Flemming Meyer: Sachaufklärung statt mediale Bomben und Selbstdarstellung
Presseinformation Kiel, den 22. März 2017Es gilt das gesprochene WortFlemming Meyer TOP 45 Erster Parlamentarischer Untersuchungsausschuss Drs. 18/5272 „Mediale Vorverurteilungen, „Schnellschüsse“ und Verunglimpfungen verhindern eine sachliche und menschlich korrekte Aufklärungsarbeit.“Der Untersuchungsausschuss ist ein wichtiges Instrument unserer parlamentarischenDemokratie. Er ermöglicht es der Opposition aktiv an der Aufklärung von politischenFehlverhalten einer Regierung beizutragen. Das ist gut so. Denn alles was das Parlament anKontrollmöglichkeiten gegenüber der Regierung wahrnehmen kann, stärkt die Demokratie.Demokratie darf natürlich auch etwas kosten. Bei Bedarf auch eine sechsstellige Summe. Wasaber nicht geht, ist die Nutzung eines Untersuchungsausschusses zur parteipolitischenProfilierung und damit der Verschwendung von Steuergeldern.Wir hatten den parlamentarischen Auftrag, die Vorgänge rund um den „Friesenhof“ zuuntersuchen und unsere Schlüsse daraus zu ziehen – und zwar in dieser Reihenfolge! DiesenAuftrag habe ich nach bestem Wissen und Gewissen versucht abzuarbeiten. Die politischeAufklärung und das Wohl der jungen Leute stand dabei für mich immer im Mittelpunkt. 2Dass an den Vorwürfen der Opposition gegenüber der Ministerin nichts dran war, wurdeschnell klar. Und die Ministerin hatte, nachdem ihr die Vorfälle bekannt wurden,beeindruckend schnell und mit umfassenden Maßnahmen reagiert.Was die Vorgänge im Friesenhof selbst betrifft, hätte ich mir am Ende der Untersuchung auchmehr Erkenntnisse gewünscht. Als jemand, der das erste Mal an so einem Ausschussteilgenommen hat, scheint mir aber die Untersuchungszeit für eine Aufarbeitung etwas knappbemessen gewesen zu sein. Dies gilt ebenso für die Anzahl und Auswahl derAuskunftspersonen und die beigezogenen Akten. Insgesamt können aus den uns bishervorliegenden Erkenntnissen nur punktuelle und in vielen Fällen keine eindeutigen oderabschließenden Feststellungen getroffen werden.Vor allem scheint es mir aber nicht angebracht zu sein, sich aus den unterschiedlichen und zumTeil widersprechenden Zeugenaussagen und Akten nur die Informationen herauszupicken, dieeinem in das politische Konzept passen.Dass die Opposition das in ihren Bewertungen zum Abschlussbericht macht, entspricht inTeilen auch deren Arbeitsweise im Ausschuss selbst. Wie weit der Anspruch der Opposition aneiner glaubwürdigen Aufklärung beizutragen und seine Umsetzung auseinandergelaufen sind,möchte ich an drei Beispielen deutlich machen:Erinnern wir uns an den Juli 2015: Wenige Tage nachdem die Opposition ihre Absicht zurEinrichtung eines PUA öffentlich gemacht hat, stellt Frau Rathje-Hoffmann (CDU) in ihrerPressemitteilung vom 07. Juli hierzu fest: „Das Parlament muss die Heimaufsicht vom Kopf aufdie Füße stellen – die Ministerin ist dazu offensichtlich nicht in der Lage“ und weiter „Wofürgibt es in diesem Ministerium eigentlich Vorgesetzte? (…) Da hat jede Kontrolle versagt“.Was hier geschieht ist nicht etwa das Formulieren einer kritischen Frage, sondern dieSchuldzuweisung und Vorverurteilung der Ministerin. Wenn aber das Ergebnis derUntersuchung schon vorher feststeht, warum wurde dann überhaupt ein Ausschusseingesetzt? 3Außerdem frage ich mich, ob solche persönlichen Vorwürfe der Sinn und Zweck einesUntersuchungsausschusses sein können, und woher sich die CDU das Recht nimmt, einenMenschen in dieser Form vorzuverurteilen? Für mich ist das eine zutiefst menschliche Frage,denn an dieser Stelle scheinen mir die ethischen Maßstäbe in einer politisch und menschlichzerstörerischen Art und Weise weit überdehnt worden zu sein.Mit dieser „Verurteilung“ ist die CDU-Obfrau Rathje-Hoffmann in den Ausschusshineingegangen und auch wieder hinaus - obwohl der Ministerin kein politisches Fehlverhaltenvorzuwerfen