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27.04.18
10:57 Uhr
SSW

Jette Waldinger-Thiering: Alle müssen den für sie bestmöglichen Abschluss erreichen können

Presseinformation Kiel, den 27.04.2018

Es gilt das gesprochene Wort



Jette Waldinger-Thiering TOP 17 Alle Wege zum Abitur offenhalten Drs. 19/672

„Alle müssen den für sie bestmöglichen Abschluss erreichen können“

Vermutlich ist niemandem die große Unruhe entgangen, die mit der Entscheidung zur
Wiedereinführung von G9 einhergeht. Statt bestehende Strukturen zu erhalten und innerhalb
dieser an der Qualität zu arbeiten, sind wir damit wieder weiter von einem Schulfrieden
entfernt. Noch dazu ist es sehr schade, dass die Betroffenen bei dieser Grundsatzentscheidung
weder gefragt noch beteiligt wurden. Damit entsteht bei vielen der Eindruck, dass eine
demokratische Entscheidung und eine echte Wahlfreiheit gar nicht gewollt sind. Das ist und
bleibt für mich Bildungspolitik mit der Brechstange.



Doch unabhängig von der Frage der Beteiligung, ist die Befürchtung berechtigt, dass ein
flächendeckendes Abitur nach 9 Jahren zu finanziellen Engpässen in anderen Bereichen führt.
Wir wissen, dass gerade einmal 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler aufs Gymnasium
gehen. Mit der Zwangsumwandlung zu G9 werden hier aber in bedeutendem Maße
Ressourcen gebunden. Diese Ressourcen werden an anderen Schulen und für andere Aufgaben 2
fehlen. Aus Sicht des SSW müssen aber alle Schularten und damit alle Kinder gute
Rahmenbedingungen bekommen. Alle müssen den für sie bestmöglichen Abschluss erreichen
können. Und deshalb sind wir auch an der Seite der antragstellenden SPD, wenn es darum
geht, alle bestehenden Bildungswege zu erhalten und zu fördern.



Wir können uns gemeinsam darüber freuen, dass unser Land bei der Abiturquote aufgeholt
hat. Denn wir brauchen dringend mehr junge Menschen mit höherwertigen Abschlüssen. Aber
eins sollten wir dabei nicht vergessen: Diese erfolgreiche Entwicklung haben wir nicht zuletzt
den Gemeinschaftsschulen und den beruflichen Schulen zu verdanken. Auch diese Wege zum
Abitur sind wichtig und müssen selbstverständlich auch in Zukunft gefördert werden. Wir
wollen diese Vielfalt im Bildungswesen unbedingt erhalten. Und aus diesem Grund halten wir
die Forderung der SPD auch für sinnvoll, geeignete Maßnahmen zur Förderung dieser
Bildungswege zu entwickeln.



Mir ist klar, dass diese Tatsache längst nicht allen in den Kram passt. Aber viele Eltern und
Kinder entscheiden sich ganz bewusst gegen das Gymnasium. Fast jedes zweite Abitur wird
heute außerhalb dieser Schulform abgelegt. Viele wählen völlig freiwillig das Modell des
längeren gemeinsamen Lernens. Das ist keine Entscheidung aus der Not, sondern Beleg für den
verbreiteten Wunsch nach einem qualitativ gleichwertigen Weg zur Hochschulreife abseits der
Gymnasien. Denn dort versteht man sich oftmals als Vorbereitung für eine akademische
Karriere. Viele Abiturienten wollen aber gar nicht an die Hochschule. Und doch brauchen sie für
viele Ausbildungen das Abitur.



Neben der Frage nach einer gerechten Ressourcenverteilung lassen auch die aktuellen
Anmeldezahlen und die Abweisungsquote nicht nur Gutes erahnen. Zumindest für die
Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe sieht die Entwicklung recht negativ aus. Insofern halte 3
ich die Sorge, dass diese Schulform zur „Resteschule“ zurückentwickelt werden soll, für nicht
ganz unberechtigt. Davor kann ich nur ausdrücklich warnen. Wer gleiche Bildungschancen für
alle Kinder sicherstellen will, braucht wohnortnahe Angebote von guter Qualität. Zwar ist das
Netz der Gemeinschaftsschulen mit eigener Oberstufe seit 2013 dichter geworden. Aber bei der
Verteilung der Oberstufengibt es nach wie vor ein regionales Ungleichgewicht. Wenn es also
um echte Wahlfreiheit und Chancengleichheit beim Zugang zu weiterführender Bildung geht,
gibt es durchaus noch weiße Flecken. Für den SSW ist deshalb klar, dass die Stärkung der
Gemeinschaftsschulen die richtige Antwort ist.



Natürlich ist es unser Ziel, die Abiturquote zu erhöhen. Dafür braucht es vielfältige Angebote
und auch Kooperationsmöglichkeiten. Am Ende muss natürlich längst nicht für alle und jeden
ein Abitur stehen. Aber jedes Kind muss den individuell besten Abschluss machen können. Und
zwar unabhängig vom finanziellen und sozialen Status der Eltern. Und unabhängig von
anderen Faktoren, wie etwa der Frage, ob es auf dem Land oder in der Stadt zuhause ist.



Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html