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17.11.17
12:45 Uhr
B 90/Grüne

Burkhard Peters zur Personalbedarfsanalyse im Justizvollzug

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort! Pressesprecherin Claudia Jacob TOP 26 – Personalbedarfsanalyse Justizvollzug Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Dazu sagt der innen- und rechtspolitische Sprecher 24105 Kiel der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Zentrale: 0431 / 988 – 1500 Durchwahl: 0431 / 988 - 1503 Burkhard Peters: Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh-gruene-fraktion.de
Nr. 348.17 / 17.11.2017

Personalbedarfsanalyse im Justizvollzug:
Nicht nur eine Frage der Quantität, sondern auch der Qualität

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Zuschauer*innen,
Schleswig Holstein hat sich 2016 ein neues Landestrafvollzugsgesetz gegeben. Im Ländervergleich ist es in vielen Punkten top. Stichworte: Behandlungsvollzug, Familien- orientierung, neue Medien in der Haft, weg vom Zwang zur Anstaltskleidung, längere Aufschlusszeiten.
Ein gutes Gesetz benötigt bei der Umsetzung auch die notwendigen persönlichen Res- sourcen. Das wollen wir in dieser Wahlperiode in der Jamaika-Koalition auf den Weg bringen. Dabei muss am Anfang stehen, den tatsächlichen Personalbedarf unter den neuen gesetzlichen Vorgaben konkret zu ermitteln und unter Mithilfe externen Sachver- standes. Dem dient der vorliegende Antrag.
Dass dies angesichts der diversen Haftanstalten im Lande mit teilweise sehr unter- schiedlich zusammengesetzten Gefangenenklientel und sehr unterschiedlichen bauli- chen und organisatorischen Gegebenheiten alles andere als ein banales Unterfangen ist, ergibt sich unmittelbar aus der Begründung unseres Antrages.
Ich will meine heutige Rede aber dazu nutzen, darauf hinzuweisen, wie komplex und teilweise widersprüchlich die Anforderungen an die Menschen sind, die als Mitarbei- Seite 1 von 2 ter*innen in einer JVA einen modernen Strafvollzug umsetzen sollen. Und das betrifft sowohl die große Zahl der unmittelbar mit den Inhaftierten arbeitenden Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes, als auch die Fach- und Führungskräfte. Denn es geht nicht nur um den „sicheren Einschluss“, sondern zu allererst darum, die inhaftier- ten Menschen auf ein Leben ohne Straftaten nach der Haft vorzubereiten.
Der Grundwiderspruch liegt auf der Hand: Strafhaft ist für die Inhaftierten ein vom Staat bewusst zugefügtes, zeitlich dosiertes, gleichzeitig streng reglementiertes Übel. Das Personal einer JVA ist also dienstlich beauftragt, den Inhaftierten eine schmerzhaft empfundene Beschneidung ihrer Bewegungs- und Handlungsfreiheit angedeihen zu lassen. Sie müssen tagtäglich gesetzlich legitimierten Zwang ausüben.
Gleichzeitig sollen alle Bediensteten den Behandlungsvollzug umsetzen, also eine Rolle einnehmen, bei der Zuwendung, Freundlichkeit und Achtsamkeit gefragt sind, um die bei den einzelnen Gefangenen gegebenen Ressourcen für ein straffreies Leben zu er- kennen, abzurufen und zu fördern. Schon dieser Spagat ist alles andere als einfach.
Hinzu kommt, dass die Menschen, mit denen die Mitarbeiter*innen der JVA tagtäglich konfrontiert sind, meist kompliziert und oft gewalterfahren sind. Es gibt hochproblemati- sche Subkulturen und Hierarchien unter den Inhaftierten. Der Anteil von psychisch auf- fälligen, ja kranken Menschen, ist zunehmend hoch. Oft sind Inhaftierte gleichzeitig in der Lage, ein hohes Manipulationspotential aufzubauen. Alle Bediensteten einer JVA brauchen daher auf der einen Seite ein hohes Maß an Toleranz und gleichzeitig ein großes Fingerspitzengefühl im Umgang mit Menschen.
Ein Drittes kommt hinzu: Die JVA ist ein hinter hohen Mauern versteckter, geradezu verdrängter Ort. Wenn es überhaupt Nachrichten aus Gefängnissen gibt, sind es in der Regel schlechte. Über Ausbrüche, Gewalt oder Suizide. Eine positive Konnotation gibt es nicht. Gleichzeitig ist der „Knast“ Objekt von vielen Fehlvorstellungen und von Pro- jektionen in der Gesellschaft. Dieses Stigma färbt ab auf die Menschen, die beruflich in diesem Feld unterwegs sind. Das böse Wort vom „Schließer“ bringt das Problem auf den Punkt.
Für mich steckt hinter dem Wort „Personalbedarfsanalyse“ unter Berücksichtigung die- ser Umstände also nicht nur ein quantitatives Problem, sondern fast noch mehr ein qua- litatives. Wie müssen Menschen unterwegs sein, sich in diesem denkbar problembehaf- teten und komplizierten Berufsfeld zu behaupten? Wie müssen sie ausgebildet sein? Was müssen wir ihnen von Seiten der Politik mitgeben, damit sie die ihnen aufgebürde- ten Anforderungen auch wirklich erfüllen können, ohne Schaden zu nehmen?
Dass es in diesem Bereich Defizite gibt, belegen nicht zuletzt die hohen Krankenstände bei den Bediensteten des Justizvollzugs. Die teilweise erschreckend hohen Überstun- denzahlen tun ihr Übriges. Die Gewährleistung zahlenmäßig ausreichenden Personals in unseren Haftanstalten ist daher unabdingbar. Eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die anspruchsvolle Arbeit in einem modernen Gefängnis, eine Imagekampagne für den humanen Strafvollzug und für die in diesem Berufsfeld tätigen Menschen sollte nach unserer Vorstellung hinzukommen.
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