ist.Was die FDP mit ihrem Obmann Kubicki betrifft, möchte ich auf einen „Schnellschuss“ in derPressemitteilung vom 13. Juni 2016 und der anschließenden Berichterstattung in den KielerNachrichten vom 14.06.2016 aufmerksam machen.Der Rechtsbeistand der ehemaligen Leiterin der Heimaufsicht hatte damals dem Ausschussberichtet, dass die Hausspitze von einer Staatssekretärin Frau Dr. Duda über alles informiertworden sei. Daraus wurde in der Presseinformation der FDP dann folgendes: „Wenn dieAussage stimmen sollte, dass alle relevanten Informationen an die Hausspitze, Frau Dr. Dudaund Staatssekretärin Langner, weitergeleitet wurden, dann kommt Ministerin Kristin Alheit(SPD) in erhebliche Erklärungsnot“. Soweit ich mich entsinne, gibt es weder eineStaatssekretärin Dr. Duda, noch wurde der Name Langner erwähnt.Dass es sich um eine Namensverwechslung handelte, können sie den Kieler Nachrichten vom14.06.2016 entnehmen. Der Rechtsbeistand hatte unmittelbar nach der Sitzung seine Aussagegegenüber der Presse korrigiert, indem er darauf hinwies die Abteilungsleiterin versehentlichals Staatssekretärin bezeichnet zu haben. Dennoch stellt Herr Kubicki im gleichenZeitungsartikel kategorisch fest: „Entscheidend ist, was protokolliert wird“.Es ist also nicht nur so, dass in der Pressemitteilung der FDP etwas Anderes steht, als das, wasder Rechtsbeistand gesagt hat. Es ist zusätzlich eine Verhöhnung von Verfahrensbeteiligten,wenn ihnen nicht die Zeit und die Möglichkeit der Korrektur einer Aussage eingeräumt wird. 4Dass die CDU-Obfrau Rathje-Hoffmann dann auch noch auf diesen Zug nach Nirgendwo mitaufspringt, macht die Sache nicht besser.Ein solcher Umgang mit Verfahrensbeteiligten ist nicht vorbildlich. Schließlich kann uns allensolch ein Missgeschick widerfahren - vielleicht mit Ausnahme des Herrn Kubicki.Im Parlament und im Privatleben hätten wir so eine Namensverwechslung vermutlich kurzbelächelt und unserem Gegenüber selbstverständlich die Möglichkeit einer Korrekturzugestanden. Nur hier, und weil es der FDP gerade mal wieder eine Schlagzeile wert war,verdreht sie die Tatsachen und bringt einen Menschen wegen einer Ungeschicklichkeit unnötigöffentlich in Verlegenheit.Ein toleranter und respektvoller Umgang mit Verfahrensbeteiligten sieht für mich anders aus.Dies gilt auch für Herrn Dudda von den Piraten und deren unsäglicher Pressemitteilung vom 23.Mai 2016. In dieser wirft der Piraten-Obmann Dudda einem langjähriger Ex-Mitarbeiter derHeimaufsicht nach seiner Befragung vor, dass der 70-jährige versucht habe, sich „mitjuristischer Raffinesse und selektiven Erinnerungslücken (…) aus jeder Verantwortung zuwinden“. Außerdem wird ihm eine „verbeamtete Verantwortungsscheue“ unterstellt. Genaudiese Formulierungen finden sich einen Tag später fast wörtlich in der regionalen undüberregionalen Presse wieder.Hiermit werden von Herrn Dudda Behauptungen und Beleidigungen und damit eineDiffamierung des Zeugen in die Öffentlichkeit hinausgepustet.Herr Dudda, das ist respektlos, wie sie mit Unterstellungen operieren und wie sie mitAuskunftspersonen umgehen. Das ist nicht zu akzeptieren!Es geht aber noch weiter. Schaut man sich einige der Presseinformationen der Oppositiongenauer an ist festzustellen, dass sie sich als die moralische Instanz für die Friesenhof-Bewohnerinnen aufzuspielen versuchen und die Vorwürfe gegenüber der Ministerin sodarstellen, als sei sie schuld an einem möglichen Missbrauch an den jungen Leuten. 