Lars Harms: Sozialversicherungsabkommen für plumpe Stimmungsmache zu missbrauchen ist einfach nur billig
Presseinformation Kiel, den 26.01.2018Es gilt das gesprochene WortLars Harms TOP 28 Deutsch-türkisches Sozialversicherungsabkommen aufkündigen Drs. 19/452 „Dieser Vorstoß ist an Sinnlosigkeit kaum zu überbieten“Die so genannte Alternative für Deutschland macht derzeit ja vor allem durchPersonalquerelen und Mobbingvorwürfe von sich reden. Das löst zumindest bei mir denstarken Wunsch aus, mich den wichtigen Sachthemen zuzuwenden, die wir auf derTagesordnung haben. Doof nur, dass auch der vorliegende Antrag der AFD zur Aufkündigungdes deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens an Sinnlosigkeit kaum zu überbietenist. Dabei ist doch allgemein bekannt, dass diese Initiative alles andere als neu ist. Sie wurdealso einfach völlig unreflektiert übernommen. Und wenn ich ehrlich sein darf, dann lässt dieTatsache, dass auch schon die NPD versucht hat, hiermit Stimmung zu machen, verdammt tiefblicken.Aber kommen wir zum eigentlichen Thema: Wie wir wissen, stammt das deutsch-türkischeSozialversicherungsabkommen, das aus AFD- und NPD-Sicht so entbehrlich ist, aus dem Jahr 21964. Richtig ist, dass in der Türkei lebende Familienangehörige eines in Deutschlandkrankenversicherten Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin mitgeschützt sind. Imabsoluten Regelfall sind hierdurch die Ehepartner oder Kinder mitversichert. In seltenen Fällenauch die Eltern, sofern sie nicht selbst berufstätig sind. Wenn diese Angehörigen also in derTürkei zum Arzt gehen, geht die dortige Krankenversicherung in Vorleistung. Im Übrigenwerden die Behandlungskosten mittels einer Pauschale von der deutschenKrankenversicherung getragen. Das heißt, es wird nicht jeder Einzelfall abgerechnet, sondernman hat sich auf eine Pauschale pro Versicherten geeinigt.An dieser Regelung ist aus Sicht des SSW rein gar nichts anstößig. Ja sie ist noch nicht einmalbesonders ungewöhnlich. Das Modell Familienversicherung ist in Deutschland doch völlignormal. Krankenversicherte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können auch hierzulandeIhre Kinder und Ehepartner mitversichern. Der einzige Unterschied und vermeintliche Grundfür unsinnige Neiddebatten ist, dass die betroffenen Angehörigen auch die Eltern sein können,und dass sie im Ausland wohnen. Doch hierfür gibt es aus Sicht des SSW gute Gründe:Deutschland hat in den 1960er Jahren unter anderem mit dieser sozialen Leistung umArbeitskräfte geworben.Heute machen die Zahlungen, die in diesem Rahmen gewährt werden, ganze 0,01 Prozentunserer Gesamtausgaben im Gesundheitsbereich aus. Noch dazu gibt es nicht den geringstenAnhaltspunkt für irgendeinen Missbrauch dieser Regelung. Die Kritiker dieses Abkommens,allen voran NPD und AFD, stützen sich offensichtlich einzig und allein auf eins. Und zwar denUmstand, dass Leistungen für Menschen übernommen werden, die im Ausland leben undtürkische Staatsangehörige sein könnten. 3Einigermaßen kurios ist aus meiner Sicht auch, dass man ganz offensichtlich grundlegendeDetails dieses deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens vergisst oder unterschlägt:Denn dieser Vertrag gilt naturgemäß in beide Richtungen. Mit der Aufkündigung würde auchder Versicherungsschutz von deutschen Türkeitouristen oder von in der Türkei lebendendeutschen Rentnern aufgehoben. Ich bin mir nicht sicher, ob auch diese Auswirkungen imSinne der NPD und der AFD wären. Aber das ist mir eigentlich auch egal.Eins muss ich vor diesem Hintergrund aber in aller Deutlichkeit sagen: Wer auf dieser Basisirgendwelche Ressentiments befördern will und den betroffenen Menschen so etwas wie eineMitnahmementalität unterstellt, sollte sich schämen. Dieses Thema für plumpeStimmungsmache zu missbrauchen ist einfach nur billig. Deutschland hat mit einer ganzenReihe von Ländern ähnliche Sozialversicherungsabkommen. Neben der Türkei auch mit Staatenwie den USA, Australien oder Israel. Und der SSW sieht nicht den geringsten Grund, warum wiran dieser Praxis etwas ändern sollten.Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html