Lars Harms: Ein Abbruch des laufenden Verfahrens würde der Windbranche das Genick brechen
Presseinformation Kiel, den 12.10.2017Es gilt das gesprochene WortLars Harms TOP 21 Verlässlichkeit und Rechtssicherheit beim Ausbau der Windenergie Drs. 19/232 „Das Verfahren gibt genügend Möglichkeiten, die Windkraftplanung noch anzupassen. Diese Chancen sollten genutzt werden.“Mit dem Urteil des OVG Schleswig vom Januar 2015 wurde die Unwirksamkeit derTeilfortschreibung der Regionalpläne festgestellt. Das war seinerzeit ein Schlag ins Kontor, denndamit wurde die landläufige Vorgehensweise zur Ausweisung von Windeignungsflächengekippt. Es wurde festgestellt, dass Mehrheitsentscheidungen – sei es durchGemeindesratsbeschluss oder durch Bürgerbeteiligungen – bei der Planung keinen Belangdarstellen dürfen. Denn es geht hierbei nicht um die Planungshoheit der Gemeinden, vielmehrgeht es um raumordnerische Belange, die gegeneinander abzuwägen sind. Daher muss dieplanerische Festsetzung anhand nachvollziehbarer und sachlicher Gründe geschehen. 2Mit dem Urteil war klar, dass die Ausweisung von Windenergieflächen komplett auf neue Füßegestellt werden muss. Das hat die Landesregierung – als oberste Planungsbehörde – seinerzeitgetan. Es wurden Maßnahmen ergriffen, um drei wichtige Ziele sicherzustellen:Erstens, kein ungesteuerter Ausbau der Windenergienutzung in Schleswig-Holstein allein aufBasis der Privilegierung nach Baugesetzbuch,zweitens, keine Übertragung der vollen Planungsverantwortung auf die einzelnen Gemeinden,sondern weiterhin Steuerung der Windenergienutzung durch Regionalpläne unddrittens, kein Ausbaustopp für Windenergie in Schleswig-Holstein während derAufstellungsphase der neuen Pläne.Mit diesen Krücken wurde der Ausbau der Windenergie zwar vorübergehend eingeschränkt,aber er war trotzdem kontrolliert möglich.Parallel dazu hat die Landesplanung ein rechtssicheres und raumverträgliches Instrumentgeschaffen, das die Anforderungen des OVG erfüllt. Insgesamt wurden 354 Vorranggebiete fürWindenergie sowie Vorranggebiete für Repowering ausgewiesen. Das entspricht 2 % derLandesfläche.Sie wurden nach landesweit einheitlichen sachlichen und fachlichen Kriterien ausgewählt. Eswurden harte und weiche Tabukriterien zu Grunde gelegt und schließlich wurden die Flächen ineinem ausführlichen Abwägungsprozess ermittelt. Damit sind die gefundenen Flächen sachlichund fachlich begründet. Und darauf kommt es an.Jeder in Frage kommende Quadratmeter im Land wurde unter die Lupe genommen. Soll heißen,auch Altstandorte wurden anhand der neuen Kriterien untersucht. Dabei wurden auchplanerische Fehler der Vergangenheit ausgeräumt oder die technologische Weiterentwicklungberücksichtigt.Mit der Anhörungsphase wurde, wurde das größte planerische Beteiligungsverfahren Schleswig-Holsteins in Gang gesetzt. Bürgerinnen und Bürger konnten sich die Flächen ansehen und 3flurstückscharf ein Bild davon machen, welche Gebiete künftig für den Ausbau der Windenergievorgesehen sind und welche nicht und dann eine entsprechende Stellungnahme abgeben. Nunsteht die Auswertung dieses Verfahrens an.In einem zweiten Schritt wird voraussichtlich ab Mitte 2018 eine zweite Beteiligungsrundestattfinden, so dass die Pläne gegen Ende nächsten Jahres dann rechtssicher aufgestellt werdenkönnen.Wir sind also noch voll im Verfahren. Und