Lars Harms: Wir brauchen auch nach dem G-20 Gipfel keine Gesetzesverschärfungen
Presseinformation Kiel, den 19. Juli 2017Es gilt das gesprochene WortLars Harms TOP 22 Rechtsstaat muss politisch motivierter Gewalt konsequent begegnen Drs. 19/78 & 19/81 „Die Bundesrepublik braucht auch nach dem G-20 Gipfel keine Gesetzesverschärfungen!!“Der G20-Gipfel hat nicht nur Hamburg in Atem gelassen, sondern ganz Deutschland. Wir allehaben die Bilder vom Wochenende des G20-Gipfels genau vor Augen. Dabei ist es an dieserStelle nur zu bedauern, dass die rund dreißig friedlichen Demonstrationen quasi von den Tatenvon Chaoten in den Schatten gestellt wurden. Mit jedem geworfenen Stein wurden diefriedlichen Demonstrationen auch ein wenig kaputt gemacht. Mit jeder geworfenen Flascheund jedem geworfenen Molotow-Cocktail, hat man die friedlichen Proteste ein Stück weit 2verhöhnt. Und deshalb muss hier zu Anfang ganz klar gesagt sein, dass es die Chaoten undKrawallmacher waren, die die Situation haben eskalieren lassen. Es gibt kein Recht aufZerstörung von Eigentum und es gibt kein Recht darauf, die körperliche Unversehrtheit vonPolizisten oder zivilen Bürgern zu gefährden! Und es gibt auch keine Rechtfertigung hierfür!Wir alle hier wissen, dass vor zwei Wochen bei unseren Nachbarn in Hamburg ganzeStraßenabschnitte in Brand gesetzt, Geschäfte geplündert und Autos angezündet wurden.Polizistinnen und Polizisten wurden bedroht und dabei wurden schwerste Verletzungen odergar der Tod von den Gewalttätern in Kauf genommen. Die Gewaltspirale hat sich dabei immerweiter nach oben geschraubt. Ein Mob zog durch die Straßen und war teilweise perfektdurchorganisiert. Die allgemeine Ordnung war in einigen Stadtteilen für einige Stunden nichtmehr gegeben. Mittlerweile gibt es zahlreiche Medienbeiträge hierzu, welche einemKatastrophenfilm bisweilen eher ähneln, als einer Reportage.Diese Ausschreitungen sind schlichtweg nicht hinnehmbar und es ist daher absolut notwendig,diese Vorkommnisse einsatztaktisch aufzuarbeiten und Konsequenzen daraus zu ziehen, damitin Zukunft eine solche Eskalation unterbunden werden kann. Und dabei ist auch klar, dass dieListe der zu beratenden Punkte länger ist, als nur das reine Unterbinden von Gewalt, wasnatürlich an sich auch keine ganz unkomplizierte Frage ist. Nun gilt es die vielen Informationenerst einmal zu sammeln und auszuwerten.Dabei sollte man zu Beginn vielleicht erst einmal ganz grundsätzlich auf die Ausgangslageblicken.Ungefähr 20.000 Polizei- und Spezialkräfte waren im Einsatz, wovon knapp 1.800 ausSchleswig-Holstein kamen. Unter den Beamten waren auch Sondereinheiten aus Deutschland,Österreich und den Niederlanden. Die Chaoten lassen sich hingegen nicht so genau zählen.Aber es waren viele. Dabei gilt es in einer solchen Situation jedoch nicht nur die friedlichen 3Demonstrationen und das Recht auf freie Meinungsäußerung zu schützen, sondern auchAnwohner und auch die Teilnehmer des G20-Gipfels. Und all dies gilt es im Zentrum einerMillionenstadt zu bewältigen. Für uns als SSW stellt sich daher die Frage, nach der Tauglichkeitdes Austragungsortes. Vorrangig sollte es um die Frage gehen, welcher Ort über die bestenVoraussetzungen verfügt. Pragmatismus vor Prestige, so sollte die zukünftige Maxime zurAuswahl von deutschen Austragungsorten lauten! Zudem werden andere Großstädte inDeutschland wahrscheinlich dankend ablehnen, wenn es in Zukunft um eine Standortwahlgehen wird.Ein anderer Punkt, der nach unserer Auffassung einer Nachbesprechung bedarf, ist derUmgang mit friedlichen Demonstranten. Ist es wirklich notwendig, ein Zeltlager zu verbietenoder macht es vielleicht doch mehr Sinn, dieses in einem bestimmten Gebiet zu erlauben, umdadurch die Kontrolle und Aufsicht zu bewahren?Was in Zukunft auch eine zunehmende Herausforderung für die Sicherheitskräfte sein wird:Zwischen gewaltbereiten Beteiligten und Neugierigen sowie friedlichen Demonstraten zuunterscheiden. Zum einen funktionierten die Krawalle auf bestimmte Gruppen wie einMagnet, zum anderen wurde durch die Beteiligten eine gezielte Täuschung angewendet,welches die Grenzen zwischen den einzelnen Gruppen zusätzlich verschwimmen