Beate Raudies zu den TOP 5 + 37: Die von der Küstenkoalition erarbeiteten finanziellen Spielräume werden von Jamaika nicht richtig genutzt!
Es gilt das gesprochene Wort!Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html Kiel, 21. Februar 2018TOP 5+37: Haushalt 2018 (Drs-Nr.: 19/360, 19/368, 19526)Beate Raudies:Die von der Küstenkoalition erarbeiteten finanziellen Spielräume werden von Jamaika nicht richtig genutzt! Neun Monate nach der Landtagswahl legt die Jamaika-Koalition ihren ersten Haushalt vor. Besser spät als nie! Mir stellt sich allerdings die Frage, warum es denn so lange gedauert hat? Denn in großen Teilen ist der Haushalt von Jamaika eine Fortsetzung der Politik der Küstenkoalition. Welche neuen Impulse für Schleswig-Holstein gehen denn von Ihrem Haushalt aus, meine Damen und Herren von der Koalition? Angesichts der sprudelnden Steuereinnahmen ist der Haushaltsentwurf der Koalition ein politisches Armutszeugnis. Sie geben das Geld mit vollen Händen aus – aber wofür? Die aktuellen Rahmenbedingungen bieten bei weitem größeres Potenzial, um die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes zu entlasten. Der Haushaltsentwurf 2018 der Landesregierung sieht inklusive Nachschiebeliste bereinigte Einnahmen von 12,140 Mrd. Euro vor. Damit sind die bereinigten Einnahmen gegenüber dem letzten Haushalt der Küstenkoalition erneut gestiegen, nämlich um mehr als 800 Millionen Euro. Dass Jamaika für Projekte wie Entlastung der Kita-Eltern oder Weihnachtsgeld angeblich keine Mittel zur Verfügung stehen, ist angesichts dieser Einnahmesituation nichts weiter als ein Vorwand. Für uns ist ganz klar: Das viele Geld muss auch bei den Menschen im Land ankommen!Heute lese ich in der Zeitung, der Herr Sozialminister ermahne die Kommunen, die Kita-Beiträge stabil zu halten und die Eltern nicht zu belasten. Was für ein verzweifelter Versuch! Dann schließen Sie sich doch 2unseren Gesetzentwurf an und wagen den Einstieg in die Beitragsfreiheit – das wäre ein Zukunftsprojekt für Schleswig-Holstein.Weit bedenklicher finde ich, dass Sie diejenigen, die einen Großteil zu Ihrer erfolgreichen Ausgangsposition beigetragen haben, von der Teilhabe am Erfolg ausschließen. Ich meine die mehr als 65 000 Beschäftigten des Landes Schleswig-Holstein! Lassen Sie mich drei Beispiel nennen: Jamaika darf die Verbesserung der Besoldung unserer Grundschullehrkräfte nicht mehr auf die lange Bank schieben. Wir wollen mit der Anhebung von A12 auf A13 ab dem Schuljahresbeginn 2018/19 ein klares Zeichen setzen. Beamtinnen und Beamte leisten täglich hervorragende Dienste für das Land und haben deshalb unsere Wertschätzung und Anerkennung verdient – und nicht nur warme Worte! Darum wollen wir den gewonnenen Spielraum im Haushalt nutzen und die Kürzungen bei Weihnachts- und Urlaubsgeld schrittweise innerhalb der nächsten 3 Jahre zurückzunehmen. Und trotz der nachhaltig guten Haushaltslage kann sich Jamaika nicht dazu entschließen, die Streichung von 150 Stellen für länger dienende Polizeibeamte Ende 2019 endlich aus dem Haushalt herauszunehmen. Diese Stellen werden aber dringend benötigt, bis der akute Bedarf durch die erhöhten Absolventenzahlen der Polizeiausbildung gedeckt werden kann.Nun hat Frau Heinold angekündigt, den Landesdienst attraktiver machen und dazu die Gehalts- und Besoldungsstruktur überprüfen zu wollen. Gut so! Jamaika hört also die Signale. Aber warum soll das Konzept denn erst 2019 vorliegen? Hier ist Eile geboten! Und warum lehnen Sie dann unseren Gesetzentwurf zu den Sonderzahlungen im Finanzausschuss ohne ein Wort ab, anstatt in eine breite Diskussion zum Thema einzusteigen? Eine Reform des Öffentlichen Dienstes mit Veränderungen in der Besoldungs- und Tarifstruktur und dem Laufbahnrecht erledigt man nicht einfach im Vorbeigehen. Und Sie täten gut daran, für diese Reform nach breiter Unterstützung zu suchen!Sie werfen uns Fahrlässigkeit vor und verweisen auf den Status von Schleswig-Holstein als Haushaltskonsolidierungsland. Aber das erste, was wir von Jamaika in Sachen Personalausgaben hören, ist: Der Stellenabbaupfad ist Geschichte! Die „haushalterische“ Luft ist vorhanden – der Abstand zur Obergrenze beträgt noch 267 Millionen Euro. Warum Jamaika im Gegensatz zu anderen Bundesländern und angesichts dieser Zahlen noch immer keine Möglichkeit sieht, etwas Substanzielles für die Beschäftigten zu tun, ist uns völlig unverständlich. So wird Schleswig-Holstein den Kampf um die besten Nachwuchskräfte nicht gewinnen können.Mit unseren alternativen Haushaltsanträgen schaffen wir Verbesserungen, insbesondere für die Bereiche Bildung, Kommunen, Personal, Soziales und Kitas. Darüber hinaus wollen wir durch die neu gewonnenen Spielräume die Bereiche kommunaler Wohnungsbau, Jugend und Minderheiten stärken. Schade, dass Ihnen zu unseren Anträgen nichts weiter einfällt als „unsolide gegenfinanziert“. Darum noch einmal zum 3Mitschreiben: Wir haben diverse Einnahme- und Ausgabentitel kritisch betrachtet und an die tatsächliche Erwartung angepasst, unter anderem die Zinsausgaben – wie die Regierung auch! Außerdem verzichten wir auf die Zuführung zum Sondervermögen MOIN in Höhe von 32 Millionen Euro. Denn zurzeit ist nicht klar, für welche Projekte das Geld ausgegeben werden soll – so hat es jedenfalls die Finanzministerin im Finanzausschuss erklärt. Es ginge, so Frau Heinold, nur darum, das Geld im Sondervermögen aufzubewahren. Weiterhin schichten wir globale Mehrausgaben für Personalkosten um für tatsächliche Projekte, nämlich die Wiedereinführung des Weihnachtsgeldes und die Besoldung der Grundschullehrkräfte nach A 13. Der Haushalt bleibt nicht nur schuldenfrei, auch die vorgesehene Tilgung wird nicht verringert! Und dies alles ist möglich, weil – wie die Finanzministerin selbst sagt – die Landesregierung „bei der Aufstellung des Haushalts mit Netz und doppeltem Boden gearbeitet“ hat.Es überrascht mich schon ein bisschen, wenn der Kollege Vogt in diese Zusammenhang jetzt vor einem Zinsanstieg warnt. Herr Vogt, lesen Sie eigentlich die Papiere, die Ihre Landesregierung verabschiedet? Im Bericht der Landesregierung zur Fortschreibung der Finanzplanung 2022 – 2027 heißt es wörtlich: „Die mittel- bis langfristige Planungssicherheit im Landeshaushalt hat sich aufgrund der Zinssicherungen wesentlich erhöht. Eine zu erwartende Erhöhung der Zinsen wird sich somit deutlich zeitverzögern bzw. unterproportional in steigenden Zinsausgaben niederschlagen.“ Damit will ich das Zinsänderungsrisiko nicht kleinreden. Auch angesichts der zu erwartenden Belastungen aus dem Verkauf der HSH-Nordbank bleiben die Zinsausgaben angesichts des Verschuldungsniveaus eines der bedeutendsten Risiken auf der Ausgabenseite. Aber dann frage ich Sie doch, meine Damen und Herren von der Koalition, wieso Sie denn nicht mehr für die Schuldentilgung tun? Das haben Sie doch selbst in der Hand! Mit der Nachschiebeliste haben Sie die Tilgung sogar noch um 23 Millionen Euro reduziert! Kein Wunder, dass die Präsidentin des Landesrechnungshofs Sie ermahnt! Aber was tut Jamaika? Das Geld wandert in Sondervermögen, die mindestens zwei der Regierungsparteien vor der Wahl noch als überflüssig und hochgradig albern bezeichnet haben. Rund 850 Millionen Euro liegen dort, von denen in diesem Jahr nicht einmal die Hälfte ausgegeben werden kann.Sie loben sich für die historisch hohe Investitionsquote von fast 10%. Angesichts der gestiegenen Einnahmen ist es auch keine Kunst, jetzt zu investieren. Wie sagte der frühere Ministerpräsident Peter Harry Carstensen doch so schön: „Das hätte meine Oma auch gekonnt!“ Außerdem hat die Küstenkoalition Ihnen hier ein gut bestelltes Feld hinterlassen. „Die konsequente Haushaltsdisziplin zahlt sich nun positiv aus“, erklärte die Finanzministerin kürzlich. Vielen Dank für dieses Lob, Frau Heinold! Es bestätigt im Nachhinein die Richtigkeit der rot-grün-blauen Haushaltspolitik! Die finanziellen Freiräume, die die Küstenkoalition in den letzten Jahren hart erarbeitet hat, stehen Ihnen nun zur Verfügung. Ob und wieweit die geplanten Investitionen realisiert werden konnten, sehen wir am Jahresende. Dann rechnen wir gerne noch einmal nach.Mein Fazit: Jamaika fehlt es nicht am Geld, wohl aber am politischen Gestaltungswillen!