für uns als SSW steht ganz klar fest, dieser Prozess darfnicht gefährdet werden. Wer ihn gefährdet oder gar abbricht, der handelt politisch grobfahrlässig. Der Ausbau der Windenergie wäre dann über Jahre gefährdet, weil die rechtlichePlanungsgrundlage fehlt. Um es nochmal deutlich zu sagen, das was wir jetzt haben sind nurKrücken, die solange halten sollen, bis ein rechtssicherer Zustand hergestellt wird.Wer die Planungsgrundlagen in Zweifel zieht oder sie willkürlich kippen will oder davonabweicht, der bringt das gesamte Verfahren in Gefahr, was einem Abbruch gleich käme.Ein Abbruch des laufenden Verfahrens würde der Windbranche hier im Land das Genick brechen.Eine solche Entscheidung wäre für den Wirtschaftsstandort fatal. Tausende Arbeitsplätze wärenin Gefahr und den Kommunen entgingen Einnahmen in Millionenhöhe. Das darf nicht passieren.Deshalb müssen wir alles daran setzen, das Verfahren im geplanten Zeitrahmen vernünftig zuEnde zu bringen. Wir können es uns nicht leisten, das gesamte Verfahren auf Eis zu legen, nurum unsinnige Wahlversprechen einzuhalten. Dafür steht zu viel auf dem Spiel.Natürlich müssen die Ergebnisse der Anhörung in geeigneter Form Berücksichtigung finden.Denn es mag ja sein, dass aus der Anhörung ersichtlich wird, dass Änderungen im Rahmen dererarbeiteten Kriterien angebracht oder notwendig sind. Oder, dass neue Kriterien – neben denbestehenden Kriterien – eingearbeitet werden müssen. Aber prinzipiell gilt, es darf keinewillkürlichen Abweichungen vom Verfahren geben. Das bedeutet, dass mögliche Änderungen 4planungsrechtlich nachvollziehbar sein müssen, ohne dass die Planungsgrundlage dabeiangefochten wird.Für den SSW können wir uns durchaus vorstellen, dass es Änderungen geben kann. Dies sinddann aber nur Nuancen über die wir reden und ohne dabei die bestehendenPlanungsgrundlagen zu ändern.Es ist durchaus vorstellbar, dass ein Ergebnis der Anhörung sein könnte, dass dort, wo Anlagenzurück gebaut werden müssen, dies letztendlich nicht sinnvoll ist, weil der Standort technischbereits darauf vorbereitet ist. Soll heißen, wenn Windkraftanlagen stehen und entsprechendeTransformatorenstationen errichtet wurden, dann sollten die Anlagen auch weiterhin dortstehen bleiben dürfen. Dies sollten wir auf jeden Fall prüfen, denn hier haben die Investoren imguten Glauben investiert und gebaut. Dies sollte dann nicht mit einem Federstrich aus der Weltgeschaffen werden. Das Vorhandensein von Infrastruktur könnte also durchaus ein zusätzlichesKriterium sein.Uns ist durchaus klar, dass die Abstandsregelungen politisch und emotional heiß diskutiertwerden. Aber wir wissen auch, dass hier kaum Spielraum ist, wenn es darum geht, dieenergiepolitischen Ziele zu erreichen. Daher gibt es für uns keine Alternative zu den getroffenenAbstandsregelungen. Jedoch sollten wir auch hier, die Ergebnisse der Anhörung abwarten, undsehen, inwieweit in Einzelfällen die Abstände der Eignungsflächen im Rahmen derausgewiesenen Flächen verändert werden können. Hier sollten wir überlegen, inwieweit dieHöhe der Anlage als Berechnungsgrundlage gewertet werden kann, um zu größeren Abständenzu kommen, ohne die Eignungsflächen an sich zu verändern.Zudem sollten wir auch überlegen, inwieweit Splitterflächen, die bisher aus der Planungrausgenommen wurden, gegebenenfalls doch genutzt werden