Jette Waldinger-Thiering: Der Sozialstaatsgedanke sollte eine tragende Säule der europäischen Zusammenarbeit sein
Presseinformation Kiel, den 16. November 2017Es gilt das gesprochene WortJette Waldinger-ThieringTOP 19 Die Zukunft der EU-Finanzen und ihre Auswirkungen auf Schleswig-Holstein Drs. 19/307 „Wenn wir über Geld reden, dann müssen wir zu aller erst über Inhalte reden!“Die EU-Kommission hat, wie wir jetzt bereits gehört haben, ein Reflexionspapier vorgelegt.Dieses Reflexionspapier, welches sich ausschließlich dem Thema EU-Haushalt widmet, beruhtauch auf einem ausgearbeiteten Papier zur Zukunft der EU, welches von Mario Monti und eineHand voll anderer hochrangiger EU-Politikern präsentiert wurde. Zudem steht dasReflexionspapier der EU-Kommission in Zusammenhang mit dem Weißbuch der Kommission,welches am 1. März 2017 öffentlich präsentiert wurde. Auch hier geht es wieder um die Zukunftder EU. Und auch der französische Präsident Macron hat vor zwei Monaten eine Grundsatzredezur Zukunft der Europäischen Union an der Pariser Universität Sorbonne gehalten. Und jetztam Montag war in den Medien zu lesen, dass EU-Parlamentspräsident Tajani ebenfalls einen 2Vorstoß zum Thema Zukunft und EU-Finanzen gemacht hat. Es lässt sich unschwer erkennen,dass das Thema Zukunft der EU derzeit rege diskutiert wird. Und das ganz zu Recht. DieHerausforderungen sind groß. Die Ansprüche und Erwartungen ebenso. Von daher gilt es dieaktuelle Debatte erst einmal zu begrüßen, auch weil sie sozusagen auch von innen herausgetragen wird.Die grundlegende Frage, die in dem genannten Reflexionspapier der EU-Kommission gestelltwird lautet: Wofür sollte der EU-Haushalt verwendet werden? Und wie viel Geld braucht einEU-Haushalt? Dabei mag es wenig überraschen, dass von Seiten der Verfasser ganz klarmitschwingt, dass mehr Geld für den EU-Haushalt vonnöten ist. Doch ehe man sich nun aufeine technische Debatte stürzt und um ein Prozent mehr oder weniger an Beiträgen für denEU-Haushalt streitet, sollte es doch vor allem um Inhalte gehen. Für uns als SSW steht zumindestens fest: Wenn wir über Geld reden, dann müssen wir zu aller erst über Inhalte reden!Denn was nützt ein reformierter und technisch hochmodern ausstaffierter Haushalt, wenn dieInhalte nicht Konsens sind?Dabei ist es doch seit Jahrzenten zur allgemeinen Praxis in den Mitgliedsstaaten, die heimischePolitik verstärkt nach den Fördertöpfen der EU zu richten. Es wird zunehmend darauf geachtet,wo, wann und vor allem wie man hier etwas abgreifen kann. Verstehen Sie mich nicht falsch,eine solche Vorgehensweise mag nicht weiter verwerflich sein. Jedoch werden die eigentlichenpolitischen Inhalte in einer solchen Situation viel zu kurz gehalten. Das ist aus unserer Sichtdurchaus bedauerlich. Dabei sollte es doch darum gehen, die EU als eine sozialeStaatengemeinschaft zu verstehen, in dem nicht nur die Fördertöpfe regieren, sondern derSozialstaatsgedanke eine tragende Säule der europäischen Zusammenarbeit bildet. Die EUsollte daran arbeiten, das Leben in der gesamten Union lebenswert zu machen und dabei denAspekt der sozialen Gerechtigkeit zu forcieren. Der Grundgedanke muss sich ändern innerhalb 3der Mitgliedsstaaten und auch der Umgang miteinander muss sich ändern. Jedoch lässt sichein solches Ziel weder mit einer gesetzlichen Regelung erreichen, noch mit einemReflexionspapier. Ein solcher Gedanke kann nur von unten her wachsen. Die kommendeBundesregierung sollte daher in Zukunft auch vermehrt das Gespräch suchen, mitMitgliedsstaaten die vielleicht nicht zu den engsten Partnern in der Europapolitik gehören. Wirim schleswig-holsteinischen Landtag werden das Handeln der kommenden Bundesregierungdiesbezüglich sicherlich, ganz genau beobachten.Eins ist klar: Die Rufe nach der Frage der Zukunft der Europäischen Union werden immer lauter.Die unterschiedlichsten Vorschläge diesbezüglich liegen auf dem Tisch. Es muss sich etwasverändern, um die Integrität der Union auch in Zukunft sichern zu können. Die aktuelleDebatte um eine Reform ist eine Chance, die wir auch nutzen sollten.Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html