Lars Harms: Wirtschaftspolitik, Energiewende und Klimaschutz à la Jamaika - absoluter Stillstand!
Presseinformation Kiel, den 25.04. 2018Es gilt das gesprochene WortLars Harms TOP 06 Gesetz zur Berücksichtigung größerer Abstände zwischen Windkraftanlagen und Wohnhäusern Drs. 19/663, 19/638, 19/639, 19/637, 19/666 und 19/667 „Das ist Wirtschaftspolitik, und Energiewende und Klimaschutz à la Jamaika. Absoluter Stillstand!“Zu diesem Tagesordnungspunkt liegen uns diverse Anträge sowie zwei Volksinitiativen vor, diewir heute beraten. Das macht den politischen Stellenwert des Themas deutlich. Denn dieWindenergie und ihr Ausbau sind seit Jahren ein politisch kontrovers diskutiertes Thema hier beiuns im Land. In erster Linie geht es dabei um die Abstandsregelungen.Mit dem Urteil des OVG Schleswig vom Januar 2015, war klar, die Planungsgrundlagen für denAusbau der Windkraft müssen überarbeitet werden. Die schlichte Umsetzung des Bürger- oderGemeindewillens, im Bezug auf die Ausweisung von Windeignungsflächen, ist so nicht mehrzulässig. Das können wir bedauern – was wir als SSW auch tun – aber das OVG hat sich hierzuganz klar geäußert. 2Damit wären wir auch schon bei der Volksinitiative „Für die Durchsetzung des Bürgerwillens beider Regionalplanung Wind“. Wir haben die Volksinitiative ausführlich im Ausschuss beraten undsie für unzulässig erklärt. Zum einen, weil sie das erforderliche Quorum von 20.000Unterschriften nicht erreicht hat. Aber auch – und damit sind wir wieder beim Schleswiger Urteil– weil der Gesetzentwurf der Volksinitiative dem Rechtsstaatprinzip widerspricht. Das Gutachtendes Wissenschaftliche Dienstes lässt hierzu keine Fragen offen.Wir können das doof finden, aber einfache Mehrheitsentscheidungen – sei es durchGemeindesratsbeschluss oder durch Bürgerbeteiligungen – dürfen bei der Planung keinenBelang darstellen. Bei der Entscheidung über Windeignungsflächen geht es eben nicht, um diePlanungshoheit der Gemeinden, sondern um raumordnerische Belange, die gegeneinanderabzuwägen sind. Und genau aus diesem Grund muss die planerische Festsetzung anhandnachvollziehbarer und sachlicher Gründe geschehen.Deshalb kann man zum Beispiel einen Bestandsschutz bei gleichzeitiger Höhenbegrenzung andeichnahen Standorten festlegen. Man könnte auch die sogenannten Splitterflächen in diePlanung mit aufnehmen. Beides wäre aufgrund der Stellungnahmen zum bisherigen Verfahrenmöglich und wir würden beides begrüßen. Was aber nicht geht ist, die Bedingungen imVerfahren gravierend zu ändern. Das lädt zu Klagen ein.Der Ausschuss hat sich auch mit der Volksinitiative „Für größere Abstände zwischenWindkraftanlagen und Wohnbebauung“ befasst und entschieden sie für zulässig zu erklären.Das bedeutet, wir werden uns mit der Volksinitiative im parlamentarischen Verfahren weiterbefassen. Näher möchte ich heute nicht auf den Gesetzentwurf der Volksinitiative eingehen, daich selber gespannt bin, welche Planungen die Landesregierung nun konkret vorlegen wird. Denndiese Planungen müssen ja mit dem Ansinnen dieses Bürgerbegehrens abgeglichen werden.Sollten die Planungen der Landesregierung mit dem Bürgerbegehren übereinstimmen, was jaeine Erfüllung von Wahlversprechen von CDU und FDP bedeuten würde, dann bräuchte dasBürgerbegehren nicht weiterverfolgt werden. Sollte dies nicht geschehen, wovon wir anhand der 3Erfahrungen der letzten 12 Monate ausgehen können, dann werden wir uns alle zumBürgerbegehren äußern müssen.Nun aber zu den vorliegenden Anträgen zur Windenergieplanung. Ende März hat Jamaika in derPresse verlauten lassen, wie sie sich die künftige Windenergieplanung hier im Land vorstellt. Wasfür den Bürger im Vorfeld noch als ein scheinbar unlösbarer Knoten vorkommen musste, wirduns nun als solomonische Lösung verkauft. Das Problem ist aber, dass hier die endgültigeEntscheidung weiter hinausgeschoben wird. Das heißt, die Unternehmen haben weiterUnsicherheiten und die Mitarbeiter müssen weiter um ihren Arbeitsplatz fürchten, wenn sie ihnnicht ohnehin schon verloren haben. Das