können. Wir sehen darin 5durchaus Potential, um solche Flächen letztendlich doch für die Windkraft zu nutzen. Hierwollen wir uns nicht gänzlich verschließen, sofern dies im Rahmen der Planungsgrundlagenmöglich ist und wir nicht anderweitig unser Flächenziel erreichen können. Wir müssen ja auchAntworten haben, wenn die Anhörung beispielsweise ergibt, dass Flächen aus der Planungwegfallen. Dies kann durchaus ein Ergebnis der Anhörung sein. Dann sollten wir uns vorherGedanken gemacht haben, wie solch ein Wegfall kompensiert werden kann. Denn wie gesagt,wir haben uns als Land Schleswig-Holstein klima- und energiepolitische Ziele gesetzt, die wirerreichen wollen. Von diesen Zielen dürfen wir nicht abweichen.Auf der anderen Seite möchte ich hervorheben, dass der SSW keinen Spielraum sieht, wenn esum die Belange des Denkmal- oder des Landschaftsschutzes geht. Es gibt für diese Bereiche klareGründe und Definitionen, warum die Abstände dort einzuhalten sind. Uns geht es darum, dassbeispielsweise Kulturdenkmäler oder auch charakteristische Landschaftsräume mitentsprechenden Abständen von Windkraft freigehalten werden. Dies ist vor Ort so gewollt undmit der obersten Planungsbehörde entsprechend abgestimmt. Daran darf auch nicht gerütteltwerden.Anders verhält es sich nach Auffassung des SSW bei Abständen zum Nationalpark Wattenmeerbzw. zu NATURA 2000 Flächen. Klar ist, dass wir Pufferzonen zu solchen Gebieten haben. Aberdort, wo bereits jetzt Windkraftanlagen stehen, sollten diese Anlagen nicht nur stehen bleiben,auch das Repowering sollte dort nach unserer Auffassung zulässig sein. Der Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog bei mir an der Westküste ist so ein Beispiel. Dort stehen Anlagen, die ihren Abstandzum Nationalpark und zum angrenzenden NATURA 2000 Gebiet haben. Das ist auch alles soweitin Ordnung. Denn die Schutzgüter werden durch die bestehenden Anlagen nicht beeinträchtigt,sonst würden sie ja dort nicht stehen. Es stellt sich daher die Frage, warum dort kein Repoweringstattfinden darf, sofern sich die Anlagenhöhe nicht verändert und der bisherige Abstand 6bestehen bleibt. Es gibt für NATURA 2000 Gebiete das Verschlechterungsverbot, das ist unsererSicht aber nicht beeinträchtigt, sofern Anlagenhöhe und Puffer sich nicht verändern. Unddeshalb braucht man dort eigentlich auch keine neu definierte Pufferzone. Hier gäbe es alsoeinen Hebel bestehende Windkraftnutzung weiter zuzulassen.Um es nochmal deutlich zu sagen, wir wollen an den Planungsgrundlagen nicht rütteln. Wirsollten die Anhörung aber zum Anlass nehmen, um Vorschläge aufzugreifen, die sich im Rahmender planungsrechtlichen Vorgaben bewegen. Ansonsten wäre die gesamte Anhörung adabsurdum geführt und nur eine riesige Alibiveranstaltung. Das kann nicht gewollt sein.Wir dürfen das gesamte Verfahren aber auch nicht in Gefahr bringen, denn das würde uns fürmehrere weitere Jahre zurückwerfen und der Windwirtschaft enormen Schaden zufügen. DasVerfahren muss vernünftig und reell zu Ende gebracht werden, denn die Windbranche, dieInvestoren und die Kommunen haben ein Recht auf Planungssicherheit. Und das Verfahren gibtgenügend Möglichkeiten, die Windkraftplanung an der einen und anderen Stelle nochanzupassen. Genau diese Chancen sollten genutzt werden.Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html