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26.01.17
11:58 Uhr
SPD

Kai Dolgner zu TOP 19, 23, 24: Maß und Mitte auch in schweren Zeiten wahren!

Es gilt das gesprochene Wort!


Hinweis: Diese Rede kann hier als Video abgerufen werden: http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html



Kiel, 26. Januar 2017



TOP 19 + 23 + 24: Anträge zur Terrorismusbekämpfung (Drs-Nr. 18/5024, 18/5034, 18/5038)



Kai Dolgner:
Maß und Mitte auch in schweren Zeiten wahren!

Der feige Terroranschlag von Berlin auf friedliche Menschen in Berlin hat unsere Republik erschüttert und selbstverständlich ist es legitim zu fragen, wie konnte es soweit kommen?
Je mehr über den Fall Amri bekannt wird, desto drängender stellt sich diese Frage. Waren es Fehleinschätzungen, Fehlentscheidungen, fehlende Ressourcen oder fehlende gesetzliche Grundlagen? Gründung einer terroristischen Vereinigung, Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat, versuchte Mordbeteiligung, Körperverletzung, Diebstahl, gewerbsmäßiger Betrug, Urkundenfälschung, Drogenhandel und aufenthaltsrechtliche Verstöße; wegen all dieser Straftaten wurde zwar gegen Amri ermittelt, die Beantragung eines Haftbefehls unterblieb aber wohl. Fehlende Ausreisepapiere allein ermöglichen natürlich nicht eine längere Sicherungshaft nach Aufenthaltsgesetz und ich halte auch eine Prognoseverlängerung bei Haftgründen wie unerlaubte Einreise oder Wechsel des Aufenthaltsortes für nicht erforderlich. Bei einer Abschiebung wegen Terrorverdachtes nach § 58a Aufenthaltsgesetz könnte aber eine Lehre aus dem Fall Amri sein, dass man den notwendigen Prognosezeitraum für eine erfolgreiche Abschiebung über die drei Monate soweit erweitert, wie es rechtstaatlich noch angemessen ist, um eine Sicherungshaft von Gefährdern aus unkooperativen Heimatländer überhaupt zu ermöglichen. Zum Antrag der FDP möchte ich erwähnen, dass wir einen ähnlichen Antrag der FDP „Gefahren durch religiös motivierte Gewalt abwenden“ im letzten Jahr im 2



Ausschuss intensiv beraten, vor allem bezüglich der Auskömmlichkeit der laufenden Präventionsprogramme und der schon vorgenommenen deutlichen Verbesserungen bei der Personalstärke des Verfassungsschutzes angenommen haben.
Natürlich gestehe ich Ihnen zu, dass Sie diese Auskömmlichkeit angesichts der jüngsten Entwicklungen zwei Monate später jetzt nicht mehr sehen und wir erneut darüber beraten sollten. Ich finde aber Anträge, in dem das Parlament die Regierung auffordert, dem Parlament wiederum einen bestimmten Haushaltsvorschlag zu machen, als Parlamentarier nur mäßig selbstbewusst. Ich bin mir sicher, es wird auch 2017 Haushaltsberatungen geben, wo wir bzw. unsere Nachfolgerinnen neue Erkenntnisse des Ausschusses direkt umsetzen können. Eine Evaluation von Präventionsprogrammen ist immer sinnvoll und Schleswig-Holstein muss sich da wahrlich nicht verstecken. Wir sollten da aber mit anderen Ländern und dem Bund zusammenarbeiten, um eine breitere Vergleichsbasis zu haben und uns nicht nur auf Islamismus beschränken. Der Rechtsextremismus wird ja nicht harmlos, weil wir eine wachsende islamistische Bedrohung haben.
Für mich ist die Fußfessel zur Haftvermeidung oder zum Durchsetzen der Führungsaufsicht kein Tabu. Zur Gefahrenabwehr warte ich mit Spannung auf den verfassungskonformen Vorschlag, der einen solchen dauerhaften und schweren Grundrechtseingriff ermöglichen soll, rein aufgrund einer Prognose ohne konkrete Erkenntnisse über eine unmittelbar bevorstehende Begehung einer Straftat.
Und die Kollegen von der CDU greifen wieder mal in die Mottenkiste des Obrigkeitsstaates und holen ihren alten Ladenhüter von der „öffentlichen Ordnung“ raus. Wie soll denn eine Wiedereinführung dieses, im wahrsten Sinne des Wortes „unbestimmten Rechtsbegriffes“, der Verhaltensweisen erfasst, die noch nicht mal unter den § 118 des Ordnungswidrigkeitengesetz fallen, ehemals „Grober Unfug“, konkret gegen Gefährder helfen? Wollen Sie Gefährder mit Platzverweisen wegen ungebührlichen Betragens bekämpfen? Das Gleiche gilt übrigens für die Seemannskiste der Piraten mit Vorratsdatenspeicherung, Videoüberwachung und Telemediengesetz.
Leider habe ich diesmal keine 28 Minuten Redezeit, aber ich scheue selbstverständlich keine Debatte im Ausschuss, auch wenn sich die Argumente vielleicht doch wiederholen und ich nicht mehr die Hoffnung habe, alle Kollegen von den Vorteilen von Maß und Mitte in diesen aufgeregten Zeiten überzeugen zu können.