ist Wirtschaftspolitik, und Energiewende undKlimaschutz à la Jamaika. Absoluter Stillstand!Das von der Küstenkoalition ausgegebene Ziel, bis zum Jahr 2025 10 Gigawatt Strom ausOnshore-Windenergie zu produzieren soll beibehalten werden. Das begrüßen wir ausdrücklich.Gleichzeitig wird an dem Konzept mit Vorranggebieten mit Ausschlusswirkung festgehalten. Daszeigt, dass die Küstenkoalition mit der landesweiten Betrachtung der Wind-Planung vollkommenrichtig gelegen hat.Die Abstände zu Siedlungen sollen auf 1.000 Meter vergrößert werden. Das gilt aber nur für neueund bislang unbebaute Vorranggebiete. Alt-Anlagen die den bisherigen Abstand von 800 Meternzu Wohnsiedlungen und 400 Metern zu Splittersiedlungen einhalten, haben auch bei JamaikaBestandsschutz. Ob allerdings eine solche Ungleichbehandlung durchträgt ist höchst ungewiss.Da sind Klagen vorprogrammiert, weil an einem Ort A 800 Meter o.k. sind und unter gleichenBedingungen am Ort B dann sogar 1.000 Meter eingehalten werden müssen.Das energiepolitische Ziel die 10 Gigawatt zu erreichen wird so nicht machbar sein. Also bracht esKompensation. Dafür werden die Abstandsregelungen zu Denkmalen, Naturschutzgebieten oderAutobahnen verringert, um den Verlust auf der anderen Seite aufzufangen. Ob dies alles sozutrifft, wie es Jamaika derzeit vermarktet, lasse ich dahingestellt, das ist derzeit kaum 4abzuschätzen. Dafür brauchen wir jetzt die konkreten Vorschläge und die darauf beruhendenKarten, damit jeder sehen kann, was die neue Planung für ihn oder sie bedeutet.Für den SSW kann ich sagen, dass das, was uns hier von Jamaika vorgelegt wird, ein politischerKompromiss par excellence ist. Natürlich wissen auch wir, dass man in einer Koalitionaufeinander zugehen muss und diese vom geben und nehmen lebt.Aber angesichts dessen, gerade wie Schwarz-Gelb mit den Abstandsregelungen im letzten Jahrnoch Wahlkampf betrieben hat, hat das, was sie jetzt vorlegen, kaum noch etwas damit zu tun.Was einen dann aber doch einigermaßen schockiert ist, dass insbesondere auch Abstände zuNaturschutzgebieten verringert werden sollen. Ich hätte immer gedacht, dass dies unterBeteiligung der Grünen nicht möglich wäre. Minister Habeck fordert auf Bundesebene dieBeschleunigung der Energiewende und hier stehen die Grünen auf der energiepolitischenBremse. Ähnlich sieht es bei den Abständen zu Denkmalschutzflächen aus. Für uns kann ichsagen, dass die bisher festgelegten Abstände zum Danewerk bisher richtig sind und nichtverkleinert werden sollten. Das Landschaftsbild am Danewerk ist genauso schützenswert wie diecharakteristischen Landschaftsräume an der Westküste. Deshalb müssen die bisherigenAbstände am Danewerk nach unserer Auffassung bleiben.Wir haben aber auch heute wieder das Problem, dass wir immer noch nicht wissen, wie dieWindflächenkarte denn nun wirklich aussehen wird. Und das gilt natürlich auch für dieBürgerinnen und Bürger.Gerade vor diesem Hintergrund, wäre es nur fair, wenn Jamaika ihre Pläne noch vor derKommunalwahl auf den Tisch legen würde, damit die Bürgerinnen und Bürger sich ein Bilddavon machen können, wie sie von der Landesregierung verschaukelt werden. Am Ende ist klar,dass wir eine unnötige Verlängerung von Planungszeiten bekommen, die insbesondere imNorden und an der Westküste Arbeitsplätze kostet und die dort natürlich auch wenigerEinkommen und Steuereinnahmen für die Kommunen bedeutet. Und genau das ist ein riesen 5Problem für uns. Hätte man an den Grundlagen der Ursprungsplanung festgehalten, dannwürden wir heute vor dem Abschluss der Planungen stehen und die Bürgerinnen und Bürger, dieGemeinden und die Unternehmen mit ihren Arbeitnehmern hätten Rechtssicherheit.Stattdessen bekommen wir möglicherweise eine Vielzahl an Klagen, weil die Bedingungen völligverändert wurden. Das heißt, die ganze Planung steht auf tönernen Füssen und das Ganze ohneNot. Das ist die eigentliche Katastrophe für die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft imLand!Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html