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15.11.17
11:52 Uhr
SSW

Flemming Meyer: Es reicht einfach nicht, an Symptomen herumzudoktern

Presseinformation Kiel, den 15.11.2017

Es gilt das gesprochene Wort



Flemming Meyer TOP 16 Verbesserung der Situation der Wohnungslosen in Schleswig-Holstein Drs. 19/300

„Wenn wir den Betroffenen wirklich helfen wollen, brauchen wir nachhaltige Veränderungen in der Wohnungs- und Sozialpolitik“

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe fordert seit langem eine einheitliche
Wohnungsnotfall-Berichterstattung auf gesetzlicher Grundlage. Weil sich hier aber kaum
etwas bewegt, gibt es weder für den Bund noch für das Land verlässliche Zahlen. Doch
aufgrund der bisherigen Erfahrung und nach allem, was Experten schätzen, ist die Lage
dramatisch: Im Jahr 2014 waren circa 335.000 Menschen in Deutschland ohne Wohnung. Diese
Zahl wird bis 2018 voraussichtlich auf deutlich über eine halbe Million Wohnungslose steigen.
Hier geht es längst nicht nur um Ballungsgebiete oder Großstädte. Auch bei uns in Schleswig-
Holstein nimmt die Zahl der Hilfesuchenden seit Jahren zu. 2
Für den SSW ist eins völlig unstrittig: Selbst wenn es nicht zum erwarteten Anstieg bei den
Wohnungslosenzahlen kommen sollte, müssen wir dringend handeln. Denn die allerwenigsten
Betroffenen wählen dieses Schicksal freiwillig. Wir müssen endlich allen, die Hilfe brauchen,
auch die entsprechenden Angebote machen. Und zwar am tatsächlichen Bedarf orientiert,
ausreichend finanziert und niedrigschwellig. Wir dürfen nicht länger hinnehmen, dass es
mitten unter uns Menschen gibt, die dauerhaft in Notunterkünften oder ganz ohne Dach über
dem Kopf leben.



Wir sollten uns bewusst machen, dass wohnungslose Menschen in vielen Lebensbereichen
umfassend ausgegrenzt werden. In Zeiten, in denen Wohnraum ohnehin knapp ist, haben sie
kaum Chancen, eine Wohnung zu finden. Hinzu kommt, dass Ihnen der Zugang zum
Arbeitsmarkt versperrt bleibt. Auch die Gesundheitsversorgung ist für sie sehr oft nicht mehr
bezahlbar. Und wer erstmal ganz ohne Unterkunft auf der Straße lebt, muss nicht nur verbale
sondern häufig sogar körperliche Gewalt und weitere Diskriminierung fürchten. Auch wenn
eine Wohnung natürlich ein ganz wesentlicher Punkt ist, ist sie für die meisten Betroffenen
trotzdem nur ein Teil der Lösung.



Machen wir uns doch nichts vor: Wenn wir diesen Menschen wirklich helfen wollen, brauchen
wir nachhaltige Veränderungen in der Wohnungs- und Sozialpolitik. Hier läuft seit Jahren
einiges schief: Es fehlt an sozialem und bezahlbarem Wohnraum. Im Vergleich zu 2002 gibt es
eine Million Sozialwohnungen weniger. Noch dazu fehlen Millionen von Klein- und
Kleinstwohnungen. Hier können und müssen wir auch auf Landesebene mehr tun. Und
gleichzeitig werden die Armutsrisiken eben leider nicht wirkungsvoll genug bekämpft.
Atypische und prekäre Beschäftigung nimmt zu. Und viele Sozialleistungen sind schlicht und
einfach zu gering, um vor Armut zu schützen. Vor diesem Hintergrund reicht es einfach nicht,
an Symptomen herumzudoktern. 3



Wenn es um eine verbesserte Situation der Wohnungslosen insgesamt geht, müssen wir aus
Sicht des SSW also möglichst umfassend ansetzen: Im Zentrum der Bemühungen sollte
natürlich die Prävention stehen: Allen, die in Not sind und denen der Verlust der Wohnung
droht, muss so geholfen werden, dass sie gar nicht erst obdachlos werden. Das klingt zwar
selbstverständlich - funktioniert aber ganz offensichtlich nicht immer. Die Wohnungslosenhilfe
weist unmissverständlich darauf hin, dass bis heute längst nicht alle gesetzlichen Regelungen
zum Abwenden von Wohnungsverlust und zum Erhalt von Wohnraum ausgeschöpft werden.
Schon hier passiert also zu wenig. Sollten Betroffene trotzdem ihre Wohnung verlieren, hat die
Ersatzbeschaffung von Wohnraum oder die Vermittlung an weiterführende und vor allem
bedarfsgerechte Angebote natürlich höchste Priorität. Auch hier haben Kommunen, aber auch
Land und Bund, eine ganz konkrete Aufgabe.



Neben diesen wichtigen Detailfragen muss Wohnungslosigkeit aber vor allem durch
wohnungs- und sozialpolitische Reformen eingedämmt werden. Zum einen müssen wir Armut
und die Ursachen hierfür endlich wirkungsvoller bekämpfen. Und zum anderen muss Wohnen
natürlich bezahlbar sein und auch bleiben. Das ist die eigentliche Aufgabe.



Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:
http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html