genau berechnet.Drittens: Die globale Kompatibilität der Software ist inzwischen alternativlos. Insellösungen oderSoftware für einzelne Behörden müssen mit dem Rest der Welt kompatibel sein. Ansonsten ist 3das rausgeschmissenes Geld. Es gibt leider viele Beispiele von Software-Lösungen, die krachendgescheitert sind: zuletzt das Schulverwaltungsprogramm „Amtliche Schulverwaltung“, das dieLandesregierung Baden-Württemberg nach Millioneninvestitionen einstellte. Letztes Jahrstampfte Nordrhein-Westfalen die Schul-Software „Logineo NRW“ wegen irreparabler Problemeein.Ich möchte nicht, dass sich Schleswig-Holstein in diese Liste der Beispiele einträgt. Open Sourcemag im Einzelfall der richtige Weg sein. Im Antrag ist aber die Rede von Zeitfenstern, in denendie „vollständige Ablösung von Closed Source durch Open-Source- Software“ erreicht werdenkann. Das ist Wunschdenken. Bleiben wir auf dem Boden der Tatsachen. Open Source wird dieAusnahme bleiben. Und das Maß der Dinge muss eine kostengünstige, moderne und einfachnutzbare Software sein. Und das sind oft Standardlösungen.Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html