ließ. DieseHerausforderung gilt es in Zukunft zu bewältigen. Fest steht schon jetzt, dass es für dieseHerausforderung keine einfache Lösung geben wird. Wobei man in diesem Zusammenhanggenerell von vermeintlich einfachen Lösungen absehen sollte.Was wir als SSW ebenso ablehnen ist, die Krawalle in Hamburg politisch für irgendwelchepersönlichen Wunschträume einiger Bundesminister zu missbrauchen. Deutschland brauchtauch nach dem G-20 Gipfel keine Gesetzesverschärfungen! Die gesetzliche Lage istvollumfassend und tragfähig. Doch natürlich müssen die Geschehnisse einsatztaktischnachbereitet werden, denn hinterher weiß man immer, was man noch hätte besser machen 4können. Es ist jedoch ein Trugschluss zu glauben, man könne mit neuen Gesetzen in solchenEinsätzen besser reagieren. Allein eine umfassende Einsatz-Analyse, kann dazu führen, beimnächsten Mal besser gerüstet zu sein. Schärfere Gesetze brauchen wir nicht!Es ist daher ebenfalls zu kurz gedacht, sogenannte gebrandmarkte Veranstaltungszentrenschließen zu wollen, um somit den Sumpf auszutrocknen zu wollen. Ein solcher Vorschlagschießt unserer Meinung nach über das Ziel hinaus. Es sei denn, in diesenVeranstaltungsgebäuden haben nachweislich, gezielte Vorbereitungen zu gewaltbereitenTaten stattgefunden. Diese Fragestellung gilt es gegenwärtig zu klären. Grundsätzlich geht esja auch darum, die Vorgehensweise in Bezug auf Planung und Struktur der gewaltbereitenPersonen zu analysieren. Es ist daher völlig richtig, dass auch wir uns als Land Schleswig-Holstein, an der kürzlich eingerichteten Sonderkommission beteiligen werden. Auch gilt es, dieFrage nach dem nationalen und internationalen Krawalltourismus zu beleuchten. In dieserHinsicht müssen die europäischen Partner noch enger miteinander zusammenarbeiten und damacht auch eine gemeinsame Datei Sinn. Wir als SSW verstehen dies auch als Arbeitsauftragan die Bundesregierung, denn der G-20-Gipfel ist nicht als regionale Angelegenheit zuverstehen. Die Ereignisse rund um den G-20-Gipfel erlauben unserer Meinung nach keineRückkehr zur allgemeinen Tagesordnung. Dies verdeutlichen auch die bisher rund 10.000eingegangenen Anzeigen bzw. Hinweise auf mögliche Straftaten. Es gilt daher nun, dieStraftäter von Hamburg rechtstaatlich mit aller Konsequenz zur Rechenschaft zu ziehen.Neben der Aufklärung von Straftaten gilt es nun auch zu klären, inwieweit der Umgang mitJournalisten und speziell der Entzug der Akkreditierung, begründet und rechtmäßig ist. Bislanggibt es dazu noch eine ganze Reihe an offenen Fragen, welche natürlich auch fürVerunsicherung sorgen. 5Alles in allem sind wir uns hier im Hause, glaube ich, über eines einig: Nämlich, dass es nochviele Fragen zu klären gibt und wir als Politik hierzu unseren Beitrag leisten wollen. Wir alle,sowohl als Politik und auch als Gesellschaft sollten uns an dieser Stelle jedoch hüten, allesschwarz-und-weiß zu sehen, auch wenn die Ereignisse die eigene Perspektive nur allzu stark ineine bestimmte Richtung zu drängen scheinen. Die einsatztaktische Aufarbeitung ist vonenormer Wichtigkeit. Wir sollten uns daher mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dafüreinsetzen, dass es auch zu einer gründlichen und im Anschluss klar kommuniziertenAufarbeitung kommt und dabei sollte die Sachlichkeit im Vordergrund stehen. Ich binzuversichtlich, dass dies auch gelingen wird. Auch wir begrüßen vor diesem Hintergrund dieSonderurlaubsregelung, welche durch Innenminister Grote verkündet wurde. Und auch dieangekündigten staatlichen Entschädigungshilfen für die Bürgerinnen und Bürger, die Schädenerlitten haben, ist ein wichtiges Teilelement, um den G-20-Gipfel auch vernünftig aufarbeitenzu können.Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich unseren Polizistinnen und Polizisten sowie allenbeteiligten Einsatzkräften aus Schleswig-Holstein einen aufrichtigen Dank aussprechen. Ihnengebührt unsere volle Anerkennung, denn sie haben ihren Kopf dafür hingehalten, dassMenschen demonstrieren konnten und dass die Bürgerinnen und Bürger so gut wie irgendmöglich geschützt wurden!Hinweis: Diese Rede kann hier ab den folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html