5Sehr geehrte Damen und Herrn von der Opposition, ich nehme ihnen die Sorge um dasWohlergehen der jungen Leute durchaus ab. So reißerisch aber, wie sie gelegentlich eineVerbindung zwischen der Ministerin und den Ereignissen im Friesenhof herzustellen versuchthaben, ist das nichts anderes, als dass sie diese jungen Leute für ihre Zwecke instrumentalisierthaben, um der Ministerin persönlich zu schaden.Um es ganz deutlich zu sagen: Wenn die Opposition wie die CDU mit Vorverurteilungenoperiert, die FDP falsche Behauptungen aufstellt und ihr eine Namensverwechslung eineSchlagzeile wert ist, und sich dies alles dann wie die Verunglimpfung eines Zeugen durch diePiraten fast wörtlich in der Presse wiederfindet, dann haben wir in einemUntersuchungsausschuss bald nicht nur ein Glaubwürdigkeitsproblem. Vielmehr dürfte sich inZukunft die Bereitschaft von Menschen erheblich reduzieren, sich bei einer Befragungunvoreingenommen gegenüber dem Ausschuss zu öffnen.Insofern nutzt sich die Bedeutung eines Untersuchungsausschusses nicht nur mit derHäufigkeit seiner Einsetzung ab, sondern verliert auch seine öffentliche und aufklärerische„Strahlkraft“ durch unseriöses Verhalten wie es die Opposition in den vergangenen Monatenzeitweise praktiziert hat.Das ist mehr als ärgerlich, denn mediale Vorverurteilungen, „Schnellschüsse“ undVerunglimpfungen verhindern eine sachliche und menschlich korrekte Aufklärungsarbeit.Letztlich müssen die Damen und Herren von der Opposition aber selbst entscheiden, ob es sichfür eine Skandalisierung mit dem Haltbarkeitsdatum von einem Tag tatsächlich lohnt einemUntersuchungsausschuss als Instrument der politischen Aufklärung und derRegierungskontrolle zu schaden oder in die Wirkungslosigkeit zu verbannen.Ich bin davon überzeugt, dass wir zukünftig respektvoller etwa mit den Auskunftspersonenumgehen müssen. Zudem sollten wir uns die Offenheit und die Bereitschaft bewahren, je nachKenntnisstand auch mal Zwischenergebnisse revidieren zu dürfen. Und vor allem sollten wir 6versuchen nicht permanent zu skandalisieren, sondern die Aufklärungsarbeit einesUntersuchungsausschusses immer von den Endergebnissen her bewerten. Es würde dieGlaubwürdigkeit in die sachgerechte und objektive Abarbeitung eines parlamentarischenAuftrags und die Akzeptanz unserer Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit erhöhen.Gegen Ende meiner Rede möchte ich noch einmal auf die sogenannten „schwierigen Kinderund Jugendlichen“ beziehungsweise auf die „schwierigen Mädchen und junge Frauen“ imFriesenhof zurückkommen. Für mich steht jedenfalls fest, dass unsere Gesellschaft keinesdieser Kinder und Jugendlichen fallen lassen darf.Sicher, die Lebensumstände der Mädchen und jungen Frauen dürften in den seltensten Fällenlebensbejahend gewesen sein. Aber ganz klar ist auch, dass kein Kind als schwieriger Charaktergeboren, sondern erst durch seine Umgebung dazu gemacht wird. Jedes Vorurteil und jedeDiskriminierung, ist hier also absolut fehl am Platze!Auch für diese jungen Menschen betrachte ich die Vermittlung von Freuden und einer damitverbundenen Zukunftsperspektive als wesentlich, also die Freude auf den nächsten Tag unddas Leben und Arbeiten insgesamt.In unserer durchrationalisierten Welt ist das leider nicht leicht. Ich bin mir aber sicher, dassviele der Maßnahmen, die das Sozialministerium nach Bekanntwerden der Vorfälle imFriesenhof schnell und umfassend auf den Weg gebracht hat, sowie die Einrichtung derOmbundsstelle und die guten Vorschläge des „Runden Tisches zur Heimerziehung“ dabeihilfreich sein werden. Eines Untersuchungsausschusses hätte es dafür aber nicht bedurft.Um nicht missverstanden zu werden: für mich ist ein Untersuchungsausschuss nach wie vorein parlamentarisch unverzichtbares „politisches Schwert“ insbesondere für die Opposition.Es geht aber um eine möglichst unvoreingenommene politische Sachaufklärung und nicht umdas Zünden von medialen Bomben aus politischen Motiven oder zur Selbstdarstellung. 7Wenn es nur darum gehen sollte, dann hätten wir uns die mehr als 700.000 Euro sparenkönnen, die dieser Untersuchungsausschuss den Steuerzahler gekostet hat.Hinweis: Diese Rede kann hier ab den folgenden Tag als Video abgerufen werden:http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html