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25.04.18
16:15 Uhr
B 90/Grüne

Eka von Kalben zur Reform der Kitagesetzgebung

Presseinformation

Es gilt das gesprochene Wort! Landtagsfraktion Schleswig-Holstein TOP 26+50 - Reform der Kitagesetzgebung Pressesprecherin Claudia Jacob Dazu sagt die kitapolitische Sprecherin Landeshaus der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Eka von Kalben: Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 145.18 / 25.04.2018



Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen
Herr Minister Garg,
die Neuordnung der Kita-Gesetzgebung ist ja schon eine Mammutaufgabe an sich. Da waren Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicherlich nicht begeistert, als wir Sie letztes Jahr im Juli auch noch um einen schriftlichen Bericht darüber gebeten haben.
Aber die Mühe hat sich definitiv gelohnt. Ich kann sagen: Der vorliegende Bericht über- trifft meine Erwartungen deutlich. Er macht deutlich, wie komplex die Lage um die Kin- derbetreuung ist. Die Problemanalyse ist sehr ausführlich. Und es werden verschiedene Lösungsvorschläge gemacht. Das hatte ich so nicht erwartet und dafür möchte ich mich als erstes bei allen Beteiligten ganz herzlich bedanken.
Ich danke der Regierung für den guten Prozess, den sie für die große Kita-Reform 2020 eingeläutet hat – und der alle Beteiligte schon jetzt zusammen bringt. Vor allem begrü- ße ich, dass auch Praktikerinnen und Praktiker miteinbezogen werden. Denn es ist enorm wichtig, dass auch diejenigen zu Wort kommen, die jeden Tag mit Kindern arbei- ten.
Dass Ihnen, liebe SPD, das alles nicht konkret genug ist, kann ich nicht nachvollziehen. Wenn Sie sich ansehen, an welcher Stelle wir im Reformprozess stehen, dann ist doch klar, dass aktuell nur verschiedene Lösungsvorschläge skizziert werden können. Den Rahmen haben wir ja mit dem Koalitionsvertrag schon festgezurrt. Die Details werden nun in den verschiedenen Runden mit den kommunalen Spitzenverbänden, den Kita- Trägern und den Eltern ausgearbeitet.


