Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen: Zuwanderungsbeauftragter fordert Schutz für Flüchtlingsfrauen
Nr. 221 / 24. November 2017Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen: Zuwanderungsbeauftragter fordert Schutz für FlüchtlingsfrauenAnlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen (25. November) fordert der Beauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen des Landes einen effektiven Schutz für geflohene Frauen. Auf der Flucht gehören Frauen, allein oder mit Kindern, zu den am stärksten gefährdeten Gruppen – ihnen drohen Diskriminierung, Gewalt und sexuelle Übergriffe. „Gewalt gegen Frauen ist allerdings nicht nur ein Problem von Flüchtlings- frauen“, betonte Stefan Schmidt heute (Freitag) ausdrücklich.Physische oder psychische Gewalttätigkeit seien Delikte, die alle Frauen treffen könnten, so Schmidt. Die Frauenhäuser in Deutschland seien über die Kapazitätsgrenzen hinaus belegt mit Frauen, aber auch Kindern, die Opfer häuslicher Gewalt sind. Untersuchungen zufolge haben fast 40 Prozent der Frauen in Deutschland seit ihrem 16. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt. Überwiegend Partner oder Ex-Partner wenden Gewalt gegen Frauen an, meist im häuslichen Bereich. „Dabei handelt es sich nicht um ein schichtenspezifisches Phänomen“, erklärte Schmidt. „Gewalt gegen Frauen ist klassischerweise ein Herrschaftsinstrument der Männer. Sie ist aber auch eine Kriegswaffe und ein Kriegsmittel.“ Als Beispiele der jüngeren Vergangenheit nannte Schmidt den Bosnienkrieg, den Konflikt im Kongo oder die Gewalttaten, die Yesidinnen durch den Islamischen Staat erlitten.„Verhältnismäßig wenig Frauen machen im Asylverfahren eine geschlechtsspezifische Verfolgung geltend – obwohl Gewalt und Diskriminierung gegen sie ein Massenphänomen ist.“, hob der Beauftragte hervor. Als Beispiele nannte er Gewalt im häuslichen Bereich, durch Sicherheits- kräfte, Soldaten oder Terroristen. Auch bei gesellschaftlichen Zwängen und ausgrenzenden, herabwürdigenden und diskriminierenden weltlichen oder religiösen Vorschriften forderten vergleichsweise wenige Frauen in Deutschland einen spezifischen Schutz ein. „Die Gründe sind vermutlich vielseitig. Möglichweise fehlt das Bewusstsein, dass die eigenen bitteren Erfahrungen einen Schutzstatus nach sich ziehen können. Es mag auch an emotionalen Hürden wie Schamgefühlen oder Angst liegen. Traumatisierung ist sicher ein Faktor, ebenso mangelnde Aufklärung über die rechtlichen Möglichkeiten“, so Schmidt. „Hier gilt es, die Frauen auf 2Verfahrensmöglichkeiten hinzuweisen und in ihren Rechten zu stärken.“ Dafür brauche es beispielsweise eine kultursensible, umfassende und auf die jeweiligen Bedarfe der Frauen eingehende Verfahrensberatung. Außerdem müsse ein soziales Umfeld geschaffen werden, das die Situation der von Gewalt und oder geschlechtsspezifischer Verfolgung betroffenen Frauen auf der Flucht berücksichtige. Ein solches Umfeld sei nicht nur in den Landesunterkünften notwendig, sondern auch in den kommunalen Unterkünften, bei der Zuweisung der Kreise und innerhalb der Kreise sowie bei einer späteren, von den betroffenen Frauen gewünschten oder notwendig gewordenen länder- oder kreisübergreifenden Umverteilung. „Auf die Unterbringung von geflohenen Frauen muss dringend ein besonderes Augenmerk gelegt werden“, unterstrich der Zuwanderungsbeauftragte.In Schleswig-Holstein leben zurzeit etwa 9.000 Geflüchtete in kommunalen Unterkünften. Für Land und Kommunen ist es ein wichtiges Anliegen, diesen Menschen nach ihrer Flucht ein schützendes Zuhause zu bieten. „Deswegen hat der Gewaltschutz im Rahmen von Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten eine hohe Priorität“, so Schmidt. Laut der „Study on Female Refugees1“ bezogen sich 68 Prozent der Antworten auf die Frage nach den größten Schwierigkeiten in den Unterkünften auf die Kategorien „Atmosphäre“, „Diskriminierung“ und „Respektlosigkeit“. „Es liegt also auf der Hand, dass die Gestaltung einer gewaltfreien, schützenden Atmosphäre im Fokus der Unterbringung steht“, mahnte Schmidt.Mit der Ratifizierung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (der sogenannten Istanbul-Konvention), dem Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen und der Bundesinitiative zum Schutz von Frauen und Kindern in Flüchtlingsunterkünften des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und Unicef wird auf Bundesebene deutlich gemacht, dass Gewaltschutz- maßnahmen zu einer menschenwürdigen Unterbringung von Geflüchteten künftig verpflichtend dazugehören werden.Vor diesem Hintergrund fordert der Zuwanderungsbeauftragte effektive Gewaltschutzkonzepte in sämtlichen Unterkünften. Die Dienststelle des Beauftragten wird noch im laufenden Jahr entsprechende Empfehlungen herausbringen und veröffentlichen.1 Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration: Abschlussbericht, Study on Female Refugees, Repräsentative Untersuchung von geflüchteten Frauen in unterschiedlichen Bundeslän- dern in Deutschland, Berlin 2017, S. 31.