Lasse Petersdotter zum Verkauf der HSH Nordbank
PresseinformationEs gilt das gesprochene Wort! Landtagsfraktion Schleswig-Holstein TOP 2+10+49 – Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines 2. Nachtrages zum Haushaltsplan 2018; Zustimmung Pressesprecherin des SH Landtags zu der vertraglichen Ausgestaltung Claudia Jacob der Veräußerung der im Eigentum des Landes stehenden Landeshaus Beteiligungen an der HSH Nordbank AG; Verkauf der Düsternbrooker Weg 70 Beteiligungen des Landes an der HSH Nordbank AG 24105 Kiel Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Dazu sagt der finanzpolitische Sprecher Mobil: 0172 / 541 83 53 der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de Lasse Petersdotter: Nr. 146.18 / 26.04.2018Gegen die Arroganz und die GierSehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete, blicken wir zurück ins Jahr 2003. Während ich, 13 Jahre alt, gerade an der Realschule sitzenbleibe und nichts davon ahne, 15 Jahre später in diesem Hause eine Rede zum Verkauf der HSH Nordbank zu halten, feiern in Hamburg 4500 ausgewählte Gäste und Bänker*innen die Fusion zweier Landesbanken. Exklusiv geladen: Bon Jovi. Was heute absurd klingt, war es auch damals schon. Das Kapitel HSH Nordbank ist hinlänglich diskutiert, es strotzt von Skandalen und Fehl- einschätzungen und ist geschrieben mit Arroganz und Gier. Mit dem Börsengang und dem damit einhergehenden Ziel, satte Gewinne durch interna- tionale Geschäfte zu erzielen, begann eine Zäsur der Schleswig-Holsteinischen Finanz- politik. Dabei darf man allerdings nicht vergessen, dass der Plan zunächst aufging. Die Bank expandierte und warf Gewinne ab, die auch vom Staat nur zu gerne angenommen wurden. Grundlage dieser Gewinne waren allerdings auch die immer höheren und langfristige- ren Sicherheiten, mit denen die Länder der Bank den Rücken stärkten. Eine Entschei- dung, die bis heute nachwirkt. Eins ist allerdings sicher: Die HSH Nordbank wird das Land mehr kosten als sie uns eingebracht hat. Die Doktrin der Profitmaximierung ist ein schlechter politischer Ratgeber. Denn jeder ökonomische Gewinn ist an ein ökonomisches Risiko gebunden. Dieses Risiko wurde in der HSH Nordbank nicht adäquat bewertet. Eine verantwortungsbewusste Risikokultur war nicht erkennbar. Und auch darüber hinaus wurden viele Fehleinschätzungen getrof- fen. Diese Erkenntnis schließt allerdings nicht nur auf ein Scheitern der Politik. Das Kapitel der HSH Nordbank auf die Überschrift „Politiker*innen sind nicht die besseren Unter- nehmer“ zu verkürzen, wäre ein Fehler. Zur Wahrheit gehört auch, dass etwa bis zur Seite 1 von 3 Lehmann-Pleite die Wirtschaftsprüfer*innen der Bank stets die Werthaltigkeit, Kapital- marktfähigkeit und Börsenfähigkeit bestätigt haben. Auch ein Blick in die Aufsichtsräte lohnt sich immer wieder, da saßen nicht nur Politi- ker*innen. Ebenso wurden die operativen Geschäfte nicht von der Politik geführt, auch wenn sie von ihr mitgetragen wurden. Ja, Politik scheiterte. Expert*innen allerdings auch. Die HSH war im Übrigen nicht die einzige Bank, die im Zuge der Weltfinanzkrise in ihrer Existenz bedroht war und mit öffentlichen Geldern gerettet wurde. Und ebenso wie an- dere Banken - öffentliche wie private -, war die HSH nicht Opfer der Finanzkrise, sie war ein Teil der Krise. Das muss uns dazu veranlassen, grundlegendere Fragen zu stellen. Wie sehr sind die Ansprüche an eine Landesbank mit den Strukturen des internationalen Kapitalmarktes zu vereinbaren? Die große Distanz zwischen Markt und Marktfolge wird immer dazu führen, dass markt- unabhängige Bewertungen nur sehr schwer zu gewährleisten sind. Dass eine internati- onale Bank mit den Ansprüchen einer politischen Kontrolle nicht kompatibel ist, sollte ein Alarmsignal sein, lässt es doch durchaus Rückschlüsse auf die Demokratiefähigkeit des Kapitalmarktes zu. ‚Checks and Balances‘ werden als marktfremde Mechanismen nur politisch durchsetzbar sein und in diesem Umfeld niemals aus sich selbst heraus entstehen. Der unregulierte Finanzmarkt giert viel mehr nach anarchieähnlichen Schutzräumen, um sich zu entfalten. Auch wenn die HSH Nordbank versuchte, sich mit aller damit einhergehenden Schäbig- keit diesen anarchistischen Schutzräumen anzupassen, gelang es ihr nicht, darin zu bestehen. Ob das überhaupt möglich, geschweige denn erstrebenswert ist, sollte das System der international ausgerichteten Landesbanken als solches in Frage stellen. Die Lehre aus der HSH Nordbank darf nicht nur eine landespolitische sein. Sie muss die Zusammenhänge berücksichtigen und Argument dafür sein, dass der internationale Kapitalmarkt sich nicht aus sich selbst heraus regulieren wird. Im