Jette Waldinger-Thiering: Scheindemokratisch und noch dazu im Schweinsgalopp
Presseinformation Kiel, den 20.09.2017Es gilt das gesprochene WortJette Waldinger-Thiering TOP 8 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes Drs. 19/166 „Scheindemokratisch und noch dazu im Schweinsgalopp“Selbstverständlich ist eine neue Landesregierung besonders ambitioniert, wenn es umBildungsfragen geht. Denn hier lässt sich viel bewegen und genau hier werden wichtigeGrundlagen für unsere Zukunft gelegt. Gleichzeitig sind die vielen Schülerinnen und Schüler,Lehrerinnen und Lehrer aber auch Eltern sehr direkt von den Vorgaben der Politik betroffen. Esist vielleicht nicht allen bewusst: Aber unsere bildungspolitischen Entscheidungen habenhäufig sehr direkte Auswirkungen auf den Alltag der Betroffenen. Bildungspolitik zu machen,ist also aus verschiedenen Gründen eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe.Wir haben hier in den Regierungsjahren der Küstenkoalition viel über unseren Bildungsdialoggesprochen. Natürlich ist so ein Verfahren nicht der Königsweg. Es gibt Alternativen, ummöglichst viele Menschen an der Entscheidungsfindung zu beteiligen. Noch dazu ist es uns 2trotz Bildungsdialog nicht immer gelungen, alle mitzunehmen. Und doch ist und bleibt esunheimlich wichtig, die Betroffenen umfassend zu beteiligen.Doch für alle, die auf Mitbestimmung gehofft haben, ist diese Änderung des Schulgesetzesenttäuschend. Die Schulstrukturen sollen im Eilverfahren verändert werden. Inhaltlich magman davon halten was man will. Es ist das gute Recht der Koalition. Damit ist aber Fakt, dassGymnasien nur dann bei G8 oder beim Y-Modell bleiben können, wenn sie sofort dieentsprechenden Schritte für eine außerplanmäßige Schulkonferenz einleiten. Die Frist bis zum23. Februar 2018 ist in meinen Augen wirklich sportlich. Noch dazu muss sich hier eineDreiviertelmehrheit für den Erhalt der bisherigen Struktur aussprechen. Das istzusammengenommen eine fast unüberwindbare Hürde - und in meinen Augen eben geradekeine Beteiligung sondern Scheindemokratie.Eins muss natürlich auch klar sein: Man kann nicht alle in alle Entscheidungen zum Schulalltageinbinden. Aber bei einer so gravierenden strukturellen Änderung wie der flächendeckendenRückkehr zu G9 halte ich genau das für zwingend notwendig. Und zwar nicht zuletzt, weil sichhier erhebliche Kostenfragen und damit auch Fragen der Konnexität ergeben. Die Rückkehr zuG9 löst bekanntlich nicht nur einen Mehrbedarf an Lehrkräften aus, sondern auch anRäumlichkeiten. Noch dazu steigen die Schülerzahlen mittelfristig an. Hier erwarten dieKommunen ganz konkrete Antworten. Doch diese Antworten bleibt Jamaika leider bisherschuldig.Man sollte auch nicht so tun, als würde der bildungspolitische Kuchen bei guter Konjunkturplötzlich sehr viel größer werden. Dabei betrifft ein flächendeckendes G9 aber nun mal nur dierund 18 Prozent der Schülerinnen und Schüler, die ihren Abschluss am Gymnasium machen.Damit ist klar, dass die Ressourcen, die man hier bindet, logischerweise an den anderenSchulen fehlen. Das heißt im Klartext: Letztlich müssen rund 80 Prozent der Schülerinnen und 3Schüler enger zusammen rücken, damit für die anderen 20 Prozent mehr Mittel bereitstehen.Aus meiner Sicht ist das schon allein ökonomisch fragwürdig. Und viele Schülerinnen undSchüler, Lehrkräfte und Eltern würden auch hier gerne ernsthaft einbezogen werden. EinWunsch, der den allermeisten offensichtlich verwehrt bleibt.Die Frage der Beteiligung bei so weitreichenden Entscheidungen ist mehr als eine Stilfrage.Und sie ist eben auch längst nicht nur bei der Frage G8 oder G9 geboten. Auch imGrundschulbereich oder beim Thema Inklusion planen CDU, FDP und Grüne bekanntlichumfassende Änderungen. Überall sind gravierende Auswirkungen auf den Schulalltag zuerwarten. Und deshalb haben auch fast alle Lehrkräfte und viele Eltern mit denen ich sprecheeinen Haufen berechtigter Fragen. Zum Beispiel zur zukünftigen Ausstattung oder zurinhaltlichen Ausgestaltung. Das gilt für den angekündigten zusätzlichen Unterricht imGrundschulbereich, aber auch für die inhaltliche Weiterentwicklung des neunjährigen Wegszum Abitur. Hier würden wir uns gerne gemeinsam mit den Betroffenen einbringen, um dannzumindest zu einem modernen und zeitgemäßen G 9 zu kommen.Hinweis: Diese Rede kann hier ab den folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html