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21.02.18
17:47 Uhr
B 90/Grüne

Bernd Voß zum unabhängigen Zugang zu präzisen Geoinformationen

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein TOP 17 – Unabhängigen Zugang Pressesprecherin zu präzisen Geoinformationen sicherstellen Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Dazu sagt der agrarpolitische Sprecher 24105 Kiel der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Mobil: 0172 / 541 83 53 Bernd Voß: presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 061.18 / 21.02.2018

Unabhängigen Zugang zu präzisen Geoinformationen sicherstellen
Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Kolleg*innen,
Landwirtschaft ist einer der am meisten digitalisiertesten Wirtschaftsbereiche. Der Ein- satz von IT in der Landwirtschaft ist sowohl im Pflanzenbau als auch in der Tierhaltung längst gang und gäbe. Transponder und Fütterungsautomaten, automatische Klimafüh- rungssysteme, Sensoren zur Tierbeobachtung und Melkroboter mit Datenerfassung er- leichtern dem Landwirt oder der Landwirtin die Arbeit im Stall. Wetterapps und GPS- Daten unterstützen die Feldarbeit, elektronische Schlagkarteien erleichtern die Über- sicht im Büro. Und was wäre so manche ausgeklügelte Direktvermarktung ohne die Hil- fen aus der digitalen Welt.
In der Tat hat die Ausstattung mit digitalen Präzisionssystemen einen weiteren Nutzen für die Landwirtschaft: Mit der Verfügbarkeit von entsprechenden Satellitensignalen, um die es in dem vorliegenden Antrag geht, lassen sich verschiedene effiziente Anwen- dungsbereiche erschließen. Die Kollegen haben bereits die Beispiele gebracht.
Bei aller Freude über den technischen Fortschritt möchte ich auf drei Dinge hinweisen, auf die wir in der Debatte um die Digitalisierung in der Landwirtschaft ein Augenmerk legen müssen:  Digitalisierung bedeutet nicht automatisch „Ökologisierung“ oder „Sicherung der Welternährung“, wie das von einigen Interessenvertretungen gerne suggeriert wird. Ich plädiere dafür, in dieser Frage bodenständig zu bleiben und die Effizi- enzgewinne als das zu betrachten was sie sind. Effizienzgewinne liegen nach bisherigen Schätzungen bisher überwiegend im einstelligen Prozentbereich. Letztendlich können die Betriebsleiter*innen den Aufwand und Nutzen am besten Seite 1 von 3 abwägen und sollten auch stärker bei der Bedarfsermittlung und Entwicklung einbezogen werden.  Der zentrale betriebliche Erfolgsfaktor in der gesamten Geschichte der Landwirt- schaft ist die Beobachtungsgabe und lokale Entscheidungsfähigkeit der Bauern und Bäuer*innen. Erfahrungswissen leitet Entscheidungen auf dem Feld, den Umgang mit den Tieren sowie im Bereich Investition und Management. Beobach- tungswissen (tacid knowledge) in den Köpfen möglichst vieler Bäuer*innen ist daher unverzichtbare Basis der nachhaltigen Sicherung der Ernährung. Satelli- tendaten und Algorithmen können dieses Wissen ergänzen, aber nicht ersetzen.  Ein wichtiger Aspekt ist die Wahlfreiheit und Entscheidungshoheit der Land- wirt*innen im Zuge der Digitalisierung. Expert*innen gehen davon aus, dass sich im Wettrennen um „Full-Service-Angebote“ die vertikale Integration und Konzent- ration der Unternehmen im vorgelagerten Bereich verstärken wird.

Weltweit agierende Unternehmen haben bereits die Chance der Digitalisierung erkannt und möchten sich auf dem Markt einflussreich in Stellung bringen. Der Markt wird auf 240 Milliarden US-Dollar geschätzt. Nach der Übernahme des kanadischen Geodienst- leisters Zoner (mit dessen Software können Satellitenbilder landwirtschaftlicher Flächen aus den letzten 30 Jahren analysiert werden) und mit der mittelständischen Firma Pro- plant aus Münster bietet Bayer Digital Farming ein umfangreiches Programm zur Da- tenauswertung und Pflanzenschutzberatung an.
Die technische Umsetzung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Landmaschinenherstel- ler Claas. Claas wiederum diskutiert mit Google über eine mögliche Zusammenarbeit. Auch Monsanto hat sich mit dem Unternehmen The Climate Corporation auf dem Markt für digitale Feld- und Bestandsanalysen erfolgreich etabliert. Sie arbeitet in der Land- technik mit John Deere und der weltweiten Nummer drei bei den Landmaschinenher- stellern, der US Firma AGCO, zusammen.
Als im November 2015 bekannt wurde, dass John Deere die Monsantotochter Precision Planting LLC übernehmen wollte, hat das US-Justizministerium diese Übernahmepläne im September 2016 gestoppt. Der Grund: 86 Prozent des Marktes für „high speed pre- cision planting“ lägen im Falle einer Fusion in nur einer Hand.
Die Strategie hinter den Zusammenschlüssen der Saatgut-, Agrochemie- und Technik- unternehmen ist, das Produktportfolio zu verbreitern und sich eine möglichst starke weltweite Monopolstellung zu erarbeiten. Die Übernahmebemühungen von Monsanto durch Bayer mit Summen von 66 Milliarden US-Dollar sind insbesondere dem Streben nach Marktmacht in der Digitalisierung von Land- und Ernährungswirtschaft im Verbund mit Landmaschinen, Saatzucht und Pflanzenschutzindustrie geschuldet. Hier stellen sich entscheidende Fragen zu Macht und Manipulation durch weltweite Monopolbildun- gen in der Landwirtschaft. Und das Risiko des Verlustes von vielfältigem Innovationspo- tential.
 Spätestens wenn die Kompatibilität von Datensystemen endet oder Un- ternehmenskooperationen die ganze Dienstleistungskette von der Land- technik, Saatgut, Pflanzenschutz und Beratung abdecken, werden Wahl- freiheit, Entscheidungshoheit und individuelle standortangepasste Be- triebsentwicklung eingeschränkt. 2  Auf die Fragen des Datenschutzes und Besitzes der Daten will ich an die- ser Stelle nur hinweisen.  Das zentrale Anliegen in diesem Projekt besteht darin, die Unabhängigkeit der landwirtschaftlichen Betrieben bei uns gegenüber Dienstleistern mit wachsender Monopolstellung zu verringern und einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen.  Mit dem Angebot eines kostengünstigen aber auch kostendeckenden Zu- gangs zu Satellitendaten aus öffentlicher Hand möchten wir die Unabhän- gigkeit der Landwirt*innen gegenüber entsprechenden Dienstleistungsun- ternehmen stärken und die Voraussetzungen für einen fairen Wettbewerb für kleine und mittelständische Anbieter und vielseitige Angebote schaffen.

Mit der Digitalisierung und dem Smart, beziehungsweise Precision Farming werden nicht die grundsätzlichen Fehlentwicklungen in der Agrarpolitik und ihre Auswirkungen auf die Umwelt korrigiert, geschweige denn aufgehoben. Auch wenn ökologisch sowie sozial viel Gewinnbringendes bei der Digitalisierung der Landwirtschaft seit Jahren er- lebbar ist, werden die ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen maßgeblich bleiben.
Auch für Landwirtschaft 4.0 gilt: Ohne eine Agrarwende könnte es das Träumen einer digitalen Fata Morgana bleiben.
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