Sinne der Menschen und des Planeten, diese Leitplanken sinnvoll zu setzen, ist Aufgabe der Finanzpolitik. Nicht das Betreiben einer internationalen Geschäftsbank. In- sofern ist es gut, dass wir heute unseren Teil dazu beitragen werden und die Beteili- gung an der HSH Nordbank enden wird. Selbstverständlich ist auch diese letzte Entscheidung zwischen Abwicklung und Privati- sierung keine einfache. Wir haben in den vergangenen Wochen den Kaufvertrag inten- siv durcharbeiten und diskutieren können. Nach allen uns zur Verfügung stehenden In- formationen werde ich nach bestem Wissen und Gewissen für die Privatisierung der HSH Nordbank stimmen. An dieser Stelle komme ich nicht umhin, mich für die gute In- formationspolitik bei dem Finanzministerium und für die vertrauensvolle Zusammenar- beit beim Finanzausschuss zu bedanken. Vielen Dank. Zwar werden wir die exakten Kosten der HSH Nordbank frühestens im Jahr 2042 ken- nen, denn bis dahin läuft die verbleibende Gewährträgerhaftung langsam ab, aber der Abwicklung steht stets im Mindesten der Kaufpreis entgegen. Aktuell können wir von rund 5,4 Milliarden Euro ausgehen, die sich in unserem Landeshaushalt niederschlagen werden und die Gestaltungsmöglichkeiten von uns und kommenden Generationen spürbar einschränken werden. 2 Natürlich gab es in den vergangenen Wochen auch Stimmen, die sich für eine Abwick- lung ausgesprochen haben. Eine These lautet, dass der Markt in diesem Sektor bereits übersättigt sei und daher der Wegfall der HSH dem System gut tun würde. Ungeachtet dessen, ob man dieser These inhaltlich folgen möchte, bin ich nicht bereit, an dieser Stelle Modell-Experimente durch- zuführen und dafür einen höheren Schaden im Landeshaushalt in Kauf zu nehmen. Eine andere These für eine Abwicklung ist die wohl nie erschöpfliche Hoffnung, dass doch noch alles besser würde. Natürlich steht die Frage im Raum, warum die Käufer sich für etwas interessieren, was wir unbedingt loswerden wollen. Das ist ein nachvoll- ziehbarer Gedanke, den wir von jedem Gebrauchtwagenhandel kennen, darum möchte ich dazu kurz etwas sagen: Die Käufer sind sicherlich nicht das, was ich unter einem sympathischen Geschäfts- partner verstehen würde. Aber sie sind ein Produkt ihres Geschäfts, in dem nur die ag- gressivsten Akteure an die Spitze geschwemmt werden. Zudem geht es hier nicht um den Verkauf des Tafelsilbers unseres Landes, sondern um die HSH Nordbank. Die Käu- fer allerdings sind auf genau diese Geschäfte, etwa mit notleidenden Krediten, speziali- siert. Sicherlich werden sie einen Gewinn sehen, den Hamburg und Schleswig-Holstein so nicht erreichen können oder wollen. Auch eine so genannte „geordnete Abwicklung“ klingt in der Theorie einfacher, als sie in der Praxis wäre. Abgesehen davon, dass es dafür kein wirkliches Rechtsregime gibt und ein langer rechtlicher Prozess darüber be- ginnen würde, wer nun tatsächlich wie für die Gewährträgerhaftung geradestehen müs- se, bräuchte eine geordnete Abwicklung immer neues Kapital. Und da niemand mit die- sem Geld an unsere Tür klopft, müsste es wohl von den Ländern kommen. Das aller- dings widerspricht dem wichtigsten Grundsatz, den wir mit der Privatisierung hingegen einhalten: Kein weiteres Risiko, kein weiterer Euro. Eine Abwicklung würde zudem auch heute noch die Sparkassen im Land in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Immerhin haften sie mit 18 Prozent für die Gewährträgerhaf- tung. Zwar nicht mehr für die 165 Milliarden Euro, wie im Jahr 2005, aber immer noch in einer schlagenden Größe. Niemand hätte vor wenigen Jahren für möglich gehalten, dass ein Kaufpreis von einer Milliarde Euro erreicht werden könnte. Einen Anlass zur Jubelstimmung gibt es trotz- dem nicht. Das gebührt auch der Respekt vor den Beschäftigten in Kiel. Zwar können wir zuversichtlich sein, dass die Kieler Standortvorteile auch die Käufer überzeugen werden, eine Entscheidungsbefugnis zur Zukunft der Arbeitsplätze besitzen wir den- noch nach der Privatisierung nicht, so bitter das auch ist. Die Maxime, unter der wir die Privatisierung betrachten, ist der Schutz des Landes- haushalts. Durch eine Zustimmung in diesem hohen Hause werden wir diesem Ziel ei- nen großen Schritt näher kommen. Sehr geehrte Kolleg*innen, das Kapitel der HSH Nordbank wurde mit Arroganz und Gier geschrieben. Der heutige Tag allerdings markiert einen Punkt in der Schleswig-Holsteinischen Geschichte. Und ein neuer Satz wird entstehen, der ohne die Lehren aus dem Vorangegangenen banal und ignorant wäre. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um Sätze gegen die Arroganz und Gier und für Bescheidenheit und Gerechtigkeit zu schreiben. *** 3