Seite 1 von 4 Ich glaube, es gibt große Einigkeit hier im Haus, dass wir eine wirklich gute Kinderbe- treuung in Schleswig-Holstein brauchen – zum Beispiel um dem Fachkräftemangel Herr zu werden.
Das hochgesteckte Ziel der Jamaika-Koalition, das familienfreundlichste Bundesland zu werden, ist eine riesige Herausforderung. Und daran müssen Land und Kommunen gemeinsam arbeiten.
Der Bedarf steigt aus verschiedensten Gründen. Und eines können wir auch erkennen: Wenn ein Ort ausreichende Ganztagsbetreuung für Kinder anbietet und diese auch be- zahlbar ist, dann ziehen junge, berufstätige Familien dort auch hin – und erhöhen unter Umständen den Bedarf weiter.
Wie wir im Bericht sehen können, ist schon viel geschehen, seit der Rechtsanspruch auch für den U3-Bereich eingeführt wurde. Die Vorgängerregierung hat im Rahmen der Beschränkungen als Konsolidierungsland schon viel erreicht. Und unsere neue Koaliti- on – die ja gar nicht mehr so neu ist – setzt mit unserem Koalitionsvertrag und der ver- einbarten Neuordnung der Kita-Gesetzgebung hier einen deutlichen Schwerpunkt. In- haltlich wie monetär. Auch die Vereinbarungen mit den Kommunen im Januar setzen ein deutliches Zeichen.
Schleswig-Holstein hat im Ausbau schon viel erreicht. Um nur mal ein Beispiel zu nen- nen, wie sich das Angebot verändert hat: 2012 hatten nur 33 Prozent der Kitas nach halb fünf noch geöffnet. 2017 waren es bereits 60 Prozent. Das ist ein guter Schritt hin zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Diese Regierung wird den Aus- bau weiter voranbringen. Und auch die entsprechende Bedarfsplanung verbessern.
Aber der Kita-Ausbau geht nur mit Menschen. Geld erzieht keine Kinder. Und ein Un- terbringungsplatz bedeutet nicht automatisch, dass alle Förderungsbedarfe für ein Kind gedeckt sind. Und deshalb geht es an dieser Stelle auch darum, dass Menschen, die sich der frühkindlichen Bildung widmen, gestärkt werden. Pädagoginnen und Pädago- gen genauso wie gut ausgebildete Kindertagespflegepersonen. Oder Tageseltern, wie man gemeinhin sagt.
Es geht darum, diese Menschen so zu stärken, dass sie ihr Engagement wirklich ausle- ben können. Und es geht darum, den Beruf der Erzieherin oder des Erziehers so attrak- tiv zu gestalten, dass viele junge Menschen Lust haben, ihn auszuüben. Es geht also auch um gute Arbeit in den Kitas und der Tagespflege.
Von 2016 bis 2017 ist die Zahl der Erziehenden in Kitas um 6 Prozent gestiegen. Trotz- dem können manche Kitas wegen Personalmangels nicht geöffnet werden. Diesem Thema werden wir uns also noch einmal gesondert zuwenden müssen. Und es ist be- wusst nicht Thema dieses Berichtes, weil es hier um die Kitagesetzgebung geht.
Kommen wir noch einmal zum Thema Kitafinanzierung:
Erstens: Das derzeitige System ist unübersichtlich und bürokratisch: jeder Kreis, jede Kommune hat unterschiedlich Vereinbarungen. Die Kreiszuschüsse schwanken zwi- schen 69 und 561 Euro je Kind. Die Abrechnung im Bereich Inklusion, die Sozialstaffel, die Elternbeiträge – wir befinden uns im Kitafinanzierungsdschungel. Und das schadet auch der Qualität, weil es uns nämlich daran hindert, ausreichend Personal zu finden. Zum Beispiel wenn das Geld so spät bei den Trägern ankommt, dass sie immer nur be- fristet einstellen können.
2 Zweitens: Das derzeitige System ist unterfinanziert. Das betrifft sowohl die kommunale als auch die Landesebene. Und ein Satz an den Bund: Wer in dieser Situation Ganz- tagsschulbetreuung fordert, soll sie auch zahlen. Inhaltlich wäre sie richtig.
Drittens: Das derzeitige System produziert zu hohe Elternbeiträge. In meinem Dorf müssen Eltern für einen Krippenplatz 450 Euro bezahlen. Im benachbarten Hamburg 191 Euro. Das ist schon ein deutlicher Unterschied für junge Familien.
Viertens: Das derzeitige System setzt zu wenige Qualitätsstandards fest. Wobei wir an dieser Stelle vor einem Dilemma stehen, wenn wir die Standards festschreiben, wie es auf Seite 39 zur frühkindlichen Bildung beschrieben ist.
Ich zitiere mit der Erlaubnis des Präsidenten: „Diese Vorgaben [also die Qualitätsstan- dards] müssen dem wissenschaftlichen Stand entsprechen, objektiv prüfbar sein, die Trägerautonomie wahren und Überreglementierungen vermeiden.“ Das ist schwierig: Auf der einen Seite wollen wir nicht reglementieren. Und auf der anderen Seite wollen wir mehr Standards für Räume, Verpflegung und Ausfallzeiten von Mitarbeiter*innen. Das kann zu Widersprüchen führen.
Ich kann natürlich nicht alle Themen, die der Bericht beinhaltet, hier auch ausführen. Und zu jedem einzelnen müssen wir sehr kurzfristig miteinander ins Gespräch kommen: Zum Fachkräfteausbau und der Erzieher*innenausbildung, zur Inklusion und Integrati- on, zu Fragen der Tagespflege und Ganztagsschulen.
Liebe SPD, lassen Sie mich abschließend noch ein paar Worte zu Ihrem Antrag sagen: Sie fordern, dass die Kindertagesbetreuung beitragsfrei sein soll. Wie das finanziert werden soll, verraten Sie allerdings nicht. Wir sind uns innerhalb der Koalition einig, dass wir die Kita-Eltern stärker entlasten müssen. Und – anders als Sie – haben wir da- für ein konkretes Finanzierungskonzept: Wir haben 60 Millionen Euro eingeplant, um die Elternbeiträge zu deckeln. Dass diese 60 Millionen Euro nicht für die komplette Bei- tragsfreiheit ausreichen, ist uns klar. Anders wäre es schöner, aber als Haushaltskonso- lidierungsland können wir uns das aktuell nicht leisten. Wir sind uns aber einig, liebe SPD, dass auch unser Fernziel die komplette Beitragsfreiheit bleibt.
Klar ist für uns Grüne auch, dass die Eltern-Entlastung nicht nur die Höchstbeiträge senken muss, sondern auch von unten wirken muss. Deshalben werden wir die Sozial- staffelregelungen landesweit vereinheitlichen und verbessern. Das „Kita-Geld“ werden wir erst durch die Neuregelung der Elternbeiträge ablösen und nicht vorher schon ein- stellen.
Sie, liebe SPD, fordern, dass die Kommunen beim Ausbau der Kindertagesbetreuung unterstützt werden. Ich kann Ihnen versprechen: Das kommt. Wir haben neben den Be- triebskostenzuschüssen, die das Land zahlt, 50 Millionen Euro zur Entlastung der Kommunen eingeplant. Und im Januar schon 15 Millionen vorgezogen.
Sie fordern weiter, liebe SPD, dass die Qualitätsstandards erhalten bleiben. Inhaltlich bin ich da bei Ihnen. Und ich wünsche mir eher mehr. Selbstkritisch muss man aller- dings sagen, dass unsere vielen Sonderprogramme nicht gerade dazu beigetragen ha- ben, dass das Kita-Finanzierungssystem einfacher geworden ist. Das sind Sonderpro- gramme zu Familienzentren, Sprachbildung, pädagogischer Fachberatung – nur um mal drei Punkte zu nennen. Das war in der Konsolidierungssituation so notwendig, soll- ten wir aber zukünftig anders bündeln.
3 Es ist richtig, dass unsere Regelungen zur Kindertagespflege reformbedürftig sind. Weil sich der Veränderungsprozess der Kindertagespflege von einer familienähnlichen Art der Betreuung hin zu einem „verberuflichten“ Setting (noch) nicht in unseren landes- rechtlichen Vorschriften widerspiegelt. Aber auch diese Baustelle wird in dem vorlie- genden Bericht identifiziert und auch diese Baustelle werden wir im Rahmen der Neu- ordnung der Kita-Gesetzgebung angehen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einer afrikanischen Weisheit enden: Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen. Wir als Gesellschaft stehen in der Pflicht, Eltern und Erzie- hende bei dieser so wichtigen Aufgabe zu unterstützen. Um jedem Kind die Chance auf eine glückliche Gegenwart und Zukunft zu geben. Vielen Dank.
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